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Gesundheit
10.08.2020

Eine Wohltat für die Augen

Gutes Sehen bis ins hohe Alter ist wichtig für die Lebensqualität (Bild: Shutterstock)
Gutes Sehen bis ins hohe Alter ist wichtig für die Lebensqualität (Bild: Shutterstock) Bild: Shutterstock
Der im Appenzell wohnhafte Martin Ulmann hat sich sein Leben lang mit Folsäure beschäftigt. Und sich der Mission verschrieben, die bis zur Erblindung führende alters- oder diabetesbedingte Degeneration der Netzhaut zu bekämpfen.

Schon der deutsche Schriftsteller Christian Morgenstern hatte es erkannt: „Erst das Auge erschafft die Welt“. Die Augen sind zweifellos unser wichtiges Sinnesorgan. Jenes Sinnesorgan, das uns das reale Abbild unserer Umwelt liefert. Doch je älter wir im Durchschnitt aufgrund der besseren Ernährung und Gesundheitsvorsorge werden, desto mehr Augenerkrankungen gibt es. Man spricht von der altersbedingten Makula-Degeneration – AMD. 4 % der Schweizer Bevölkerung leiden an AMD. Und umso älter wir werden, desto öfter leiden Menschen auch an Altersdiabetes, dem sogenannten Diabetes Typ 2. Der, wie auch die „normale“ Diabetes Typ 1 allzu oft zu Diabetischer Retinopathie – DR – führt. Einer Erkrankung der Netzhaut durch die zunehmende Schädigung kleiner Blutgefässe. Inzwischen in Europa und den USA die häufigste Erblindungsursache bei Menschen zwischen 20 und 65 Jahren.

Augenärzte kämpfen auf verlorenem Boden

„Die Makula-Degeneration ist eines der letzten Gebiete, bei denen die Augenärzte auf verlorenem Boden kämpfen. Noch immer gibt es keinen Ersatz für untergegangene Sehzellen; kann man bei schwerer Kniearthrose heute eine gute Prothese einsetzen, so liegt die prothetische Netzhaut leider noch in weiter Ferne“, so der Makula-Spezialist Dr. Dietmar Thumm aus Luzern. Und doch scheint es jetzt ein probates Mittel zu geben, das die Netzhaut-Degeneration zumindest einbremst, wenn nicht gar aufhält.

Den Führerschein behalten

Neue Hoffnung schürt ein Nahrungsergänzungspräparat namens „Ocufolin“. Augenärzte in den USA haben dieses Mittel entwickelt und für die Produktion bei Merck in Schaffhausen die dort hergestellte bioaktive Folsäure eingekauft. So kam der erste Kontakt mit dem damals bei Merck als CEO tätigen Martin Ulmann zustande.

Martin Ulmann zustande. Zur gleichen Zeit musste Prof. em. Hans Dutler, ETH Zürich, beinahe seinen Führerschein abgeben, da er an AMD litt. Ulmann erzählte ihm von dem Mittel der Amerikaner. Heute ist Dutler begeistert, „mein Sehtest ist besser als vor vier Jahren“ Ein weiterer Geschäftskontakt von Ulmann lud ihn ein, um die amerikanischen Augenärzte besser kennenzulernen. Da diese keine Ressourcen für einen Vertrieb in Europa hatten, wurde ihm gleich angeboten, die Lizenzen zu übernehmen und es doch auf dem alten Kontinent mit Ocufolin zu probieren.

Produziert in der Schweiz

 Dazu musste natürlich die Aufmachung geändert und unseren Gepflogenheiten angepasst werden. Produziert wird jetzt in der Schweiz. Doch wie wirkt Ocufolin überhaupt? Neueste Studien haben gezeigt, dass bei AMD, DR und bei der Entstehung eines Glaukoms eine B-Vitamin-Störung zugrunde liegt, die den Homocystein-Spiegel im Blut erhöht. Experten empfehlen daher, diesen Nährstoffmangel zu beheben und danach den deutlich erhöhten Nährstoffbedarf mit einer geeigneten Nährstoffkombination zu decken. Was bisher schwierig war, denn die oral eingenommenen Nährstoffe wurden vom Körper nur zu einem ungenügenden Teil tatsächlich dem Auge und der Netzhaut zugeführt.

