Home Region Rheintal Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Altstätten
05.02.2021
07.02.2021 01:12 Uhr

Unnötige Zerschlagung funktionierender Strukturen

Das Gebäude des BZR Rorschach-Rheintal soll künftig von der Berufssfachschule für Gesundheitsberufe genutzt werden (Bild: zVg)
Das Gebäude des BZR Rorschach-Rheintal soll künftig von der Berufssfachschule für Gesundheitsberufe genutzt werden (Bild: zVg) Bild: zVg
Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Rorschach-Rheintal BZR ist ein Erfolgsmodell. Und soll von der Kantonsregierung in einer «Top-Down» Entscheidung zerschlagen werden. Was mit dem Standort Altstätten passiert, ist unklar.

Ein «einsamer» und für die meisten Betroffenen vollkommen unerwarteter Entscheid der Kantonsregierung sorgte im vergangenen Oktober für Schlagzeilen: Die derzeit in St.Gallen stationierte Berufsfachschule für Gesundheitsberufe (BZSG) werde nach Rorschach umziehen. Und zwar in das Gebäude des Berufs- und Weiterbildungszentrums Rorschach-Rheintal BZR. Das BZR Rorschach-Rheintal selbst wird zerschlagen. Ein Erfolgsmodell, das wesentlich für die international anerkannte hervorragende Ausbildung auch der Rheintaler Kauffrauen/Kaufmänner, Logistiker*innen, Floristen und Gärtner, der medizinischen Praxisassistentinnen, Kaminfeger*innen und Fleischfachleuten verantwortlich ist, wird zerschlagen und die beschulten Berufe auf andere Standorte aufgeteilt.

Zukunft des Standorts Altstätten weiterhin ungewiss

Auch der BZR-Standort Altstätten, wo bisher die Möglichkeit zur Weiterbildung und Ablegung der Berufsmaturität bestand, soll eingestellt werden. Über die weitere Zukunft dieses Standortes gibt es bis heute keine konkreten Pläne.

Erst aufgrund eines Vorstosses des Kantonsrates im Dezember ist die Regierung angehalten, im ganzen Kantonsgebiet Varianten für Kompetenzzentren in der Berufsbildung zu prüfen und dem Kantonsrat Bericht zu erstatten. Immer klarer wurde die Tatsache ersichtlich, dass der Entscheid der Regierung zur Umsiedlung der BZSG und zur Zerschlagung des BZR ohne wirkliche Grundlagenerforschung und Projekterstellung getroffen wurde. Ohne Einbezug der betroffenen Stakeholder, der in der Praxis der Berufsausbildung stehenden Fachleute. Ja sogar ohne Einbezug der Stadt St.Gallen, die durch den Wegzug der BZSG wohl einen wichtigen Bestandteil einer der drei Säulen der seit Jahren verfolgten Wirtschaftsstrategie verlieren würde.

St.Galler Gesundheitscluster torpediert?

Denn nach den Plänen der Gallusstadt sollte ein Gesundheitscluster entstehen, zu dem neben dem «Joint Medical Master» an der HSG, diversen Studiengängen an der Fachhochschule OST, dem Kantonsspital, dem Kinderspital und der Hirslanden-Klinik Stephanshorn und dem Netzwerk «St.Gallen Health» natürlich auch die Grund- und Weiterbildung des BZGS. Alles in einer Hand, alles an einem Ort.

Der Direktor des BZR Rolf Grunauer und seine Lehrkräfte wurden ebenfalls kurz vor der Veröffentlichung des Entscheids der Kantonsregierung über die Zerschlagung ihrer Schule informiert.

Wirkliche Einsparungen oder Schildbürgeraktion?

 Was eigentlich der Grund für die an legendären Schildbürger erinnernden Aktion der Regierung ist? Es soll eingespart werden. Denn für die Räumlichkeiten der BZSG an den bisherigen beiden Standorten in St.Gallen muss Miete bezahlt werden, die bei einem Umzug nach Rorschach eingespart werden könnte. Was dabei nicht offensichtlich grosszügig übersehen wurde, ist die Tatsache, dass am BZR-Standort in Rorschach die BZSG gar nicht Platz hätte, dass also jedenfalls für einen der St.Galler Standorte zusätzlicher Ersatz beschafft werden müsste.

Was nicht nur übersehen, sondern gar nicht erst erhoben wurde, sind die Folgekosten einer Zerschlagung des BZR. Wo sollen künftig die 2´300 Lernenden und 110 Lehrpersonen in der Grundbildung, wo sollen künftig die 1´300 Lernenden und 180 Dozierenden in der Weiterbildung unterrichten und unterrichtet werden? Die lapidare Feststellung der Regierung, dass man dann andere Berufsbildende Institutionen «besser auslasten» könne, kanns ja wohl nicht sein. Auch hier gehören genau die weitere Vorgangsweise und die daraus entstehenden Folgekosten erhoben.

