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Diepoldsau
22.10.2021
22.10.2021 19:22 Uhr

Letzte Ausstellung als Abschied

Bild: pd
Der Balgacher Künstler Paul Müller– besser bekannt als Rellüm – starb im letzten Jahr 84-jährig. Nun wird sein Lebenswerk in der d’Oséra in Diepoldsau gezeigt

Im Mai letzten Jahres starb der Balgacher Künstler Paul Müller nach langer Krankheit 84-jährig. Sein Begräbnis hat er im Vorfeld bereits selbst geplant, und es verlief dann auch nach seinen Wünschen. Er fand seine letzte Ruhestätte im Garten unter seiner geliebten Linde. Weil sich dadurch aber keine Freunde und Bekannten von ihm verabschieden konnten, und eine spätere Trauerfeier wegen den Coronamassnahmen auch nicht in Frage kam, haben seine Kinder Paul, Heidy und Max nun eine passende Form gefunden, ihren Vater würdig zu verabschieden.

Finissage in der d’Oséra

Sie laden zu einer letzten Ausstellung ein – einer Finissage im doppelten Sinn. In dieser wird Müllers Lebenswerk gezeigt. Neben rund 80 Bildern, die fast alle auch zum Verkauf stehen, sind Marionetten, Skizzentagebücher und Keramikgegenstände zu sehen, die der Balgacher Künstler im Laufe seines Lebens geschaffen hat. Die unterschiedlichen Werke zeigen auch Seiten und Stile, die von Rellüm weniger bekannt sind und veranschaulichen, wie vielfältig der Künstler mit Farben, Formen und Materialien experimentiert hat. Er schuf Holz-, Linol- und Siebdrucke, Kohlezeichnungen und Bilder in Oel, Ei-Tempera, Aquarell oder Acryl. Die Ausstellung wird heute Freitag eröffnet. Von 19 bis 20 Uhr begrüssen seine Kinder geladene Gäste, danach steht die Ausstellung allen Interessierten offen. Auch morgen Samstag, von 16 bis 20 Uhr sowie am Sonntag, 24. Oktober, von 11 bis 16 Uhr, sind die Werke zu sehen und Gespräche mit den Angehörigen des Künstlers möglich.

Bild: pd

Paul Müller war ein stiller Schaffer

Paul Müller war einer, der seine Kunst nicht an die grosse Glocke hing. Vielmehr malte er meist für sich im Stillen, in seinem geräumigen Atelier an der Balgacher Mühlackerstrasse. Es gab Zeiten, da war sein Schaffensdrang so gross, dass er bis zu 150 Werke im Jahr malte. Viele seiner Bilder verschenkte er an Leute, die er mochte, anstatt sie zu verkaufen. Er war diesbezüglich sehr grosszügig. Er bildete sich regelmässig weiter, unter anderem an Sommerakademien in Salzburg sowie an Aktzeichen-Kursen der GSMBA, der Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten.

Bild: pd

Den schönsten Schneemann der Klasse gemalt

Interessant ist, dass der Künstler zwar hunderte Bilder gemalt hat, aber nur wenige von sich selbst. Und Fotos von ihm gibt es fast keine. Das stellte auch die Familie fest, als sie den Nachlass sichtete und die Finissage plante. Dafür gibt es viele Erinnerungen, Geschichten und Episoden, die Müller zum Teil selbst in seinen Steckbriefen oder Manuskripten festhielt. Eine geht so: «Ich wurde mit 7 Jahren von der Lehrerin Fräulein Gugger als Maler entdeckt. Ich habe den schönsten Schneemann gezeichnet, worauf dieser eine Woche lang im Klassenzimmer ausgestellt wurde.

Es war das entscheidende Erlebnis.» Später wurde er tatsächlich Künstler und nannte sich Rellüm. Eigentlich aus einem simplen Grund, wie er in einem mit Schreibmaschine getippten Lebenslauf festhielt: «Rellüm = Müller = Rellüm. Der perfekte Künstlername, denn das Umkehren von Namen, Gegenständen, Begebenheiten, von fast allem, um dahinterzukommen, um Qualitäten aber auch Negatives anders zu sehen, um aufzuzeigen, um hinzuweisen, um der Gegenwart den Spiegel vorzuhalten.»

Genau das liebte er und faszinierte ihn in seinem Leben wie in seinem künstlerischen Schaffen, bei dem ihm die Aussage seiner Werke stets das grösste Anliegen waren. Dass ihm das gelungen ist, davon kann man sich jetzt an der Finissage in der d’Oséra ein letztes Mal überzeugen.

Die Fotos wurden von der Familie zur Verfügung gestellt.

Cécile Alge/rheintal24