Jedem Dorf seine «Interessensgemeinschaft». Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich allzu oft Wutbürger und Leute, die ihre Einzelinteressen mit aller Macht durchsetzen wollen. Und wenn es dann an die Erneuerungswahlen für den Gemeinderat geht, treten sie selbst natürlich meist nicht an. Man könnte ja sogar gewählt werden. Und könnte dann nicht mehr nur die Arbeit der vom Volk beauftragten und bevollmächtigten Gemeinderäte und -präsidenten aus dem Hinterhalt torpedieren, sondern müsste selbst mit offenem Visier antreten und seine wertvolle Freizeit in vielen Sitzungen opfern. Andere Gemeinde-IG´s sind seriös und wollen parteiübergreifend das Gemeinwohl fördern und umstrittene Projekte fördern. Oder auch verhindern.
NEIN zum Budget 2021? – «Die Ernüchterung ist gross»
Rund zwanzig im Dorf gut vernetzte Personen
Jetzt gibt es auch in St.Margrethen eine Interessensgemeinschaft. Die IG St.Margrethen. Die Proponenten sollen sich nach Auskunft von Fabian Herter, Mitglied der Parteileitung der SVP in der Gemeinde, aus rund zwanzig gut im Dorf vernetzten Personen rekrutieren. Es gebe aber noch zahlreiche weitere lose Sympathisanten. In ihrem Flyer verweist diese IG auf die Tatsache, dass trotz reger Bautätigkeit und zahlreichen Bauvorhaben, trotz der Ansiedlung von Stadler-Rail und trotz der Vorhersage, dass Gewinn- und Unternehmenssteuern die Steuerkraft pro Kopf von derzeit 1´800 Franken erhöhen werde, der Steuerfuss auf stolzen 114 % belassen bleiben soll. So ist es in dem zur Abstimmung vorliegenden Budget für 2021 festgeschrieben.
Dazu werden in besagtem Flyer einige Fragen gestellt, wie etwa ob man sich bei Busbahnhof und Passerelle finanziell übernommen habe? Oder ob auf ein neues Gemeindehaus gespart werde oder was andere Gemeinden besser machen würden? Ein Vergleich der Margrethner Steuerquote mit dem Steuerfuss anderer Rheintalgemeinden rundet die Flyer-Aussagen ab. Aussagen, die in der Forderung münden, den Steuerfuss zu senken. Und zu der Forderung führen, am kommenden Abstimmungstag am 11. April ein NEIN zum Budget 2021 in die Urne zu legen.
Die Stellungnahme von Gemeindepräsident Reto Friedauer zur Forderung nach Steuersenkung war bereits auf rheintal24 zu lesen.
Notwendigkeit der Passarelle in Frage gestellt
Was sagen die in St.Margrethen vertretenen Parteien zu diesem Vorstoss? Beginnen wir mit Fabian Herter, wie bereits erwähnt, ein Vertreter der SVP. Wie soll denn ein NEIN zum Budget erreicht werden? «Wir nutzen die sozialen Medien, und natürlich die Mund zu Mund Propaganda. Zusätzlich wird bald ein Flyer Versand an alle Haushaltungen folgen» erzählt Herter, der auf folgende Ursachen und Wirkungen des auch weiterhin hohen Margrethner Steuersatzes verweist: «Die Projekte Busbahnhof und Passerelle wurden vom Stimmbürger mehrheitlich an der Urne angenommen. Nach deren Vollendung wirken sie aber überdimensioniert, und sind sicher eine Maximal- anstatt eine Minimalvariante. Bei der Passerelle wird deren Notwendigkeit natürlich generell in Frage gestellt. Für eine Quantifizierung würde es weitere Abklärungen benötigen.»
Konkret auf den im Flyer beschriebenen angeblichen Wegzug von guten Steuerzahlern angesprochen, erklärt Fabian Herter, dass ihm diverse namhafte Beispiele bekannt seien, die aber nur stellvertretend für die vielen nicht bekannten steuertechnisch motivierten Wegzüge stehen würden: «Namen können keine genannt werden. Es dürfte in die Dutzende gehen.» Und auf die Frage, was denn eigentlich die mit einer niedrigen Steuerquote gesegneten Rheintaler Gemeinden anders machen würden, meint Herter, dass diese weniger öffentliche Bauten auf einmal in Angriff nehmen würden. «Sie versprechen dem Bürger weniger das Blaue vom Himmel. Die Ernüchterung in St. Margrethen ist nun gross.»
