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Gesundheit
01.11.2020
02.11.2020 15:06 Uhr

Ein Spagat der Extraklasse bei Corona

Robert Dubil, freischaffender Regisseur und Drehbuchautor (Bild: zVg)
Robert Dubil, freischaffender Regisseur und Drehbuchautor (Bild: zVg) Bild: zVg
Robert Dubil (*1965) ist freischaffender Regisseur und Drehbuchautor und veröffentlichte etliche Artikel auf Online-Portalen (Neopresse, Nachrichtenspiegel). Er wohnt und arbeitet in St. Margrethen.

Was war denn das am vergangenen Mittwoch? Der Bundesrat trat mit ernstem Gesicht um 16:00 Uhr an denbheroldschen Altar. Ein Kameraschwenk offenbarte das Medieninteresse dazu. Halbleer und unmotiviert zeigten sich die Plätze der Schweizerischen Presse. Der Bundesrat verkündet die nächsten einschneidenden Massnahmen, welche vermutlich weitere tausende von Existenzen in den Ruin treiben, beschliesst eine Ausgangssperre, das ist ein Begriff, den Herr und Frau Schweizer meist sonst nur aus Filmen kennen und bei solchen historisch einzigartigen Beschlüssen findet es die Schweizer Medienwelt unnötig, ihren Job zu machen? Die Organisatoren könnten wenigstens irgendwelche Puppen auf die leeren Plätze setzen, Bei der anschliessenden Fragerunde würde man eh keinen Unterschied erkennen.

Welche Zeitung berichtet wie?

Oder sind nur gewisse „Hofberichterstatter“ zugelassen? Dieser Verdacht drängt sich auf, wenn man sieht, welche Zeitungen vertreten waren und wie diese dann berichten. Aber widmen wir uns den neuen Geboten, die wir in unser Leben integrieren sollen. Hier die erste Überraschung. Nach der Volkshetze diverser Zeitungen glaubte man an drakonische Massnahmen. Bundesrat Berset wurde zuvor als Freizeitklavierspieler hingestellt und Frau Sommaruga als Konzertpianistin der Krise. Zur medialen Krönung wurde ihm noch die Passivmitgliedschaft im Bundesrat verliehen. Ob dies eine Beförderung oder Degradierung darstellt, war nicht zu lesen. Jedenfalls zwang die Presse Bundesrat Berset Handlungsstärke zu zeigen und das machte er.

Spagat der Extraklasse

Vielleicht nicht so, wie sich es viele wünschten, aber dafür umso athletischer. Die Volksspaltung scheint mittlerweile selbst im Bundesrat angekommen zu sein und Herr Berset vollzog einen Spagat der Extraklasse. Im Volk wollen die einen schärfere Massnahmen oder gar einen Lockdown, die anderen eine Lockerung oder gar eine Beendigung der ganzen Pandemiegeschichte. Dazu kommen noch die Erwartungen aus Brüssel und die Handlungen der anderen Länder in Europa. Und alles sollte unter einen Hut gebracht werden?

Die Schraube anziehen

Will man es sich nicht mit dem Ausland verscherzen, geht man einen ähnlichen Weg, schon allein um nicht als Aussenseiter abgestempelt zu werden und womöglich den Katastrophenanschluss zu verpassen. Also muss man die Schraube sicher anziehen. Aber wie weit? Bisher waren die Menschen, welche das Coronagedöns anzweifelten, eine kleine Minderheit mit Aluhut und flacher Erde. Doch zu ihnen gesellten sich immer mehr Durchschnittsbürger, die eigentlich zur getreuen Gefolgschaft zählten und nun fahnenflüchtig wurden. Dieser Trend durchsetzte wie ein Myzel immer mehr die Schweizer Politik und landete sogar im Bundesrat. Die einen wollen den Ball flach halten, die anderen mit Kanonen auf Spatzen schiessen.

Solidarisch mit dem Ausland

Herr Berset entschied sich für den goldenen Mittelweg. Er befriedigte Maskendenunzianten, da jetzt auch vor den Geschäften der Stofflappen ins Gesicht muss und sie nicht mehr den ganzen Tag nur im Landen auf „Streife“ rumlungern müssen. Er zeigte sich solidarisch mit dem Ausland, indem er Ausgangssperren in die gleichen Nachtstunden verlegt und dachte auch an die Coronagegner, indem die Schweiz, verglichen mit dem Ausland, immer noch die lockersten Massnahmen hat, abgesehen von Schweden. So gesehen ist mit den neuen Regelungen für jeden etwas dabei. Aber in einer Sache hat Berset zum wiederholten Male versagt. Vertrauen schaffen. Es müsste aufgrund der vielen Stimmen, eigentlich schon bis zum Bundesrat vorgedrungen sein, dass der PCR-Test die eigentliche Wurzel allen Übels ist. Die zahllosen Fragen aus dem Volk zum Test blieben bis jetzt unbeantwortet. Dann vermied es der Bundesrat weiterhin mit klaren Zahlen zu jonglieren. Der Unterschied zwischen Fällen, Infizierten und Erkrankten scheint ihn immer noch nicht zu interessieren. Es müssen weiterhin gesunde "Fälle" in Quarantäne. Seltsamerweise deren Lebenspartner im gleichen Haushalt nicht.

Nicht auf Gymnastikmatten im Korridor

Und dann noch das mantramässig, heruntergeleierte Spital-Kapazitäten-Argument. Es ist ja nett, wenn der Bundesrat will, dass im Extremfall die Patienten nicht auf Gymnastikmatten im Korridor liegen müssen. Aber das soll er mal den Patienten sagen, die sich nicht ins Spital trauen. Die Menschen gehen mittlerweile lieber das Risiko ein, unbehandelt zu sterben, als behandelt im Spital zu vereinsamen. Hier verpasste der Bundesrat es ebenfalls, endlich wieder etwas Vertrauen in die Gesundheitsversorgung des Landes zu bringen.

Empathie sucht man vergebens

Grundsätzlich war die Pressekonferenz nicht anders als die vorangegangenen Medieninformationen. Empathie für das gepeinigte Volk suchte man vergebens. Wenn der Bundesrat will, dass seine Massnahmen auf Verständnis und Mitmachbereitschaft stossen, sollte er endlich Transparenz und Mitgefühl zeigen. Das Verkünden von Einschränkungen ohne gleichzeitiges Implementieren von Schutzmassnahmen für die betroffene Gewerbe, Risikogruppen und Personen wirken wie ein Todesurteil für die Betroffenen. Solange der Bundesrat in seinen Beschlüssen nicht „ganzheitlich“ denkt und verkündet, solange wird er Fronten gegen sich aufbauen und das Coronaproblem wird plötzlich durch ein ganz anderes abgelöst.

r.dubil
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