Es hat in den letzten Tagen alles darauf hingedeutet, dass der Bundesrat am heutigen Mittwoch eine 3G-Zertifikatspflicht für Besuche in der Gastronomie, in Kinos und Museen beschliesse. In den entsprechenden Unterlagen zur weiteren Vorgangsweise war noch die Passage enthalten, dass das «Inkrafttreten der Verordnung für den 1. September 2021 vorgesehen ist».
«Für ein Feierabendbier macht niemand einen Test»
Plötzlich zurückgerudert
Und obwohl die meisten Kantone die Pläne für die Ausweitung der Anwendung des Corona-Passes begrüsst haben, ruderte man nun plötzlich zurück und fällte zumindest heute Mittwoch noch keinen definitiven Entscheid. Alles nur um eine Woche verschoben? Jedenfalls will man die Corona-Lage weiter beobachten. Denn mit der Genesung der coronainfiziert aus dem Urlaub zurückgekommenen Ungeimpften wird die Situation auf den Intensivstationen sich vielleicht wieder entspannen.
Aber was würde eine 3G-Zertifikatspflicht für die von der Pandemie stärker als jede andere Branche gebeutelte Gastronomie bedeuten? Rheintal24 hat sich erkundigt. Bei einem Gastwirt ennet des Rheins in Österreich, wo schon seit Mitte Mai die Gäste die 3G-Nachweise vorlegen müssen. Und wo nicht nur negative Erfahrungen damit gemacht wurden. Und bei einem Gastwirt in Heerbrugg, den allein bei der Vorstellung der Umsetzung dieser Massnahme schaudert.
Personal musste sich so einiges anhören
«Die ersten Tage unter der 3G-Pflicht Mitte Mai waren sehr schwierig», wird der Gastgeber Orazio Leonardi in der Pizzeria «Bella Napoli» in Lustenau heute noch ärgerlich, «da sind viele Leute wieder gegangen, weil sie keinen Nachweis dabeihatten. Und das Personal musste sich so einiges von den Gästen anhören.» Höhepunkt sei eine Frau gewesen, die einen regelrechten Radau veranstaltet und mit Klage gedroht habe. «Sie hat lautstark ihre Ansicht verkündet, dass wir sie gar nicht nach einem 3G-Nachweis fragen dürften.»
Doch inzwischen habe sich alles eingespielt. Denn schliesslich habe die 3G-Pflicht auch ihre Vorteile. Weder Gast noch Personal muss Masken tragen. Einzige Coronaeinschränkung ist noch die Höchstzahl bei der Tischbelegung mit acht Personen. «Unser Gäste aus der Schweiz haben sich auch darauf eingerichtet. Die meisten, die über die Grenze kommen, sind inzwischen geimpft.» Aber insgesamt hat Orazio Leonardi schon einen spürbaren Rückgang der Anzahl seiner Pizzaliebhaber und Spaghetti-Afficionados, der Meeresfrüchtevertilger und Trüffelverkoster hinnehmen müssen.
Gleich lange Spiesse
Natürlich wären die Gastwirte ennet des Rheins froh, wenn auch im Kanton St.Gallen die 3G-Pflicht für die Gastronomie kommen wird. «Dann treten wir wieder mit gleich langen Spiessen in Konkurrenz zu unseren Schweizer Kollegen.»
Kristijan Cukic vom «Sternen» in Heerbrugg zeichnet ein düsteres Bild für die Rheintaler Gastronomie bei Einführung der 3G-Regel: «Dann haben wir mit Sicherheit Einbussen von 25 Prozent und mehr.» Denn er sei sich sicher, dass die ungeimpften und die nicht zu den Genesenen zählenden Gäste nicht extra einen Test machen, nur um mit Kollegen ein Feierabendbier heben zu können.
Im Moment eine Katastrophe für die Branche
«3G wäre im Moment eine Katastrophe für uns. Denn die Branche beginnt sich doch erst langsam von den langen Schliessungszeiten während der Pandemie zu erholen und hat die Verluste noch lange, lange nicht wettgemacht.» Er zweifelt daran, dass eine 3G-Pflicht für die Gastronomie noch irgendetwas mit dem Gleichheitsgrundsatz zu tun hat. «Immer wenn die Politik in Bern das Gefühl hat, jetzt sollten wir irgendeine Massnahme ergreifen, trifft es die Gastronomie. Dabei weiss man inzwischen schon seit längerer Zeit, dass die Restaurants keine Pandemietreiber sind und nur die wenigsten Ansteckungen in den Gasträumlichkeiten passieren.»
Was Kristijan Cukic aufregt, ist die Tatsache, dass die Leute in Baumärkten oder Einkaufszentren wie der Arena in St.Gallen nach eigener Wahrnehmung zu Hunderten dicht an dicht in Schlangen stehen oder Rolltreppen bevölkern. Ohne jede Abstandsregel. Ohne jede 3G-Pflicht. Während für die Gastronomie immer noch die Abstandsvorschrift mit 1,5 Metern gilt.
Örtliche Verhältnisse einfliessen lassen
«Es war auch noch nie einer der Entscheidungsträger von Bund und Kanton bei mir in den Lokalen in Heerbrugg oder St.Margrethen. Sehr wohl aber jene der Gemeinde. Die örtlichen Verhältnisse sollten eben auch in die Entscheidungen einfliessen und nicht immer alle über einen Kamm geschoren werden. Aber inzwischen haben wir einen derartigen Massnahmenwirrwarr, dass sogar die kontrollierenden Polizisten in den Papieren nachsehen müssen, was gerade Sache ist.»
Aber für etwas wäre die 3G-Zertifikats-Pflicht wahrscheinlich gut. Es würde die verzweifelte Suche in der Gastronomie nach Fachkräften beenden. Cukic: «Bei 25 Prozent weniger Gästen brauchen wir auch 25 Prozent weniger Personal. Dann wäre dieses Problem von den Herren aus Bern mit einem Schlag gelöst worden.»