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Heerbrugg
14.01.2025
14.01.2025 15:17 Uhr

«Vom Fressen und Saufen wird man krank – nicht vom Wind!»

Claudio Winter (SFS), Jens Breu (SFS), Ralph Dietsche (Moderator), Siegfried Hettegger (Freie Landschaft Schweiz), Dr. scient. med. Esther Granitzer
Claudio Winter (SFS), Jens Breu (SFS), Ralph Dietsche (Moderator), Siegfried Hettegger (Freie Landschaft Schweiz), Dr. scient. med. Esther Granitzer Bild: fam
Gestern, 13. Januar 2025, traten sich die SFS und die Gegner des geplanten Windrads in der Mehrzweckhalle Wees in Au gegenüber. Der Abend wurde emotional und laut.

Die Mehrzweckhalle Wees in Au ist an diesem Tag brechend voll. Ein solches Aufgebot sieht man nur selten. Und es zeigt, welch wichtiges Anliegen hier behandelt wird: Das Windrad auf dem SFS-Areal. Der Abend wird zum Brennpunkt heisser und emotionaler Diskussionen. Mittendrin: Ralph Dietsche als Moderator.

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Dem Stromverbrauch begegnen

Jens Breu von der SFS hat das Wort. «Wir bei der SFS haben den Anspruch, jedes Jahr besser zu werden.» So auch im Sinne der Energie. «Wir brauchen immer mehr Strom, gleichzeitig verändert sich aber auch der Markt. Wir gehen weg von AKWs und machen einen dezentralen Markt.» Dadurch werde der Markt volatiler.

Abhilfe schaffen soll da das Windrad. Claudio Winter übernimmt: « Mit dem Windrad können wir jedes Jahr zusätzlich fünf Gigawattstunden an Strom produzieren.» Entscheidend: «Wir nutzen den Strom da, wo er produziert wird. Und wir werden vom Landschaftsschutz Schweiz unterstützt.»

Immobilien werden nicht beeinflusst(?)

Finanziert wird das gesamte Windrad durch die SFS. «Aus dem Netzzuschlagsfonds können Subventionen dazukommen. Wichtig für Sie: Der Steuerzahler bezahlt nichts daran.»

Womit die Gegner besonders gern argumentieren, sind unter anderem die angebliche Wertminderung von Immobilien im Umkreis. Breu: «Es gibt keine repräsentative Studie darüber, ob ein Windrad den Wert einer Immobilie beeinflusst. Positiv wie negativ.»

Ein anderer Punkt: Der Schattenwurf. «Die Grenzwerte, die wir bezüglich des Schattenwurfs einhalten müssen, können wir problemlos berücksichtigen. Wir sind uns der Vorgaben bewusst.»

Generell sei Angst kein guter Ratgeber. Es brauche Mut und Pioniergeist, um etwas zu verändern. «Unser Ansatz ist klar. Wir wollen handeln statt reden und dadurch die Energiestrategie des Bundes sowie die Energie-Unabhängigkeit der Schweiz fördern.» Soweit mal die Argumente der SFS.

Claudio Winter und Jens Breu Bild: fam

Und was sagen die Gegner?

«Wir sind nicht gegen Windräder generell. Wir sind gegen Windräder an ungeeigneten Standorten», erklärt Siegfried Hettegger von «Freie Landschaft Schweiz.» So beispielsweise in Heerbrugg. «Ich sehe mich als unfreiwilligen Experten für Windräder.»

Zuerst einmal aber eine unerfreuliche Nachricht. «Mehrere von uns aufgehängte Plakate sind verschwunden! Sowas ist undemokratisch und gegen die Meinungsfreiheit. Wir führen eh schon einen Kampf David gegen Goliath!»

Zurück zum Thema: «Unser Dorf eignet sich nicht für dieses Windrad. Andernorts sind die Abstände viel grösser.» Das Landschaftsbild werde stark beeinträchtigt.

«Dazu ist es auch laut, die nächtliche Befeuerung stört die Ruhe, es gibt eine optische Bedrängungswirkung, Infraschall, Tiersterben und es gibt einen Abrieb von Mikroplastik.» Kurz: Die Lebensqualität wird verringert «und die Region verliert an Attraktivität. Es gibt eine Windradflucht.»

Lebensqualität adé

Daraus resultieren dann verringerte Steuereinnahmen, höhere Steuern und die Leute kommen nur noch zum Arbeiten her. Nicht mehr zum Leben.

Hettegger echauffiert sich besonders über die Rolle des Staates. «Der Kanton hat die Machbarkeitsstudie unter Verschluss gehalten. Erst nachdem wir den Rechtsweg beschritten haben, bekamen wir Einsicht.»

Und es gab anscheinend einige brisante Fakten. Unter anderem: «Die Windgeschwindigkeit unterschreitet die Mindestanforderung und der Flatterstromertrag ist sehr gering. Kurz: Das ist kein Beitrag an die Versorgungssicherheit und schon gar kein relevanter Beitrag an die Versorgung generell.» Dafür blechen müssen die Steuerzahler und die Strombezüger.

Esther Granitzer bläst in das gleiche Horn. «Lärm macht krank. Das kann man nachlesen. Zudem verlieren die Immobilien an Wert. Es werden Unfälle verursacht und Brände am Windrad können kaum gelöscht werden.» Auch die Giftstoffe und PFAS werden erneut erwähnt.

