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Montlingen
03.12.2025
03.12.2025 18:39 Uhr

Lohndumping und missbräuchliche Kündigung: «Swisspur» in der Kritik

Der entlassene Mitarbeiter Akos Tar vor dem Swisspur-Firmengelände in Montlingen
Der entlassene Mitarbeiter Akos Tar vor dem Swisspur-Firmengelände in Montlingen Bild: Fabian Alexander Meyer
Bei Swisspur brodelt es: Angestellte werfen dem Bettenhersteller systematisches Lohndumping, ausstehende Spesen sowie missbräuchliche Kündigungen vor. Während die Unia protestiert und Betroffene ihre Geschichten erzählen, schweigt die Geschäftsleitung – und bleibt einem Protest fern.

Die Arbeiter der Firma «Swisspur» mit Hauptsitz in Baar und Standorten in Montlingen und St.Gallen sind sauer. Denn der Bettenhersteller sorgt entgegen seiner Produktpalette für schlaflose Nächte. Der Grund: Mitarbeiter müssen für einen Hungerlohn von rund 3000 Franken arbeiten, Spesen und einen 13. Monatslohn gibt es nicht; Überstunden sind an der Tagesordnung.

Am 3. Dezember veranstaltete die Unia Ostschweiz deshalb einen Protest vor den Standorten St.Gallen und in Montlingen. Rheintal24-Redaktor Fabian Alexander Meyer war vor Ort und konnte mit einem Mitarbeiter sowie mit Unia-Vertretern sprechen und mehr über die Praktiken des Bettenherstellers ans Tageslicht bringen.

  • Der St.Galler Standort an der Vonwilstrasse Bild: Fabian Alexander Meyer
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18 Monate lang ausgenutzt?

Der Standort in St.Gallen wirkte an diesem Tag verwaist: Das Geschäft war geschlossen und es brannte kein Licht. Einzig der Schriftzug gab Aufschluss darüber, dass hier Produkte von Swisspur verkauft werden.

Ein Protest fand hier nie statt, denn der Chef bekam am Morgen in Montlingen Wind und schickte seine Mitarbeiter nach Hause. Davon liessen sich die Mitarbeiter und die Unia jedoch nicht abhalten.

Vor Ort liessen sie ihrem Ärger Luft: Sie hissten Banner, zeigten sich maskiert und riefen Parolen, wonach sich der Chef nicht verstecken, sondern mit den Mitarbeitern das Gespräch suchen solle. Dieser tauchte jedoch nicht auf; ein Interview vor Ort war damit nicht möglich.

Rheintal24 konnte dafür mit dem 27-jährigen Akos Tar aus Rumänien sprechen. Er war 18 Monate lang als «Allrounder» in der Montlinger Fabrik angestellt – auf Deutsch: als «Mädchen für alles».

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Arbeiten ohne Arbeitsvertrag

Er erzählt: «Ich bin damals über meinen Vater auf Swisspur gekommen. Bis zum 23. Juni dieses Jahres war ich hier angestellt.» Er habe erst temporär und dann unbefristet gearbeitet. Bereits hier fiel ihm auf: Der Lohn ist sehr gering. «Am Anfang dachte ich, dass dies der Einstiegslohn ist und sich dieser mit Erfahrung steigert.» Passiert ist das aber nie. «Dass es einen Gesamtarbeitsvertrag gibt, habe ich erst durch eine Internetrecherche erfahren. Mein Chef hat mir davon nie etwas gesagt.»

Erst durch ein persönliches Gespräch mit dem Chef im Dezember 2024 bekam er einen Arbeitsvertrag. «Darin standen 20 Ferientage, allerdings wurden mir 25 Tage versprochen. Der Chef begründete dies damit, dass der Vertrag veraltet sei.» Im Januar 2025 dann der Hammer: «Ich hatte eine Sehnenentzündung und konnte nicht mehr arbeiten.»

Drei Tage nach Genesung gekündigt

Nach einer Genesungszeit erhöhte der Rumäne sein Pensum schrittweise, allerdings ging dies dem Arbeitgeber offenbar zu langsam. «Am 20. April hatte ich den letzten Krankheitstag. Und am 23. April kam die Kündigung.»

