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Au
10.10.2025
10.10.2025 09:05 Uhr

«Sie hatte den Auftrag, dich entführen zu lassen»

Das auffallend bemalte Wohnmobil von M., mit welchem er die Kinder anlockte
Das auffallend bemalte Wohnmobil von M., mit welchem er die Kinder anlockte Bild: zVg
Der Mann, der in Au im September Kinder angesprochen hat, machte sich bereits Ende letzten Jahres an einen 13-jährigen Jungen ran. Rheintal24 hat Einblick in diverse Chatverläufe und geht in diesem Artikel darauf ein.

Im ersten Teil wurde beleuchtet, wie sich das Kind T. und der Mann M. auf Fortnite im digitalen Raum kennengelernt haben. M. ist der Öffentlichkeit mittlerweile als der Mann bekannt, der im September in Au mehrere Kinder angesprochen hat. Wir haben berichtet.

Rheintal24 arbeitet einen Fall aus Ende letzten Jahres auf und gibt in diesem Artikel Einblick in die teilweise intimen Konversationen, die der Mann mit dem minderjährigen Kind führen wollte. Den 1. Teil finden Sie hier.

«Angst ist allgegenwärtig»

Der Kontakt zwischen T. und M. dauerte an. Mit der Zeit kristallisierten sich dann erste Warnzeichen heraus. Das auffälligste davon war wohl, als M. anfing, die Eltern des Kindes schlecht zu machen. Der Junge sei ein Engelskind und müsse nicht auf seinen Vater hören, wenn dieser ihm befehle, das Zimmer aufzuräumen. «Der Beschuldigte spielte sich als Beschützer der Kinder auf. Er hat sich als Engel dargestellt. Als Beschützer der Kinder eben – das hat man auch an seinem Wohnmobil ablesen können.» In diesem Wohnmobil sei laut M. auch Pfefferspray und eine Waffe zu finden.

Der Kontakt bestand laut Angaben des Vaters seit November 2024. Im Februar wurde die Familie das erste Mal stutzig. Denn: «Mit der Zeit wollte M. Fotos und sich live treffen. T. solle doch sein Telefon mitnehmen, wenn er duschen geht zum Beispiel.» Dass der Junge duschen geht, scheint allgemein ein Interesse von M. gewesen zu sein. Denn der Nichtanhandnahmeverfügung lässt sich entnehmen, dass dem Jungen «bist am duschen ulala» geschrieben wurde.

Des Weiteren wollte M. auch geschlagen werden: «(sic!) dann kannst du mich mal schlagen… / Mol irgend wie möchte ich gern wiedermal so richtig verhauen werden vermisse das irgend wie… Tut gut wirklich hahaha / möchte gerne mal deinen Faustschlag spüren hahaha Energie», liest sich die Konversation zwischen dem 41-jährigen und dem 13-jährigen. Auch verliebt schien der Mann gewesen zu sein: «(sic!) Moi Amie Moi Amor Je’t Aime.» Der Kontext ist nicht ganz bekannt, allerdings machte der Junge wohl seine Französisch-Hausaufgaben.

Der Vater ist besorgt: «Da kommt alles wieder hoch. Die Angst, dass etwas passiert, ist wirklich allgegenwärtig.» Anfang Februar 2025 letztendlich der Gang zur Polizei.

Einblick in einen der Chatverläufe Bild: zVg

«Das wird kein Ende nehmen»

Zwar habe T. einen starken Charakter und auch zwei grosse Brüder sowie viele Freunde, die auf ihn aufpassen, «aber dieses unwohle Gefühl bleibt halt dennoch.» Angeblich war der Beschuldigte für zwei Wochen in der Psychiatrie und mittlerweile bereits wieder auf freiem Fuss. Das sei auch die Zeit gewesen, in welcher T. wieder einmal einfach Kind sein konnte. «Er ist wieder unbefangen zu Freunden gegangen, war aufgeweckt und konnte sich frei bewegen.» Das ist jetzt wieder anders.

Der Vater findet auch klare Worte gegenüber M.: «Wenn es nach uns Eltern geht, dürfte man diesen Kerl für immer aus dem Verkehr ziehen. Wir sind jetzt wieder in der angespannten Situation, nicht zu wissen, wann und wo er ist.» Für die Eltern ist daher klar: «Das wird kein Ende nehmen. Wenn er gesichtet werde, solle man 117 rufen – das sagte man mir bei der Polizei.»

Staatsanwaltschaft schweigt sich aus

Doch damit noch nicht genug. Kaum aufgeflogen, startete der Beschuldigte damit, die Familie zu bedrohen. Eine der Drohungen liest sich wie folgt: «(sic!) Das wird euch irgendwann noch leid tun das kann ich euch Garantieren, für das was ich für euch alles getan habe, und dich vor dem schlimmsten gerettet habe, wenn du wüsstest was die Nancy vorgehabt hat mit dir, sie hatte den Auftrag deine adresse raus zu finden und dich zu entführen lassen… Echt wie blöd kann man nur sein… TikTok ist voller Gefahren aber ab sofort bist du auf dich alleine gestellt und muss die volle Verantwortung übernehmen für dein Handeln.. .Euch zwei ist nicht mehr zu helfen!!!!»

Anm. d. Red.: Es ist nicht bekannt und geklärt, wer Nancy ist. Der Name wird in der Nichtanhandnahmeverfügung genau einmal erwähnt. Daher kann nicht gesagt werden, ob Nancy überhaupt eine real existierende Person ist.

Der Vater meldete sich daraufhin mit diesen beiden Nachrichten erneut bei der Polizei. Laut Nichtanhandnahmeverfügung geschah dies per unverschlüsselter E-Mail. «Ich empfand das als Bedrohung. Wir haben ein Annäherungsverbot erwirkt, allerdings hatte dieses eine Gültigkeit von gerade einmal 14 Tagen. Alles Weitere hätte man dann über das Kreisgericht abhandeln müssen, aber dann wären Beschuldigter und Opfer zusammen. Und das wollten wir nicht.»

Laut Angabe des Vaters bestand der Kontakt zwischen den beiden über mehrere Monate Bild: zVg

Auch in Au unterwegs

Und wie ging es aus? Die Nichtanhandnahmeverfügung gibt Aufschluss über den Stand des Verfahrens. «Es wird kein Strafverfahren wegen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage, sexueller Belästigung, evtl. versuchten sexuellen Handlungen mit Kindern und mehrfacher Drohung eröffnet.» Kurz: M. wurde freigesprochen – und war unter anderem im September in Au anzutreffen. Doch warum kam der Freispruch überhaupt?

«Die Nachrichten, die der Beschuldigte geschickt hat, erscheinen zwar moralisch äusserst fragwürdig, es lässt sich jedoch kein sexueller Hintergrund entnehmen. Damit ist der objektive Tatbestand von Art. 198, Abs. 1 StGB nicht erfüllt, weshalb diesbezüglich gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO die Sache nicht an die Hand genommen wird.»

Momentan ist nichts Neues über den Verbleib des Beschuldigten bekannt. Ruhige Minuten wird die Familie also nicht haben.

Fabian Alexander Meyer