Bildungsadäquates und fundiertes Konzept

Es wird spannend, zu sehen, wie und ob die Regierung bis zum nunmehr angekündigten Termin der Null-Lesung zur Entwurfsfassung des Postulatsberichtes ein tatsächlich bildungsadäquates und finanziell vorteilhaftes fundiertes Konzept zur weiteren Vorgangsweise vorlegen kann. Oder ob im Kanton St.Gallen tatsächlich in einer Zeit, in der weltweit erkannt wird, dass nur die beste Ausbildung der Bevölkerung letztlich den wirtschaftlichen Wohlstand generiert, eine grossartig funktionierende Bildungseinheit wie das BZR Rorschach-Rheintal kurzsichtig aufgrund nebulöser, aber nicht in letzter Konsequenz erhobener Einsparungen geopfert wird.

Rheintal24 wird in den nächsten Tagen weiter berichten. Für alle, die sich für die Materie interessieren, nachstehend noch die etwas verklausuliert formulierte jüngste Medienmitteilung des Kantons St.Gallen zu diesem Thema.

Medienmitteilung des Kantons St.Gallen: Aufschub des Umzugs der BZSG

 

Die Regierung schiebt den Vollzug des geplanten Umzugs der Berufsfachschule für Gesundheitsberufe (BZSG) von St.Gallen nach Rorschach und der Verlagerung der bisher in Rorschach beschulten Berufe (BZR) auf andere Standorte auf. Vorerst prüft sie im ganzen Kantonsgebiet Varianten für Kompetenzzentren in der Berufsbildung und erstattet dem Kantonsrat dazu Bericht. Damit trägt sie einem Vorstoss Rechnung, den der Kantonsrat im Dezember 2020 gutgeheissen hat. Das Parlament soll zum Bericht in der Februarsession 2022 die vorberatende Kommission bestellen können.

Die Regierung hat den Projektauftrag für die Erfüllung des Postulates 43.19.03 «Strategische Investitionsplanung für Sekundarstufe II» angepasst. Sie wartet mit der Umsetzung ihres Entscheids vom 20. Oktober 2020, der den Umzug des BZGS von St.Gallen nach Rorschach und die Verlagerung der bisher in Rorschach beschulten Berufe auf andere Standorte vorsieht, zu. Mit diesem Entscheid hätten vorzeitig die Weichen für die bessere Auslastung der Berufsfachschulen im Kanton gestellt und zugleich der Berufsfachschulstandort Rorschach gesichert werden können. Gemäss dem neuen Projektauftrag soll diese Rochade nun als eine von mehreren Varianten geprüft werden.

Opposition aus der Region St.Gallen-Rorschach

Gegen den Umzug des BZGS nach Rorschach und die Verlagerung der Berufe des BZR auf andere Schulstandorte hat sich Opposition aus der Region St.Gallen-Rorschach formiert. Entsprechend hat der Kantonsrat in der Novembersession 2020 einen Vorstoss für dringlich erklärt und gutgeheissen. Die Regierung nimmt den Vorstoss als regionalpolitisches Signal entgegen und trägt ihm Rechnung. Sie zieht die Berichterstattung zum Postulat 43.19.03 vor. Aufgrund der verkürzten Bearbeitungszeit hat die Regierung die Projektziele angepasst. Die ursprünglich geplanten Abklärungen können nicht mehr in der vorgesehenen Tiefe erfolgen und einzelne Teilthemen können nicht mehr bearbeitet werden. Im Vordergrund steht die Prüfung aller Schulstandorte im Kanton auf ihre Eignung für Kompetenzzentren für Berufsfelder. Die Rochade BZGS-BZR wird dabei als eine von mehreren Varianten analysiert.

Vernehmlassung im Herbst 2021, Bericht auf Februar 2022

Flankierend zur Umsetzung des Umzugs des BZGS und der Neuorientierung der Berufe des BZR waren intensive Kontakte mit den Anspruchsgruppen vorgesehen und angekündigt. In der nun angepassten Projektarbeit wird das Stakeholder-Management ganzheitlich ausgerichtet. Im August 2021 führt die Regierung zur Entwurfsfassung des Postulatsberichtes eine Null-Lesung durch. Anschliessend ist eine Vernehmlassung, allenfalls mit Anhörungen, geplant. Der fertige Bericht wird dem Kantonsrat auf die Februarsession 2022 zugeleitet.

Auch Gesetzesanpassung prüfen

Die Motion des Kantonsrates aus der Novembersession 2020 richtet sich erkenntlich gegen die vorgezogene Rochade BZGS-BZR. Ihre proaktive Stossrichtung ist dagegen nicht klar. Da die Motion gemäss Geschäftsreglement des Kantonsrates eine Gesetzesvorlage verlangt, soll in der weiteren Projektarbeit auch geprüft werden, ob die Standorte von Berufsfachschulen im Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Berufsbildung verankert werden sollen. Würde dem zugestimmt, könnte dem Kantonsrat ein entsprechender Vorschlag zusammen mit dem Postulatsbericht 43.19.03 unterbreitet werden.

 

gmh/uh
Demnächst