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Bildung
11.02.2021
13.02.2021 08:55 Uhr

«Rheintal muss ein starker Berufsbildungsstandort bleiben»

Gastkommentator Sandro Hess ist Kantonsrat, Schulleiter und Mitglied der Berufsbildungskommission (Bild: Ulrike Huber)
Gastkommentator Sandro Hess ist Kantonsrat, Schulleiter und Mitglied der Berufsbildungskommission (Bild: Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Rorschach-Rheintal soll nach einem Top-Down-Entscheid der Kantonalregierung zerschlagen werden. Und dann? Ein Gastkommentar von Kantonsrat Sandro Hess (CVP).

Rheintal24 hat intensiv berichtet: Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Rorschach-Rheintal soll aufgrund eines ohne Abstimmung mit den Betroffenen und Beteiligten Topdown-Entscheids der Kantonsregierung aufgelöst und das Bildungszentrum für Gesundheitsberufe von St.Gallen nach Rorschach verlegt werden. Was mit dem BZR-Standort in Altstätten geschehen soll, ist noch vollkommen unklar. Nachzulesen in den Artikeln „Unnötige Zerschlagung funktionierender Strukturen“ und „Von oben befohlen: das Ende des BZRRorschach-Rheintal“.

 

Gastkommentar von Sandro Hess

 

Der Entscheid der Kantonalregierung, das BZR Rorschach-Rheintal aufzulösen und auf andere Berufsschulstandorte zu verteilen und das Bildungszentrum für Gesundheitsberufe von St. Gallen nach Rorschach zu verlegen, hat sowohl den Kantonsrat als auch die Berufsfachschulkommission in den vergangenen Wochen sehr beschäftigt. Auch die Tatsache, dass nach wie vor vollkommen ungeklärt ist, was mit dem BZR in Altstätten passieren soll.

Liegt in der Kompetenz der Regierung

Aufgrund des neuen Berufsbildungsgesetzes liegt es tatsächlich in der Kompetenz der Regierung, die Standorte für die Berufsfachschulen festzusetzen. Eigentlich wäre es ja positiv, wenn die Regierung Optimierungs- und damit Entwicklungspotential in den bestehenden Organisationsstrukturen sieht.

ABER:

  • Ein derart schlecht kommunizierter Topdown-Entscheid in Eigenregie der Kantonsregierung ohne jeden Einbezug der lokalen Partner aus Behörden, Lehrbetrieben und Berufsverbänden ist so nicht akzeptabel.
  • Lokale, aber wenig durchdachte und in der Reifephase nicht kommunizierte Reformvorschläge sind zudem aus unserer Sicht viel zu kurzsichtig und daher überhaupt nicht zielführend. Im Gegenteil: Sie gefährden die Qualität unserer St. Galler Berufsbildung.

Aus diesen Gründen sind wir im Kantonsrat parteiübergreifend zunächst mit einer Einfachen Anfrage sowie anschliessend in der letzten Session mit einer Motion aktiv geworden (siehe Fact-Box). Die Motion wurde vom Kantonsrat zum Glück grossmehrheitlich unterstützt. Dies bedeutet nun für die Regierung, dass sie möglichst bald Klarheit schaffen muss über das weitere Vorgehen.

Keine einsame Topdown-Entscheidung

Nicht in Form einer «einsamen Entscheidung» ohne Einbezug der Beteiligten und Betroffenen, sondern in Form einer flächendeckenden Gesamtübersicht für den ganzen Kanton. Damit die Strategie, die hinter dem BZR-Auflösungsentscheid steckt, hoffentlich nachvollziehbar wird.

So es denn überhaupt eine Strategie gibt und es nicht nur kurzfristiger Aktionismus unter dem Schlagwort der Kosteneinsparung ist. Die Regierung hat so die Gelegenheit, nochmals alle Fakten eingehend zu prüfen und bei Bedarf auf den Entscheid bezüglich BZR zurück zu kommen. Das ist aus meiner Sicht absolut notwendig, da für mich triftige Entscheidungsgrundlagen und ein nachvollziehbares Konzept wie auch eine Vision, wie die Berufsbildung im Kanton künftig ausschauen soll, bisher fehlen. 

