Jedes Jahr im November lädt der Arbeitgeberverband Rheintal (AGV) zu seinem „Lohn-Talk“ ins Metropol nach Widnau. Wo dann von Vertretern der einzelnen Wirtschaftssparten ihre Erwartungen an die kommenden Lohnrunden und die für das kommende Jahr zu erwartenden Lohnsteigerungen präsentieren.
Wohin geht die Reise mit den Löhnen?
Politisch-wirtschaftliches Umfeld
AGV-Präsident Klaus Brammertz kam in seiner Begrüssung auf das politisch-wirtschaftliche Umfeld zu sprechen, in der sich die Rheintaler Wirtschaft zu bewegen und zu bewähren hat. Auf der einen Seite stehen die Unwägbarkeiten, die die Wahl von Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA und das Auseinanderbröckeln der Regierungskoalition in Deutschland mit den zu erwartenden Neuwahlen mit sich bringen. Auf der anderen Seite steht ein zum Glück äusserst stabiler und wachsender Binnenmarkt.
In einer an Ort und Stelle durchgeführten Natel-Abstimmung tippten die Anwesenden auf ein 2024 bevorstehendes Lohnplus von 1,5 Prozent. Was sich mit den Erhebungen der IHK St.Gallen-Appenzell weitgehend deckt, wie deren Chefökonom Jan Riss eingangs referierte. Im Kanton seien von den Betrieben 1,4 Prozent geplant, im Rheintal sogar mit 1,6 Prozent. Dies bei einer erwarteten Inflation in Höhe von 1,2 Prozent.
Auftragslage markant rückgängig
Die Geschäftslage werde quer durch alle Sparten als neutral beurteilt. Vor allem in der Industrie sei jedoch die Auftragslage markant rückgängig. «Als Inflationstreiber bleiben derzeit die Mieten übrig», so Jan Riss, «Die dominante Herausforderung bleibt der Fachkräftemangel, aber auch der starke Schweizer Franken.» Dass es aber nach wie vor gut laufe in der Ostschweiz und insbesondere im Rheintal, zeige sich in der Tatsache, dass nach wie vor rund 60 Prozent der Unternehmen mit diesem Standort zufrieden oder sehr zufrieden seien.
Die Erwartungen der Industrie in die Lohnentwicklung spezifizierte Maurus Oehler von der Stadler Rheintal AG, die weltweit 15´000 Mitarbeiter beschäftigt, wovon 1´750 in den Werken in Altenrhein und St.Margrethen tätig sind. Stadler rechnet mit einer Lohnerhöhung von 1,1 Prozent, dabei 0,6 Prozent durch den GAV und 0,5 Prozent durch individuelle Leistungen.
Individuelle Lohnanpassungen
Bei seinen Erhebungen in der Industrie allgemein habe sich der Trend bestätigt, dass es einen Trend zur individuellen Lohnanpassung gebe. Die Investitionsgüterindustrie weise gerade noch eine gute Auftragslage auf, in der Gebrauchsgüterindustrie herrsche eine verhaltene Stimmung vor. «„Und die Bau-Zulieferer haben mit Kostendruck und Preisen zu kämpfen. Doch insgesamt sorgt die intakte Binnenwirtschaft noch für eine gute Nachfrage. Nur der Export gestaltet sich mehr und mehr schwierig.»
Was aber für die bevorstehenden Lohnverhandlungen mit Sicherheit gelte: die Job-Sicherheit bekomme wieder einen höheren Stellenwert als die Lohnanpassung. Was so auch Bernhard Frei von der Tiefbaufirma Bernhard Frei AG aus Widnau bestätigen konnte. Zusammen mit seinem Bruder führt Bernhard Frei das bereits 1942 gegründete Familienunternehmen in dritter Generation. Die von ihm referierten Zahlen stammten vom kantonalen Baumeisterverband.
Generelle Erhöhung
In der Rheintaler Bauwirtschaft lägen die effektiv gezahlten Löhne um gut zehn Prozent höher als die festgesetzten Mindestlöhne. Zudem erhielten die Mitarbeiter meist einen 13. Gehalt. Die Verhandlungsrunden mit der Gewerkschaft für 2025 stünden noch bevor. Die Gewerkschaft verlange eine generelle Erhöhung der Monatslöhne um 250 Franken. Wobei zu berücksichtigen sein werde, dass in der Bauwirtschaft die Lohnentwicklung bereits seit 2019 über dem Konsumentenpreisindex liege. Ausserdem würden für einzelne Berufsgruppen, wie Schreiner, auf den Baustellen rekordhohe Löhne bezahlt.
Gemeindepräsident Dominik Stoop aus Eichberg beschrieb die kleinste Gemeinde des Rheintals und erntete bei seinen humorigen Ausführungen einige Lacher. So wie er nach einer bedeutungsschwangeren Pause enthüllte, dass es in Eichberg gar keine Industrie gebe. Dafür aber etwa 100 KMU-Betriebe und die «billigste» Gemeindebehörde der Talschaft. Er zeigte auf, dass im Jahr 1914 Lehrerinnen nur etwa 75 Prozent des Gehalts eines männlichen Lehrers bekamen. «Was heute nicht mehr so ist, es arbeiten praktisch nur noch Lehrerinnen an unserer Schule.»
Vorgaben des Kantons
In seinen Ausführungen für den Verwaltungsbereich bestätigte Stoop, dass auch für die öffentliche Hand das grösste Problem im Fachkräftemangel liege. Bei der Lohnentwicklung würden sich die Gemeinden an die Vorgaben des Kantons halten, die noch nicht fix vorliegen. Es sei aber angekündigt worden, dass man von einer Erhöhung der Löhne um 1,1 Prozent, mit 0,6 Prozent für individuelle Massnahmen und 0,4 Prozent strukturelle Personalausgaben ausgehen solle.
René Federer, Niederlassungsleiter der SGKB in Heerbrugg, schilderte die Situation bei den Dienstleistern, wo die Herausforderungen auch im Fachkräftemangel, beim Kostendruck, der Regulierung und der Digitalisierung liegen würden. Die Lohnerhöhung habe rückblickend 2024 bei mehr als der Hälfte der Beschäftigten mehr als zwei Prozent betragen. Was sich 2025 wohl nicht mehr so fortsetze.
Teamwork bei Tempo 1000
Als Gastreferent war vom AGV der Pilot und ehemalige Chef der Patrouille Suisse Daniel Hösli eingeladen worden. In einem mitreissenden Vortrag schilderte er unter dem Motto «Teamwork bei Tempo 1000» seine abwechslungsreiche Karriere auf verschiedensten Düsenjägerflugzeugen und seine Erlebnisse aus seiner Zeit als Kampfpilot bei der Armee und der Patrouille Suisse. Und erzählte von Begebenheiten im Kampf mit Behörden und Bürokratie. Ein überzeugender, ein lustiger, aber auch ein nachdenklich machender Beitrag, der das Ende der Veranstaltung mit einem folgenden Apéro riche einleitete.