Fünf Jahr lang über Steuersenkungen gefreut
Ralph Brühwiler, Ortspräsident der FDP, sieht die Sache natürlich anders und bestärkt den Gemeinderat und den Gemeindepräsidenten in ihrer Absicht, vorerst am bestehenden Steuerfuss festzuhalten: «Es stimmt, dass die FDP eine tiefe Steuerbelastung schätzt. Wir haben uns in den letzten 5 Jahren darum auch über die jährlichen Steuersenkungen gefreut. Da der Gemeinderat aber etwas weitsichtiger kalkuliert als die Interessensgemeinschaft St. Margrethen, sind nun weitere Steuersenkungen ein grosses Wagnis und darum abzuwarten.»
Brühwiler gibt auch gleich die Begründung, aufgrund welcher unkalkulierbarer künftiger Entwicklung abgewartet werden soll. Zum einen werde die kantonale Steuerreform STAF negative Einflüsse auf den Steuereingang haben. Und zum anderen seien die mittel- und langfristigen Auswirkungen der Coronapandemie noch nicht einzuschätzen. Im Übrigen vergleiche die IG in ihrem Flyer St.Margrethen mit weit weniger attraktiven Gemeinden, die eben auch weniger Steuern von ihren Bürgern einfordern. Dagegen könne St.Margrethen «mit den höchsten Argumenten im Vergleich zu den Nachbargemeinden trumpfen». Ralph Brühwiler zählt hierfür als Beispiele ein wunderbares Naturschutzgebiet, das schönste und grösste Strandbad und die perfekten Einkaufsmöglichkeiten im Ort auf. Dazu bald ein neuer Coop, ein attraktiver Hotelneubau und den schönsten Zentrumspark. Dazu das gut besuchte Mineralheilbad, der funktionierende Busbahnhof, neue Schulhausbauten und der Zuzug von Grossindustrie.
Für alle Nicht-St.Margrethner: In der Gemeinde am Heldsberg ist die FDP sehr dominant, denn man darf ruhig auch den offiziell parteilosen Gemeindepräsidenten Reto Friedauer dieser Gruppierung zurechnen. Faktisch haben die FDP-ler eine Mehrheit, wobei hinter vorgehaltener Hand ihr Ortspräsident Ralph Brühwiler schon mal als «Tätschmeister hinter den Kulissen» und «Architekt der Dominanz» bezeichnet wird.
JA zum Budget 2021 richtig und zukunftsorientiert
Auch die SP St.Margrethen verteidigt den Vorschlag des Gemeinderates für die Beibehaltung des Steuerfusses und damit zu einem JA zum Budget 2021. Ortspräsident Armin Hanselmann in auffallender Übereinstimmung mit den Aussagen der FDP: «Aus Sicht der SP St. Margrethen ist die Entscheidung des Gemeinderates richtig und zukunftsorientiert. Aus unserer Sicht ist dies ein klares Zeichen dafür, dass der Gemeinderat längerfristig plant und sich nicht von kurzfristigen Faktoren beeinflussen lässt. Wenn man die Jahresrechnung analysiert, geht hervor, dass sich der gute Abschluss zum Teil auf einmalige Faktoren stützt, die sich im nächsten Jahr nicht wiederholen werden. Zudem heisst eine Ablehnung des Budgets nicht, dass der Steuerfuss automatisch sinkt. Dadurch werden vielmehr andere wichtige Projekte und Vorhaben blockiert. Ich spreche da nicht nur von Bauvorhaben, sondern vor allem auch vom Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung.»
Auch Hanselmann vertritt die Ansicht, dass sich eine attraktive Gemeinde nicht nur über den Steuerfuss, sondern auch über eine gute Infrastruktur definiere. «Eine Beschränkung der Attraktivität nur auf den Steuerfuss ist sehr eng gefasst. St.Margrethen bietet doch sehr vieles mehr, das unser Dorf attraktiv macht und Bürger motiviert, die weitere Entwicklung unserer Gemeinde mitzutragen.»
Die CVP vulgo «Die Mitte» St.Margrethen hat sich zur schriftlichen Anfrage von Rheintal24 nicht geäussert. Dort scheint man immer noch aufgrund unserer kritischen Berichterstattung über den Wahlkampf vor den Erneuerungswahlen 2020 verschnupft zu sein.