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Kommentar
Gesundheit
03.12.2021
04.12.2021 00:32 Uhr

2G – geimpft und getäuscht

Der Lockdown für alle, wie derzeit in einigen Staaten schon wieder Realität, zerstört die Hoffnungen auf Normalität
Der Lockdown für alle, wie derzeit in einigen Staaten schon wieder Realität, zerstört die Hoffnungen auf Normalität Bild: shutterstock.com
Immer mehr Coronamassnahmen werden auch den Geimpften auferlegt. Zum Schutz der freiwillig Ungeimpften. Das Hoffnungs-Narrativ der Politik zerbröselt. Ein Kommentar von Chefredaktor Gerhard M. Huber.

Wenn ich so die Reaktionen auf meine Kommentare zum leidigen Coronathema anschaue, wie etwa zu meiner letzten Einlassung „Von der Logik, sich impfen zu lassen“, so stelle ich eines fest. Neben dem schon gewohnten Geifereifer der Coronaskeptiker und eingefleischten Impfgegnern war da zum ersten Mal auch eine ernste Verstimmung der Geimpften auf die Ungeimpften herauszulesen. Wenn diese Verstimmung in die gleiche fanatische Wut, wie die der Impfgegner umschlägt, dann kommen ja wilde Weihnachten auf uns zu.

Verstimmung der Geimpften

Bis zu einem gewissen Grad ist die Verstimmung der Geimpften verständlich. Sie sind brav allen Vorgaben aus Bundesbern gefolgt, haben Masken getragen, haben lange Zeit auf Kultur- und Sportveranstaltungen verzichtet, haben Abstand gehalten und die Hände bis zur Beinaheauflösung mit Desinfektionsmittel besprüht. Und haben sich brav impfen lassen. Natürlich nicht nur aufgrund blinden Staatsgehorsams, sondern weil es der logischste Weg ist, sich selbst und seine Mitmenschen zu schützen.

Hätten sich alle Eidgenossinnen und Eidgenossen derart normgerecht verhalten, hätten alle das Gemeinwohl und die Gesundheit ihres Nächsten als höheres Gut betrachtet, anstatt ihre eigenen Angststörungen und ihren Obrigkeitenhass auszuleben und ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit zu frönen, so wäre das Bild an der Coronafront ein anderes. Denn dann hätte man tatsächlich wie in Portugal oder Spanien mit Impfraten um die neunzig Prozent und praktisch keinen Neuerkrankungen und damit auch ohne Einschränkungen in den Winter gehen können.

Intensivstationen ausgelastet

Die Intensivstationen im Kanton St.Gallen sind nach aktuellen Meldungen zu über 90 Prozent ausgelastet. Die Anwendung einer Triage, die Zuteilung der Intensivbetten nach Überlebenswahrscheinlichkeit, ist vielleicht nicht mehr fern. Wobei rund 90 (!) Prozent aller Covid-Patienten auf den St.Galler Intensivstationen ungeimpft sind.

In dieser Drohkulisse hat die Schweiz im November zugewartet. Hat nichts getan, um die Ausbreitung von Corona etwas zu minimieren. Keine zusätzlichen Schutzmassahmen wurden getroffen. Sondern der vergangene Abstimmungssonntag abgewartet. Dennoch gibt es keine, absolut keine Entschuldigung dafür, dass die fünf Millionen kalenderfest absehbaren Boosterimpfungen so schlecht vorbereitet wurden, und die Zulassung derselben für alle erst in den letzten Tagen erfolgte, als beinahe ganz Europa schon geboostert hat, was das Zeug hält. Denn das es einer weiteren Impfung bedarf, wusste man schon im Juni.

Die verwunschen Massnahmen

Aber jetzt kommen sie, die verwunschenen Massnahmen: Maskenpflicht auch für Geimpfte, Maskenpflicht in Schulen, Repetitivtests, Kontaktbeschränkungen, 3G-Pflicht, auch in den privaten Räumen. Auch für die Geimpften. Denn die Lage ist zu gefährlich geworden. So haben wir im Rheintal eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 1000.

