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Altstätten
29.11.2020
29.11.2020 15:58 Uhr

Das Leuchten in den Augen der Kinder

Kinder lieben das Leuchten der Kerzen (Bilder: zVg/Ulrike Huber)
Kinder lieben das Leuchten der Kerzen (Bilder: zVg/Ulrike Huber) Bild: zVg
Weihnachtszeit ist die Zeit der Lichter. Und Weihnachten ist für die Branche der Kerzenhersteller ein wichtiger Termin. So auch für die älteste Kerzenmanufaktur der Schweiz, die Fa. Hongler in Altstätten.

«Die ganze Dunkelheit der Welt reicht nicht aus, das Licht einer einzigen Kerze zu löschen» (Roman Herzog, deutscher Bundespräsident). Die Kerze hat in ihren vielen verschiedenen Ausformungen als Talglicht, Brennschalen, Papyrusröhrchen oder kleinen Fackeln die Menschheit von Anbeginn ihrer Geschichte an begleitet. Und war früher das einzige Licht in dunkler Nacht. Hat mit ihrem Leuchten das Unbegreifbare, Unheimliche der Dunkelheit vertrieben. Sie stellt bis heute das Sinnbild des Lebens dar. Im Christentum symbolisiert die Kerze die Auferstehung, also Jesu Triumph über den Tod. Und auch Jesus Christus selbst, der als Licht in die Welt gekommen ist, und die Dunkelheit der Seelen und des Geistes der Menschen erhellt. Die Osterkerze ist ein Symbol des Leibes Christi.

Die Qual der Wahl: sollen es Stearin-, Paraffin- oder doch die hochwertigen Bienenwachskerzen sein? Bild: zVg

Liturgische Altarkerzen massgeblicher Stützpfeiler

«Die liturgischen Altarkerzen sind nach wie vor ein massgeblicher Stützpfeiler unseres Geschäfts», erzählt Simon Egger, im Familienbetrieb Hongler für Werbung und Marketing zuständig, anlässlich des Rundgangs durch die im malerischen Altstätten im St. Galler Rheintal gelegenen Produktionsräume des Kerzenerzeugers. Auf Kirchenkerzen entfällt bei Hongler nach wie vor mehr Umsatz als auf Kerzen für Private. «Der Grund liegt wohl darin, dass schon seit dem Mittelalter nur Bienenwachs als Kerzenrohstoff für liturgische Kerzen verwendet werden durfte. Und auch heute noch sind von der Kirche mindestens 55 % Bienenwachsgehalt vorgeschrieben. Solche Kerzen werden hauptsächlich im Ziehverfahren hergestellt, bei dem ein Dochtstrang so oft durch flüssiges Wachs gezogen wird, bis die gewünschte Dicke erreicht ist. Und wir bei Hongler sind nach wie vor Kerzenzieher.»

Frau Elsa Egger (81), langjährige Geschäftsführerin und immer noch der «gute Geist» der Firma. Bild: zVg

So erlebt das Unternehmen, das von Cyrill Egger als Geschäftsführer geleitet wird, und für das neben Simon Egger auch der dritte Bruder Thomas Egger als Grafiker tätig ist, jedes Jahr vier Auftragswellen: Advent, Weihnachten, die Hauptsaison mit der Segnung der Kirchenkerzen an Lichtmess und dann noch Ostern. Man ist von Oktober bis April voll ausgelastet, im Sommer kann man bei Eggers dann alles erledigen, was in der hektischen Zeit zu kurz gekommen ist. Der mit grossem Erfolg geführte Fabrikladen füllt sich dann wieder mit wunderschönen Kerzen aller Art, ob von Hongler selbst hergestellt oder aus anderen Manufakturen. Darunter natürlich auch die beliebten Duftkerzen, die jeden Raum in eine olfaktorische Oase verwandeln können.

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Jahrhundertelange Tradition des Kerzenziehens

Mit sichtbarem Stolz auf die jahrhundertelange Tradition und das noch heute ausgeübte Handwerk des Kerzenziehens führt Simon Egger den Berichterstatter durch den Betrieb, der sich seit 1703 am selben Standort befindet. Was vielen nicht bewusst ist, bis vor etwa 150 Jahren waren die aus kostbarem Bienenwachs hergestellten Kerzen dem Adel, dem reichen Bürgertum und der Kirche vorbehalten. Das normale Volk musste sich mit stinkenden und russenden Lichtern aus Talg, das aus Rinder-, Hammel- und Schweinefett gewonnen wurde, behelfen. Deshalb stellten damals auch Seifensieder Kerzen her, die nicht gezogen, sondern in Formen gegossen wurden.

