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Fussball Regional
18.11.2022
18.11.2022 16:45 Uhr

Rückrunde als Abschiedstour für St.Margrethen

Jubelnde Heldsberger: ein sehr seltenes Bild in der Vorrunde
Jubelnde Heldsberger: ein sehr seltenes Bild in der Vorrunde Bild: fas
Nach einer katastrophalen Vorrunde mit lediglich vier Punkten geht es beim FC St.Margrethen wohl lediglich noch darum, sich in der Rückrunde sportlich halbwegs anständig aus der zweiten Liga zu verabschieden. Der Abstieg ist in der aktuellen Konstellation kaum mehr zu vermeiden. Was hat der Verein unter dem Heldsberg mit seinem Fanionteam vor? Der Versuch einer Spurensuche.

5. November, 17.45 Uhr, Rheinau St.Margrethen: Der FC St.Margrethen verliert auch das letzte Heimspiel gegen den FC Montlingen mit 1:4 und bleibt auf vier mageren Pünktchen sitzen und grüsst damit abgeschlagen als Tabellenletzter.

Die rund 20 (!) Anhänger des Heimteams machten sich nach Spielschluss schnurstracks auf den Heimweg, während einige Montlinger bei einem Bier den Sieg und die gelungene Vorrunde noch etwas zelebrierten. Fröhlichkeit, lebhafte Diskussionen und ein Miteinander - beim FC St.Margrethen schon länger passé. Es herrscht so etwas wie Endzeitstimmung auf dem St.Margrether Fussballplatz. 

Mit sieben Saisontreffer gehört Nurkan Ibrahimi (vorne) zu den wenigen Akteuren in der Shoshi-Elf, die in der Vorrunde überzeugt haben. Bild: fas

Fehlende Qualität oder schlechte Einstellung?

Den letzten und einzigen Sieg in der Vorrunde holte die Shoshi-Elf Ende August gegen ein damals ersatzgeschwächtes Winkeln. Danach folgten neben einem Unentschieden gegen Mels insgesamt neun teils hohe Niederlagen. Allein von anfangs September bis Mitte Oktober verlor man sechsmal hintereinander und kassierte insgesamt 22 Gegentore.

Gegenüber rheintal24 sagt Präsident Fredi Britt: «Es fehlt nicht an Qualität, sondern an der Einstellung der Spieler. Wir halten immer gut mit, bekommen ungeschickte Gegentore und brechen dann zusammen.»

Richtig ist: Die Mannschaft hat tatsächlich in den meisten Spielen mit den Gegnern spielerisch mitgehalten können, sich aber meistens mit individuellen Fehlern, vor allem in der Defensive, um den eigenen Lohn gebracht. Und diese Tatsache hat natürlich mit fehlender Qualität zu tun. 

Besart Shoshi (links) und Fredi Britt nach der Vertragsverlängerung 2021. Spätestens kommenden Sommer deuten die Zeichen auf Trennung. Bild: zVg

Mit 2. Liga bereits abgeschlossen

Und hier liegt die Krux. Wenn man noch mit halbwegs realistischen Chancen auf den Ligaerhalt in die Rückrunde steigen will - der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt derzeit sieben Punkte - bräuchte das Team von Besart Shoshi vier bis fünf Verstärkungen.

Der Vereinspräsident scheint diesbezüglich aber schon resigniert zu haben: «Faktisch würde es 25 Punkte brauchen, damit man nicht absteigt. Das wird sehr, sehr schwierig werden, auch mit neuen Spielern.» Und er ergänzt: «Der FC St. Margrethen ist finanziell nicht in der Lage, in die 1. Mannschaft zu investieren.» Eine unerwartete Rückforderung des Fussballverbandes für erhaltene Corona-Hilfsgelder hat die finanzielle Situation der Heldsberger massiv verschlechtert. 

Das ist aber nicht das Hauptproblem: Bei den Heldsbergern sind die Sponsoring-Einnahmen gegenüber früheren Jahren um gegen 60 Prozent eingebrochen. Britt fehlt es im Vorstand an Mitstreitern, die sich aktiv in diesem Bereich einbringen und Mittel generieren können. Nebst der Leitung der Juniorenabteilung ist er als Einziger in der Sponsoringakquise aktiv. Mittelfristig soll ihn die neue Vizepräsident Majlinda Sulejmani in diesem Bereich unterstützen. 

Wie läuft es weiter auf der Rheinau? Auf der Basis der rheintal24 zur Verfügung stehenden Informationen gibt es wohl vier Szenarios. 

Einst Kameraden auf dem Feld, heute das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne. Besart Shoshi (links) und Rijad Abazi, Initiant der zweiten Mannschaft auf der Rheinau. Bild: facebook.com

Szenario 1:

Cheftrainer Besart Shoshi wirft aufgrund der aussichtslosen Lage und fehlender Unterstützung des Vorstands den Bettel hin. Diverse Spieler verlassen den Club noch in der Winterpause. Die Mannschaft wird mit Spielern aus dem Fünftliga-Team aufgefüllt und steigt Ende Saison in die 3. Liga ab.