Siegfried Hettegger und Esther Granitzer Bild: fam

«Kanton ist noch schlimmer»

Anschliessend war es Zeit für die Podiumsdiskussion. Hettegger will von der SFS wissen, warum diese die Machbarkeitsstudie nicht veröffentlicht hat. «Die SFS hat ja eine Parteistellung. Der Kanton ist noch viel schlimmer.»

Breu kontert: «Wir haben die Machbarkeitsstudie auf der Website aufgeschaltet und auch schon vor Ort informiert.»

Hettegger: «Das ist eine falsche Behauptung! Meinen Sie ihr kleines Werbeprospekt? (Er spielt damit auf die Infobroschüre an, die im Internet zu finden ist.

Moderator Dietsche wirft ein: «Sie kommen aus Feusisberg, Herr Hettegger. Warum setzen Sie sich für das Rheintal ein?»

Hettegger: «2017 wurde ich auf ein Windkraftprojekt in der Linthebene aufmerksam. Das brachte den Stein ins Rollen. Und als ich heute durch das Rheintal gefahren bin, wurde mir bewusst, wie schön es hier ist.»

Dietsche: «Da hatten Sie aber Glück, dass Sie das gemerkt haben, nachdem die SFS das Vorhaben angekündigt hat.»

Ruhe.

Hettegger: «Das Windrad passt nicht hierher. Vor 20 Jahren wurde man als verrückt erklärt. Und auch heute ist es noch so.»

Granitzer stimmt ein: «Lärm macht krank. Ich will als Komplementärmedizinerin keine windradgeschädigten Patienten.»

Dem gegenüber steht Breu: «Ich wohne in Altstätten neben dem Werkhof. Ich kenne Lärm. Und trotzdem würde ich mir ein Windrad vorsetzen lassen.» Ausserdem: «Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut. Wir würden sie nie einer Gefahr aussetzen.»

Auch Winter verteidigt das Windrad. «Wir wollen die Energie dort haben, wo wir sie produzieren.»

Hettegger grätscht rein: «Sie wissen aber, dass es Stromleitungen gibt?»

Winter lässt sich nicht beirren: «Wir wussten, dass es einen Widerstand gibt. Die Güterabwägung muss gemacht werden. Wir sind froh über eine Abstimmung.»

Alternativen?

Darauf angesprochen, ob es Alternativen gebe, sagt Hettegger: «Ein Heizkraftwerk wäre eine Ideen. 15x mehr Energie könnte man damit produzieren.»

Winter: «Wir sind offen für eine Alternative. Aber auch das Fernheizkraftwerk muss etwas zum Verbrennen haben. Und wenn ich es mit Gas oder Holz betreibe, ist es nicht mehr erneuerbar.»

Hettegger: «Auch das Wummern und der pulsierende Lärm ist ein Problem. Das beeinflusst die Psyche.»

Breu: «Infraschall gibt es überall. Wenn wir einen Fehler machen, würden wir 1500 Mitarbeiter einer Gefahr aussetzen. Das wollen wir tunlichst vermeiden.»

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Anschliessend war es Zeit für Fragen aus dem Publikum.

Ein Herr bleibt besonders in Erinnerung: «Hört endlich mit den Lügen auf!», sagt er zu den Gegnern. «In Kopenhagen gibt es Windräder überall. Und trotzdem ist niemand krank!» Mehr noch: «Krank wird man vom Fressen und Saufen. Nicht vom Wind!» Die Gegner sollen «mit ihren Lügengeschichten» aufhören.

Das lassen die beiden aber nicht auf sich sitzen. «Es gibt Studien dafür. Jedoch kommt mir keine dafür in den Sinn.» Hettegger versucht, den angerichteten Schaden einzudämmen und nennt flüchtig ein, zwei Quellen.

Doch die Gegner bekommen auch Rückhalt. Ein Zuhörer sagt: «Wenn die Initiative abgelehnt wird, ist weiteren Projekten Tür und Tor geöffnet. Solche monumentalen Bauwerke sieht man von überall! Und Sie, Herr Breu, müssen zwischen Mitarbeitern und Anwohnern unterscheiden. Die Anwohner leben hier, statt zu arbeiten.»

Betreibt die SFS nur Imagepolitik?

Als Abschluss ein kurzes Wortgefecht zwischen den Gegnern und der SFS.

Gegner: «Mit dem Windrad verfolgt die SFS nur eine scheingrüne Imagepolitik zulasten der Bevölkerung. Sie wollen sich ein grünes Mäntelchen umhängen.»

Die SFS: «Das haben wir nicht nötig. Wir suchen nach einer verlässlichen Energiezufuhr.»

Was nun stimmt und was nicht, ist stark von der persönlichen Meinung und der Ideologie abhängig. Dieser Artikel bezieht daher keine eindeutige Position und überlässt es dem Leser, seine Meinung zu bilden.

Der Initiativtext liest sich wie folgt. «Im Baureglement der Politischen Gemeinde Au ist eine Bestimmung aufzunehmen, die einen Mindestabstand von 500 Metern zwischen einer Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von über 20 Metern und einer dauernd oder zeitweise bewohnten Liegenschaft festlegt.»

Abgestimmt wird am 9. Februar 2025. Die Unterlagen sind hier hinterlegt.

Hier geht es zur Website der Gegner.

Hier geht es zur Website der SFS.

Fabian Alexander Meyer