Altstätten muss starker Berufsbildungsstandort bleiben

Eins steht für mich dabei aber felsenfest: Altstätten und damit die Region Rheintal muss ein starker Berufsbildungsstandort bleiben - dafür werde ich mich auch weiterhin vehement einsetzen!

Die dringliche Motion CVP-EVP-Fraktion / SP-Fraktion / GRÜNE-Fraktion vom 30. November 2020 im Wortlaut:

«Keine strategischen Standortentscheide für Berufsfachschulen ohne die notwendigen Grundlagen»

«Im Jahr 2019 wurde das Postulat 43.19.03 ‹Strategische Investitionsplanung für Sekundarstufe ll› eingereicht und mit 97:3 Stimmen überdeutlich gutgeheissen. Der Postulatsbericht muss spätestens innert drei Jahren, also im Jahr 2022, vorliegen.

In der schweizerischen Berufsbildungslandschaft werden die verschiedenen Kompetenzen zunehmend gebündelt, der Trend geht in Richtung Kompetenzzentren in den einzelnen Schulen. Am 21. Oktober 2020 wurde völlig überraschend bekannt gegeben, dass das Berufs- und Weiter-bildungszentrum Rorschach-Rheintal (BZR) und das Weiterbildungszentrum Rorschach-Rheintal (WZR) in der bisherigen Form aufgehoben werden. Gleichzeitig wurde darüber informiert, dass in die bestehenden Räume in Rorschach die Gesundheitsberufe des Berufs- und Weiterbildungszentrums für Gesundheits- und Sozialberufe St.Gallen (BZGS) einziehen werden.

Die Absicht, die Berufsbildung neu auszurichten und die Schaffung von Kompetenzzentren zu prüfen, ist nachvollziehbar. Die Entscheidung, das BZR Rorschach und das WZR Rorschach-Rheintal in der bisherigen Form aufzulösen, wurde aber ohne Einbezug der relevanten Bildungspartner (betroffene Schulen, Verbände, überbetriebliche Kurse) gefällt.

Folglich waren grundlegende Informationen, die dieser Entscheidung zugrunde liegen müssten, gar nicht vorhanden. Ebenso fehlt eine Projektorganisation, die Mengengerüste sind nur rudimentär erfasst, die nachgelagerten Projektschritte nicht erarbeitet.

Aufgrund der unklaren Grundlagen hat die Entscheidung bei den Schulen und in der Wirtschaft (betroffene Branchen) zu Unverständnis und grosser Verunsicherung geführt. Dabei gibt es keine Abhängigkeiten oder Entwicklungen, die bei dieser Entscheidung eine besondere Dringlichkeit erforderlich machen. Die politische Diskussion über die neue Gesamtausrichtung der Schulen und Standorte kann sinnvollerweise erst nach der Auslegeordnung im pendenten Postulatsbericht erfolgen.

Um eine vertiefte und abgestützte Meinungsbildung zu diesem wichtigen Zukunftsthema in der Berufsbildung zu ermöglichen, sollen weitere Entscheidungen erst im Rahmen der oder im Anschluss an die Behandlung des Postulatsberichts im Kantonsrat gefällt werden. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die politischen Gremien (Kantonsrat und Regierung) die notwendigen Entscheidungen auf der Grundlage einer sauberen Auslegeordnung fällen.

Erst dann können die zu verändernden Themen in einem professionellen Rahmen und im Wissen um politische Rückendeckung rasch und zielgerichtet vorangetrieben werden. Dies unter Einbezug aller wichtigen An-spruchsgruppen (Rektorate, Berufsfachschulkommissionen und Wirtschaft/Verbände). Die Erarbeitung des Postulatsberichts ist deshalb so zu beschleunigen, dass er dem Kantonsrat bereits im Sommer 2021 vorliegt.
Die Regierung wird eingeladen, umgehend die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit massgebliche Standortentscheide im Bereich der Berufsbildung erst gefällt werden, nachdem im Rahmen des Berichts zur Erfüllung des Postulats 43.19.03 ein entsprechendes Gesamtkonzept vorgelegt und im Kantonsrat diskutiert worden ist. Auf den bereits gefällten Entscheid ist dabei nötigenfalls zurückzukommen.»

30. November 2020 CVP-EVP-Fraktion
SP-Fraktion
GRÜNE-Fraktion

gmh/uh
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