Und hier kommt Rijad Abazi ins Spiel. Der 29-jährige Mittelfeldspieler galt im Rheintal als grosses Talent und hat mit Shoshi mehrere Jahre in St.Margrethen zusammengespielt und zwei Aufstiege in die 2. Liga interregional mitgestaltet. Vor rund zwei Jahren haben sich die beiden aber überworfen. Auf die laufende Saison hat Abazi in St.Margrethen eine Fünftliga-Mannschaft mit Zugewandten installiert. 

Aus dem Umfeld heisst es, dass Abazi durchaus Ambitionen hat, in der Hierarchie aufzusteigen und den Job von Shoshi zu übernehmen. Auch Britt soll bei einem allfälligen Abgang des aktuellen Trainers dieser Lösung nicht abgeneigt sein. Auf die diesbezügliche Frage von rheintal24 antwortet Britt lapidar: Es gibt immer einen Plan B. Und das Szenario «Shoshi-Abgang» ist bis jetzt aber nicht eingetreten und kann somit nicht beantwortet werden.» Ein klares Dementi sieht anders aus. 

Wahrscheinlichkeit: 35 Prozent

Szenario 2:

Shoshi erhält doch noch die eine oder andere Verstärkung und erfüllt den Vertrag in St.Margrethen. Der Abstieg dürfte aber auch so schwerlich zu vermeiden sein, aber immerhin verabschiedet man sich sportlich anständig und seriös. Den Vertrag über den kommenden Sommer verlängern würde Shoshi in diesem Fall wohl kaum. Konsequenz wäre ein Spielerexodus. Als Nachfolgelösung wäre auch in diesem Fall Rijad Abazi denkbar, der übernehmen könnte. 

Wahrscheinlichkeit: 45 Prozent

Szenario 3:

Entgegen den aktuellen Aussagen des Präsidenten wird trotzdem in vier bis fünf neue Spieler investiert und die Mannschaft schafft den Ligaerhalt. Auch bei diesem Szenario, Shoshi hätte in diesem Fall die Heldsberger zum dritten Mal vor dem Abstieg gerettet, dürfte der aktuelle Trainer die Heldsberger im Sommer verlassen. 

Wahrscheinlichkeit: 15 Prozent

Szenario 4:

An einer ausserordentlichen Hauptversammlung wird der aktuelle Vorstand abgewählt und durch Leute ersetzt, welche die 1. Mannschaft des Vereins pflegen und weiterentwickeln wollen. Dieser Fall dürfte allerdings kaum eintreten. Wie verschiedene Quellen berichten, hat sich der Britt die Stimmen der zweiten Mannschaft für einen solchen Fall bereits gesichert. Und da die zweite Mannschaft gegen 30 Leute im Kader hat, dürfte die Frage der Stimmenmehrheit und damit die Machtfrage zugunsten Britts schon im Vorfeld klar sein. 

Wahrscheinlichkeit: 5 Prozent

Trainer wirkt angezählt

Und was meint Cheftrainer Besart Shoshi selber zur Situation: «Es ist aktuell frustrierend. Momentan ist alles blockiert. So kommen wir nicht weiter.».

Man spürt beim 35-jährigen Urgestein, dass ihm die Entwicklungen und vor allem der Umstand, dass er und sein Team vom Vorstand kaum oder überhaupt nicht getragen werden, verständlicherweise grosse Mühe bereiten. Und über zweieinhalb Jahre Abstiegskampf mit vielen Frustrationen haben den Kämpfer auf der Rheinau müde gemacht. Die Mannschaft steht nach wie vor zu 100 Prozent hinter ihm und geht davon aus, dass er weitermacht. 

Britt mit hohem Arbeitspensum

Fredi Britt hat als Präsident einiges richtig gemacht. Er hat den Verein in einer nicht einfachen Zeit übernommen und war zu Sparmassnahmen gezwungen. Das von ihm entwickelte Hallenmasters ist heute wohl die wichtigste Einnahmenquelle des Vereins und prosperiert auch dieses Jahr.

In rund 18 Jahren Vorstandstätigkeit hat er viel Positives geleistet. Er wird damit mit Sicherheit in die FC-Geschichte eingehen, aber wohl auch als der Präsident, der die erste Mannschaft in die Niederungen des Amateurfussballs versenkt hat. Was Desinteresse für das Fanionteam für Konsequenzen haben kann und wie schwierig es ist, aus einer solchen Negativspirale wieder herauszukommen, zeigt das Beispiel des Fussballclubs im Nachbardorf.  

red/rheintal24