Home Region Rheintal Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Region Rheintal
01.11.2020
01.11.2020 16:46 Uhr

„Jeder Tag zählt!“

Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer richtete einen aufrüttelnden Aufruf an seine Gemeindebürger (Bild: Archiv Ulrike Huber)
Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer richtete einen aufrüttelnden Aufruf an seine Gemeindebürger (Bild: Archiv Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
Über ein Prozent aller Einwohner der direkt an Au und Widnau angrenzenden Vorarlberger Gemeinde Lustenau sind aktuell am Coronavirus erkrankt. Was Bürgermeister Kurt Fischer zu einem aufrüttelnden Blog-Beitrag bewegte.

Die Covid-19-Pandemie hat auch unsere direkten Vorarlberger Nachbarn fest im Griff. Mit Stand Sonntagvormittag waren 2´822 Vorarlberger mit dem Coronavirus infiziert. Einer der Coronahotspots Österreichs ist seit einiger Zeit der direkt an Diepoldsau, Widnau und Au angrenzende Bezirk Dornbirn mit den Gemeinden Hohenems, Dornbirn und Lustenau. So sind alleine in Lustenau bei einer Einwohnerzahl von knapp 21´000 schon etwa 230 Menschen aktuell erkrankt, was das Gemeindeoberhaupt Kurt Fischer veranlasste, folgenden Blog in den social medias zu veröffentlichen:

„Heute Vormittag hat unser Krisenstab wieder getagt. Seit unserem letzten Krisenstab am Dienstag haben sich die Fallzahlen bei uns in Lustenau verdoppelt, seit letztem Freitag sogar vervierfacht (!). Heute oder spätestens morgen erreichen wir mit 300 das Zehnfache des Höchstwerts der ersten Welle.

 Die Kurve der zweiten Welle steigt exponentiell an, die täglichen Zuwachsraten sind erschreckend hoch. Der November muss nun eine Trendwende bringen, und wir alle sind gespannt darauf, welche Maßnahmen die Regierung morgen präsentieren wird.

Maßnahmen zu verordnen, wird aber nicht reichen – wir müssen unsere Sozialkontakte drastisch einschränken, uns in jeder Situation des Alltags möglichst gut selbst schützen und so gleichzeitig auch andere schützen. Ja, das »Abstand, Maske, Hygiene« haben wir schon tausend Mal gehört, das ändert aber nichts an der Aktualität dieser Handlungsempfehlungen – ganz im Gegenteil: die Lage ist verdammt ernst, jetzt sind wir alle gefordert und zwar nicht erst ab Montag, sondern JETZT.

Mittlerweile kennt wohl jeder von uns Menschen, die Covid-positiv waren und die meisten davon hatten leichte, viele gar asymptomatische Verläufe. Ist der extreme Anstieg der Zahlen im Oktober also doch nicht so bedrohlich? Sollen wir uns im November einfach etwas mehr anstrengen, »a kleili meo zämmoneo«?

 Die Entwicklung der letzten Tage und Wochen zeigt, dass Prognosen selbst für die nahe Zukunft kaum möglich sind, aber eines scheint sicher: NEIN, es wird mehr brauchen, viel mehr als etwas mehr Vorsicht, etwas mehr Abstand, Maskendisziplin und Hygiene. Und wir können nicht auf die Pressekonferenz der Regierung und schon gar nicht auf das in Krafttreten der Maßnahmen warten.

 »JEDER TAG ZÄHLT« – was wie eine typische Politikerfloskel klingt, ist ein Warnruf, ein Weckruf, den ich schon viel zu lange von vielen, nein von viel zu vielen ExpertInnen im In- und Ausland immer wieder höre. Ich mach' mir keine Illusionen, es werden nicht alle mitziehen, bei weitem nicht alle, aber es wird einen großen Unterschied machen, wie sich die große Mehrheit der Bevölkerung verhält, die grundsätzlich kooperativ ist und bereit, einen großen persönlichen Beitrag zur Pandemiebekämpfung zu leisten, bei aller Coronamüdigkeit und trotz vielen zusätzlicher Belastungen, die Corona mit sich bringt und schon gebracht hat.

 Bilder von Menschen, die sich wider jede Vernunft, unverantwortlich und unsolidarisch über alle Empfehlungen hinwegsetzen – live erlebt oder in sozialen Medien gepostet – sie werden auch in Zukunft zu unserem Corona-Alltag gehören. Manche provozieren bewusst, viele wissen es nicht besser. Es ist zu befürchten, dass die kommenden Wochen sich so entwickeln werden, dass der eine oder die andere von ihnen aufwacht und sozusagen die Seite wechselt. Auch das kann und wird einen Unterschied machen.

Und was ist der Unterschied? Woran werden wir Erfolg/Misserfolg messen können? Oft erwähnt und jetzt in dramatischer Weise im Fokus die Frage, ob wir das ausgezeichnete Gesundheits- und Pflegesystem aufrechterhalten können, ob die Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht das Glück eines leichten Verlaufs ohne Folgeschäden haben, möglichst gut behandelt werden können, notfalls auch intensivmedizinisch. So wie die Fallzahlen zur Zeit steigen, geht es nicht nur um Bettenanzahlen und Beatmungsplätze, sondern vor allem um das notwendige Personal.

 1% aller Lustenauerinnen und Lustenauer COVID19 zur Zeit positiv – mit Zahlen alleine kann man schwer ausdrücken, wie ernst die Lage ist. Der Blick auf die Situation in den Spitälern und Pflegeheimen ist wichtig, noch ist die Lage unter Kontrolle. Jede(r) von uns kann und sollte dazu beitragen, dass das so bleibt. Ich bitte Euch darum, es steht wirklich viel auf dem Spiel. Eine Trendumkehr ist alternativlos, wir haben auch keine Zeit, medizinische und wirtschaftliche Folgenabschätzungen lange abzuwägen und zu diskutieren: je länger der teuflische Virus praktisch freies Spiel hat, desto größer mittel- und langfristig der Schaden.

 Zum Schluss eine Bitte: mutiges, entschlossenes Handeln, wirksame Verhaltensänderungen mit dem Ziel einer Trendumkehr – das setzt voraus, dass wir uns gegenseitig ermutigen, dass wir miteinander im Gespräch bleiben, die Gefahr, die Herausforderungen nicht verdrängen und schon gar nicht resignieren. Wir haben EIN großes gemeinsames Ziel: diese heimtückische Pandemie möglichst gut zu überstehen, bis hoffentlich bald ein wirksames Mittel gegen den Virus gefunden ist und auch breit eingesetzt werden kann. Das wird dauern, niemand weiß genau wie lange, aber sicher länger, als uns lieb ist und so lange, dass wir uns keinesfalls leisten können, so weiterzumachen wie in der trügerischen Unbeschwertheit nach der zweiten Welle.

Viel steht auf dem Spiel – verspielen wir nicht die Chance, spät aber doch das Ruder rumzureißen, damit die Dinge nicht aus dem Ruder laufen.

 Bitte geänd Obaacht und blibind hoffentli gsond.

DANKE!“

 Kurt Fischer via Social Media

gmh/uh
Demnächst