Martin Ulmann, Mitentwickler, Investor und Initiator von Ocufolin (Bild: Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber

Aktive, bioverfügbare Form der Folsäure

 Das ist bei Ocufolin anders. Denn neben den für die Versorgung des Auges optimierten Inhaltsstoffen enthält dieses Nahrungsergänzungsmittel als einziges Augen-Vitaminprodukt auf dem Markt L-Methylfolat Calcium. Dieses ist die aktive, bioverfügbare Form der Folsäure, die dazu beiträgt, den Homocysteinspiegel im normalen Bereich zu halten. Der Netzhaut wird aktives, „richtiges“  Folat zugeführt, um genetisch-, alters- oder ernährungsbedingte Mangelzustände zu vermeiden und zusätzlich gezielt jene Nährstoffe zuzuführen, die bei Augenleiden wie AMD und DR trotz gesunder Ernährung unzureichend vorhanden sind.

 Unabhängige Studie des AKH Wien

 Seit bereits vier Jahren kämpfen Martin Ulmann und seine Mitstreiter bei Ocufolin, allesamt „alte Hasen“ im Medizin- und Pharmaziegewerbe, um als „Start-Up“ auf dem dicht belegten Markt mit Vitaminprodukten reüssieren zu können. Jetzt liegt eine unabhängige Studie vom AKH Wien vor, das ihrem Ocufolin die beschriebene Wirksamkeit bescheinigt. „Was die Marktdurchdringung mit Nahrungsergänzungsmitteln so schwierig macht, sind die unterschiedlichen Richtlinien bei der empfohlenen maximalen Tagesdosis bei Vitaminen. Und hier ist ausgerechnet die Schweiz am restriktivsten. Wir haben ein umfangreiches Dossier zusammengestellt und die Behörde notifiziert, damit unser Ocufolin forte als „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ durch Ärzte eingesetzt werden kann. Das niedriger dosierte Ocufolin prevent ist direkt als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. In Österreich, Deutschland, und demnächst in England und Irland, sind wir mit beiden Formulierungen am Start.“

 Hoffnung für Autisten

 Für die Zukunft scheint sich für die Aprofol AG, die das Ocufolin herstellt und vertreibt, ein neuer Markt aufzutun. Es gilt inzwischen als sicher, dass autistische Menschen einen erheblichen Mangel an Folaten im Gehirn aufweisen, weil der Transport über die Blut/Hirn-Schranke schlecht funktioniert. Dieser Mangel wurde 2004 am Kinderspital der Universität Zürich entdeckt. Bei von Autismus betroffenen Kindern konnte 2016 in einer Studie mit hochdosierter Gabe von L-Formylfolat (Levoleucovorin) der Mangel behoben werden, sodass sich die Kinder innert 12 Wochen besser artikulieren konnten. „Dr. Frye, der Autismus-Spezialist in den USA hat Ende 2018 einen Grant bekommen und kann seine ersten Ergebnisse in einer grösseren Studie verfeinern. Dabei wird die patentierte Formulierung von Aprofol eingesetzt, welche eine präzise Dosierung und eine angenehme Einnahme des Medikaments in Tröpfchenform für die zwei- bis fünfjährigen Kinder erlaubt. Die medizinischen Erkenntnisse verfolge ich seit der Entdeckung in 2004. Erst kürzlich wurde mir voll bewusst, wieviel Leiden bei den betroffenen Kindern und deren Familien, aber auch wie hoch die Kosten für das Gesundheitswesen sind. In USA allein betragen sie jährlich 250 Milliarden Dollar.“, so Martin Ulmann.

gmh/uh
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