Kurz gesagt: die Verantwortlichen, die im November noch ihrer heiligen Ruhe frönten, werden mit diesem auf uns zu kommenden Eingriffsszenario jene beinahe zwei Drittel der Bevölkerung vor den Kopf stossen, die sie durch Befolgung aller Massnahmen durch die 18 Monate Pandemie getragen haben. Dieselben Planlos-Politiker lassen es geschehen, dass bald Tag für Tag aus freiwillig Geimpften unfreiwillig Ungeimpfte werden könnten, weil sie ihre Boosterimpfung nicht rechtzeitig erhalten.

Lockdown für alle

Jetzt müssen die „Master of Desaster“ in Bälde das nächste Kapitel schreiben: Der Lockdown für alle. Die weit überwiegende Mehrzahl der Wissenschaftler fordert diese Massnahme. Österreich ist schon mitten drin. Bayern und Sachsen sind auf dem Weg dorthin, Restdeutschland wird folgen. Ganz ehrlich, das nennt man dann «Notbremse». Oder auch «Offenbarungseid». Doch noch bleiben die Gesundheitsgurus in der Schweiz ruhig. Stecken den Kopf in den Sand, obwohl der Hut bereits brennt.

Mit all diesen in dieser prekären Situation absolut notwendigen Massnahmen stossen die Verantwortlichen mit voller Wucht jene zwei Drittel der Bevölkerung vor den Kopf, die sie durch die 18 Monate der Pandemie getragen haben. Die Geimpften haben sich im besten Sinne bürgerlich gezeigt: pflichtbewusst und pflichterfüllend, solidarisch gegenüber dem Nächsten, verantwortungsbereit und sicherlich auch mit dem Blick auf das wie dem Esel vor die Nase gebundene Belohnungsversprechen: «Impfen ist der Weg aus der Pandemie».

Hohn der Impfgegner

Heute klingt dieser Satz wie Hohn. Wie der Hohn der Impfgegner, was es doppelt bitter macht. Die Erzählung von der Rückkehr zur Normalität zerfällt. Die individuelle Impfbelohnung wird zu Asche, 2G zu «Geimpft und getäuscht». Natürlich sind die freiwillig Ungeimpften nicht allein an dieser Situation schuld. Sie sind aber der mit Abstand überflüssigste Teil des Problems. Ein Problem, das in ihrem Fall nur durch Sturheit oder Gleichgültigkeit verursacht wurde. Jetzt bläst ihnen die Meinung der Mehrheit ins Gesicht.

Denn eine deutliche Mehrheit der Schweizer Bevölkerung befürwortet inzwischen eine Verschärfung des Regimes gegenüber Ungeimpften. Das zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des «SonntagsBlick». Demnach möchten 63 Prozent der Befragten eine Einführung der 2G-Regel als Bedingung für die Teilnahme am öffentlichen Leben. Und 53 Prozent unterstützen eine Impfpflicht.

Auf Eigenverantwortung gehofft

Was heisst, dass anfangs auch viele Geimpfte gegen eine Impfpflicht waren und auf die so oft zitierte Eigenverantwortung der Menschen hofften. Heute sind fünf Sechstel der Geimpften für die Impfpflicht. Sie wollen schlicht ihr altes Leben wieder haben, zur Normalität zurückkehren. Was ganz einfach unmöglich sein wird, solange ein rundes Viertel der Bevölkerung die eigene Befindlichkeit in äusserst egozentrischer Weise über das Gemeinwohl stellt.

In früheren Zeiten war das anders. Da war es selbstverständlich, dass man sich und seine Kinder gegen Pocken, Kinderlähmung, Diphterie, Mumps und Masern impfen liess. Und damit die Mehrzahl dieser Krankheiten ausrotten konnte. Heute muss man sich für sozialen oder staatlich kontrollierten Druck auf freiwillig Ungeimpfte aussprechen, um sie zur Impfung zu bewegen. Staat und Gesellschaft haben im Einzelfall das Recht, einer mehrheitlich gefassten Norm breite Geltung zu verschaffen, in einer manifesten Pandemie haben sie meines Erachtens sogar die Pflicht dazu.

Meine Meinung - und Ihre?

Gerhard M. Huber, Chefredaktor rheintal24.ch

Gerhard Michael Huber/rheintal24/uh
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