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Kommentar
Diepoldsau
28.07.2021
29.07.2021 11:45 Uhr

Diepoldsau als Opfer politischer Ränkespiele?

Gernot Blümel: Wurde durch die Zustimmung zur Verzögerung der S18 sein Job als österreichischer Finanzminister gerettet?
Gernot Blümel: Wurde durch die Zustimmung zur Verzögerung der S18 sein Job als österreichischer Finanzminister gerettet? Bild: orf.at
Die Wiener Regierungskoalition hat bedenkenlos die Verwirklichung der bereits konsentierten S18-Schnellstrasse ohne Not in ferne Zukunft verschoben. Um den Sitz des Herrn Finanzminister Gernot Blümel zu retten? Ein Kommentar von Dr.Gerhard Huber.

Täglich quälen sich die Autokolonnen mitten durch den Ortskern von Diepoldsau. Und auch in Lustenau, Höchst und St.Margrethen sieht es nicht besser aus. Der gesamte Transit- und Güterverkehr zwischen Österreich und der Schweiz quält sich durch die Dörfer.

Unermüdliche Versuche

Gerade Diepoldsaus Gemeindepräsident Roland Wälter versucht seit vielen Jahren unermüdlich, bei den Vorarlberger Politikern den Bau der seit über fünfzig Jahren angedachten Schnellstrasse S18 als Verbindung der Autobahn auf rot-weiss-roter Seite mit dem seit 1964 auf Schweizer Seite bereitstehenden Autobahnanschluss in St.Margrethen zu forcieren.

Die Autokolonnen werden sich noch lange durch Diepoldsau und St.Margrethen stauen Bild: shutterstock.com

Zusätzlich ist für die Entlastung des oberen Rheintals auch der Bau einer Umfahrung des Ortsgebiets Diepoldsau unabdingbar notwendig. Auch dieses Projekt einer Unterflurlösung unter weitest gehender Schonung der Naturperle Alter Rhein wurde ins grenzüberschreitende Agglomerationsprogramm aufgenommen. Eine Machbarkeitsstudie bestätigte bereits die Realitätsnähe dieses Projekts.

Niemals eine Lösung der Verkehrsprobleme

Gleichzeitig haben Verkehrsfachleute erklärt, eine derartige Spangenverbindung zwischen Hohenems und Diepoldsau sei aber niemals zur Lösung der Verkehrsprobleme im unteren Rheintal geeignet, wofür der Bau der Schnellstrasse S18, auf welcher der vielen geplanten und wieder verworfenen Trassen auch immer, unabdingbar sei. Nach vielen Versuchen hatte man sich im «suubere Ländle» endlich auf die «Variante Z» zur Umsetzung geeinigt.

Also, alles klar und Dampf voraus. Dachte man, und freute sich sowohl auf Vorarlberger als auch auf Schweizer Seite schon, dass jetzt ennet des Rheins endlich einmal Nägel mit Köpfen gemacht würden. Falsch gedacht. Denn vor einer guten Woche tauchte auf einmal die österreichische Bundesministerin für Verkehr und Umweltschutz Leonore Gewessler (Die Grünen) unaufgefordert aus dem Wiener Politsumpf auf und forderte zur Überraschung aller eine erneute «Evaluierung» der konsentierten Variante Z.

Die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler hat unnötigerweise eine weitere Evaluierung der S18-Trasse ins Spiel gebracht Bild: sueddeutsche.de

Vollkommen unsinnige Idee

Noch grösser war die Überraschung, als am Montag vor einer Woche das österreichische Parlament einer entsprechenden Vorlage der Frau Bundesminister seine Zustimmung erteilte und dort die vollkommen unsinnige Idee der Ablösung der S18 durch die Diepoldsauer Unterflurvariante wohlwollend diskutiert wurde.

Und obwohl sich die seit dem zweiten Weltkrieg die Vorarlberger Politszene beherrschende ÖVP im Lande klar für die Variante Z und deren rasche Umsetzung positioniert hatte, stimmten auch die ÖVP-Ländle-Parlamentarier für den Antrag der grünen Frau Minister. Zähneknirschend, wie es heisst.

Aber warum dieses seltsame Abstimmungsverhalten? Warum opfern auch jene in Österreich sehr gut bezahlten Vorarlberger Mandatare die Interessen der Lustenauer und Diepoldsauer Bürger auf dem Altar der Wiener Bundespolitik? Die Antwort ist jetzt ersichtlich geworden.

Vermuteter Postenschacher

Denn nach der Abstimmung über die S18 stand im Nationalrat in selber Sitzung die Abstimmung über einen von der gesammelten Opposition eingebrachten Misstrauensantrag gegen den ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel auf der Agenda. Vermuteter Postenschacher, der Versuch, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vermeintlich tausende Dokumente vorzuenthalten und einige andere Kritikpunkte hatten das Fass zum Überlaufen gebracht.

Wie hinter den Kulissen zu erfahren war, waren auch einige Grüne Parlamentarier geneigt, bei diesem Misstrauensantrag gegen den türkisen ÖVP-Finanzminister mitzustimmen. Was zweifellos die derzeit am Wiener Regierungsruder befindliche Koalition aus ÖVP und Grünen hätte platzen lassen.

Fauler Kompromiss ausgehandelt

Und wie es in «tu felix Austria» seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten üblich ist, wurde offenbar ein fauler Kompromiss ausgehandelt. Ihr lasst uns unseren Finanzminister und wir unterstützen eure Umweltministerin bei der Verhinderung/Verzögerung der S18. Quid pro quo. Folglich Klubzwang bei den Abstimmungen. Das heisst, es durfte keine Abweichler geben. Was wiederum erklärt, dass sogar die Vorarlberger türkisen Abgeordneten dem grünen Anti-S18-Vorschlag zugestimmt haben.

Was wieder einmal eine alte österreichische Weisheit bestätigt. Das eigene Hemd ist einem wertvoller als der fremde Rock. Das Interesse daran, dass der Herr Finanzminister Blümel trotz seiner in meinen Augen doch recht eigenartigen Berufsauffassung seinen Job behält, dass die Frau Umweltminister Gewessler nicht ihr Gesicht verliert und dass so die türkis-grüne Wurschtelkoalition weiterhin die Macht in Händen halten kann, ist eben in den Augen der politischen Kaste weit grösser als das Interesse der Diepoldsauer, St.Margrethner und Lustenauer Bürger an Lebensqualität.

Meine Meinung – und Ihre?

Dr.Gerhard M. Huber

Chefredaktor rheintal24.ch

rheintal24/gmh/uh