Als die Seifensieder noch die Kerzen herstellten... Bild: zVg

Kerzen aus Stearin und Paraffin

 Erst mit der Erfindung der Stearinkerzen und kurz darauf auch der Paraffinkerzen in den Zwanziger- und Dreissigerjahren des 19. Jahrhunderts konnten sich alle nichttropfende und nichtstinkende Kerzenlichter leisten. Das Stearin wird aus pflanzlichen Ölen, das Paraffin als «Abfallprodukt» in der Erdölraffinerie gewonnen. Die heutigen Produkte der Fa. Hongler bestehen meist überwiegend aus Bienenwachs mit einer Zumischung von Stearin und Paraffin und einem besonderen Docht aus Baumwolle, und garantieren eine lange Brenndauer.

Imposant ist die Maschine, bei der über grosse Walzen und Umlenklager der noch ungeschnittene, viele Meter lange Docht von einer Spindel abgewickelt und immer wieder durch ein Bad aus heissem Wachs geführt wird. Dabei bleibt immer eine kleine Schicht Wachs am Docht haften. Wie öfter der Docht durch das Wachsbad geführt wird, umso dicker wird der Kerzenstrang. Dieser wird dann in die Länge der gewünschten Kerzen geschnitten, in Form gebracht und gelagert. Dann können je nach Wunsch der Kunden viele verschiedene Motive auf die Kerzen geklebt oder gedruckt werden. Ein echtes Handwerk eben.

Diese Kerzen wurden im Wachsbad gezogen. Bild: zVg

Warmes und freundliches Klima

 Dass bei der Fa. Hongler alles reibungslos funktioniert und in allen Abteilungen von der Produktion über die Verwaltung bis zum grossen Fabrikverkauf ein warmes, freundliches Klima herrscht, dafür ist bereits seit 1955 Frau Elsa Egger verantwortlich. Sie ist die Firmenmatriarchin, die noch heute wie ein guter Geist über allem schwebt. «Ich habe mein ganzes Leben für und mit Kerzen verbracht», erzählt die agile und grosse Freundlichkeit und Zufriedenheit ausstrahlende  einundachtzigjährige Dame, die noch jeden Tag mit Energie und Elan im Betrieb tätig ist. «Mein Mann und ich waren immer sehr bescheiden, was die Investitionen in die Räumlichkeiten anging. Erst nach 1995, als er verstorben ist, haben meine Söhne sich Gedanken gemacht, dass es so nicht mehr weitergegangen wäre, dass man moderne Räumlichkeiten braucht, um auch modern und rentierlich produzieren zu können.» So entstand dann die heutige Anlage, wobei man nicht in Richtung Industrieproduktion gegangen ist, sondern eine Werkstatt, eine Manufaktur geblieben ist.

  • Ein alter Stempel, um liturgische Kerzen kennbar zu machen (Bild: Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
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Im Nachhinein ein Segen

Was sich im Nachhinein als Segen erwies, denn der heutigen Konkurrenz an industriell gefertigten Billigkerzen aus Fernost hätte man nur schwer Paroli bieten können. «So ist unser Hauptzweig die Herstellung von Kerzen für die Kirchen geblieben. Und dass die Kerze auch mehr und mehr in den Kirchenschiffen für Dekoration verwendet wird, kompensiert den Rückgang bei den liturgischen Altarkerzen.» Man merkt im Gespräch, dass Elsa Egger für ihr Unternehmen lebt, «ich habe die Firma und die Angestellten ganz einfach gern, es hat meinem Leben immer wieder positive Impulse gegeben. Ein enormer Wert für mich ist der Kontakt mit den Kunden und den Mitarbeitern. Da ist man eingebettet in eine Welt, die ich sehr schätze.»

Von der Taufe bis zur Trauer

Denn Licht macht Menschen Freude. Und gerade das Kerzenlicht begleitet die Menschen ihr Leben lang, von der Taufe bis zur Trauer. Stolz ist Frau Egger auf die derzeit im Fabrikladen geöffnete Weihnachtsausstellung: «Unser tolles Team hat bei Messen sorgfältig ausgesucht, was dieses Jahr bei uns ins Sortiment passt.» Es ist tatsächlich ein adventlich-weihnachtliches Erlebnis, durch dieses vielfältige Kerzenangebot zu spazieren, die herrlichen Düfte aufzunehmen, den flackernden kleinen Lichtlein zuzuschauen. «Unsere Produkte bereiten den Menschen Freude im Alltag, stellen einen Gegenpol zur Hektik des heutigen Lebens dar. Die Kerze hat wieder an Bedeutung gewonnen und bietet jedem einen Mehrwert.» Natürlich insbesondere zur kommenden Weihnachtszeit.

 

Hongler Kerzen AG, im Bleichehof, Bahnhofstrasse 25a, 9450 Altstätten

Öffnungszeiten Kerzenladen Montag – Freitag 8.00 bis 12.00 und 14.00 bis 18.00 Uhr,

November und Dezember zusätzlich Samstag 9.00 bis 16.00 Uhr

Das gesamte Sortiment ist auch im Internet zu kaufen: www.hongler-kerzen.ch

gmh/uh
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