In der Kündigung stand zwar, dass diese aus betrieblichen und organisatorischen Gründen ausgesprochen worden sei, doch Tar vermutet, dass eher seine Krankheit der Grund gewesen sei. Fairerweise muss man erwähnen, dass hier Aussage gegen Aussage steht und die tatsächlichen Absichten der Kündigung nicht eindeutig geklärt werden können.

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«Negativbeispiel vom Feinsten»

Danijela Dragicevic von der Unia Ostschweiz-Graubünden findet klare Worte für das Vorgehen von Swisspur: «Die Mitarbeiter wurden hier jahrelang verarscht. Und als sie den Mut hatten, sich zu wehren, wurde ihnen gekündigt. Das ist eine missbräuchliche Rachekündigung.»

Die ersten Meldungen von Mitarbeitern gingen im August dieses Jahres ein. Was folgte, waren unter anderem vier Schlichtungstermine, die der Geschäftsführer allesamt geschwänzt hat. «Das ist der klassische Behördenweg. Auch jetzt sind wir noch gesprächsbereit, aber er reagiert nicht. Ein Negativbeispiel vom Feinsten.»

Wenn der Geschäftsführer weiterhin nicht kooperiert, werde sich die Schlinge früher oder später von selbst enger ziehen. «An einem Punkt wird eine Entscheidung getroffen, der er nachkommen muss.» Nach wie vor sei die Unia gesprächsbereit, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

Danijela Dragicevic, KMB Leiterin Unia Ostschweiz-Graubünden Bild: Fabian Alexander Meyer

So sieht die rechtliche Lage aus

Lukas Auer vom Rechtsdienst der Unia Ostschweiz-Graubünden ordnet die rechtliche Lage ein. «Die vier Schlichtungen, an denen wir momentan arbeiten, belaufen sich auf 70'000 Franken. Ein Mitarbeiter wurde monatlich um gut 900 Franken gebracht.» Am Protest seien zwei Mitarbeiter anwesend gewesen, die den Novemberlohn noch nicht erhalten haben.

Der entlassene Mitarbeiter Akos Tar und Unia-Rechtsdienst Lukas Auer vor dem «SWISSpur»-Firmengelände in Montlingen Bild: Fabian Alexander Meyer

«Jetzt fordern wir Geld ein. Und wenn Swisspur Insolvenz anmelden sollte, läuft die Auszahlung über vier Monate über die Arbeitslosenkasse. Der Rest würde über die Konkursforderung geregelt werden.»

Die Erfolgsaussichten, aus einem solchen Vorgehen noch Geld herauszuholen, seien jedoch gering. «Aber dann sind immerhin die vier Monate abgedeckt.»

Das sagt das Unternehmen

Die SWISSpur Manufaktur AG hatte sich ehemals freiwillig dem Gesamtarbeitsvertrag der Möbelindustrie unterstellt. Die nun erhobenen Vorwürfe nehmen wir sehr ernst und überprüfen diese auch.

Wir kennen die Vorgaben und Inhalte des Gesamtarbeitsvertrags, den wir auch vertragskonform erfüllen wollen. Unseres Erachtens bezahlen wir die geforderten Mindestlöhne. Die geleistete Arbeitszeit der Mitarbeitenden wird täglich erfasst und festgehalten.

Ein 13. Monatslohn wird ausbezahlt, allfällige Auslagen zugunsten der Firma werden selbstredend rückerstattet. Soweit erforderlich und zweckmässig, rüsten wir unsere Mitarbeitenden auch mit der nötigen Schutzausrüstung aus. Schwarzarbeit lehnen wir kategorisch ab.

Sollte unsere Prüfung ergeben, dass Mitarbeitenden unrechtmässig Leistungen vorenthalten wurden, werden wir dies entsprechend korrigieren.

Was die jüngst erfolgten Kündigungen in der Produktion in Montlingen von ehemals 7 auf nunmehr 4 Mitarbeitende betrifft, so erfolgten diese ausschliesslich aus betriebswirtschaftlichen Gründen respektive aus Gründen der Einstellung der Produktion vor Ort per Ende Januar 2026.

Diese Entscheidungen wurden unabhängig von der aktuellen GAV-Debatte getroffen. Wir bitten unsere Mitarbeitenden, Kunden und Partner während dieser Aufarbeitungsphase um etwas Geduld. Wir werden über die Ergebnisse unserer vertieften und umfassenden Prüfung gerne informieren, sobald diese vorliegen.

Fabian Alexander Meyer
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