Rechtsanwalt Hansruedi Wyss ist Partner der Anwaltskanzlei Bratschi AG und Spezialist für privates Arbeitsrecht und öffentliches Personalrecht – «ein breites Feld, das bildet die Lebenswirklichkeit ab», sagt er. Rechtsfragen drehen sich beispielsweise um die Themen, ob Kündigungen missbräuchlich sind, zuletzt ging es häufig auch um Kurzarbeitsentschädigungen oder Homeoffice, «das hat sich inzwischen aber eingespielt.» Im Zentrum der Tätigkeit des Juristen steht das Beratungsgeschäft – Personalreglemente zeitgemäss überarbeiten, Rechtsfälle vorbeugen, Begleitung bei GAV-Verhandlungen.
Für den Leader zeigt Hansruedi Wyss auf, wie einige gängige Klippen des Arbeitsrechts am besten zu umschiffen sind.
Stellenausschreibung
Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben zur Stellenausschreibung als solche, «somit auch keine Pflicht, eine Stelle geschlechtsneutral auszuschreiben», sagt Hansruedi Wyss. Ein Freipass sei dies jedoch nicht: «Es gibt ein Aber», mahnt Wyss, «im Gleichstellungsgesetz gibt es ein Geschlechterdiskriminierungsverbot. » Dieses beinhaltet zwar auch keine rechtliche Pflicht, Stellen geschlechtsneutral auszuschreiben. Wenn jedoch eine Position nur männlich oder nur weiblich ausgeschrieben wird, könnte das in einer rechtlichen Auseinandersetzung als ein Indiz für eine Geschlechterdiskriminierung herangezogen werden.
Neben den gesetzlichen Vorgaben gibt auch eine Best Practice, die sich stetig wandelt. Da gehört es heute schon fast selbstverständlich dazu, Stellen geschlechtsneutral auszuschreiben. «Es gibt gewisse gesellschaftliche Tendenzen, die von Unternehmen, die sich auf der Höhe der Zeit zeigen wollen, aufgenommen werden», erklärt Hansruedi Wyss.
Aktuell sehe man den Trend, Stellen in verschiedenen Varianten als «männlich / weiblich / divers» auszuschreiben. Darf man also nie eine Stelle geschlechtsspezifisch ausschreiben? «Eine Ungleichbehandlung ist dann zulässig, wenn es einen sachlichen Grund dafür gibt», betont Wyss. «Fehlt dieser, kann es in die Diskriminierung kippen.» Liegt bei einer Nicht-Einstellung ein diskriminierender Grund vor – wenn beispielsweise jemand keine Frauen einstellt, weil sie schwanger werden könnten –, besteht gestützt auf das Gleichstellungsgesetz von 1995 zwar kein Anspruch auf nachträgliche Einstellung, aber ein Entschädigungsanspruch. Bewerber haben nach dem Gleichstellungsgesetz einen Anspruch auf eine schriftliche Begründung der Ablehnung. Wenn sie eine Diskriminierung geltend machen wollen, können sie eine solche Begründung verlangen. Ein kluger Arbeitgeber werde selbstverständlich niemanden diskriminieren und auch keine diskriminierende Begründung abgeben, «es wäre nicht besonders clever, das Geschlecht als Grund anzugeben», sagt Hansruedi Wyss. Darum werden sich Bewerber in der Regel mit einer unverfänglichen Absage im Sinn von «eine andere Person hat besser ins Profil gepasst» begnügen müssen.
Nicht immer wird der Rat, dass man sich nicht aufs Geschlecht oder sonstige Merkmale einer Person versteigen sollte, befolgt. Die schriftliche Absage «Wir stellen keine Leute ein, die Kopftücher tragen» zog einen Gerichtsfall nach sich. Die Begründung wurde nicht als geschlechterdiskriminierend, jedoch als persönlichkeitsverletzend beurteilt und hatte eine Genugtuungsleistung zur Folge. «Der Fall verdeutlicht, dass persönlichkeitsverletzende Absagen rechtliche Konsequenzen haben», hält Hansruedi Wyss fest. Bewerbungsunterlagen Als Bewerbungsunterlagen noch dicke Papierbündel waren, gehörte es zum guten Ton, die Dossiers von nicht berücksichtigten Bewerbern zurückzuschicken. Gelegentlich hat sich eine weniger gut organisierte Firma das Porto fürs Zurückschicken auch mal gespart. Heute sind digitale Dossiers üblich – die dann auf ewig beim Arbeitgeber gespeichert bleiben? «Wenn ein Bewerbungsverfahren ergebnislos verlaufen ist, gibt es keinen Grund, die Unterlagen aufzubewahren. So wie früher physische Unterlagen zurückgeschickt wurden, wären diese Daten heute zu vernichten», hält Hansruedi Wyss klar fest. Ein Dossier zu behalten, weil es interessant für allfällige nächste Vakanz sein könnte, ist denkbar, aber: «In solchen Fällen ist es erforderlich, das mit dem Bewerber abzusprechen. » Die Unterlagen müssen allerdings nicht sofort zurückgeschickt oder gelöscht werden, man kann sie behalten, solange der Arbeitgeber noch ein berechtigtes Interesse daran hat. Steht beispielsweise der Vorwurf einer diskriminierenden Nicht-Anstellung im Raum steht, sieht das Gesetz vor, dass dies innert drei Monaten geltend gemacht werden müsste. Während dieser Frist kann man als Arbeitgeber Unterlagen im Zusammenhang mit der Bewerbung behalten, um Gegenbeweis führen zu können. Danach gilt der Grundsatz, dass die Unterlagen vernichten werden müssen, wenn kein berechtigtes Interesse mehr vorliegt.
Streng ausgelegt müsste man auch Übersichtslisten mit den Namen der eingegangenen Bewerbungen vernichten. Anders verhält es sich, wenn man bei Online-Bewerbungstools die meistens ausführlichen Disclaimer und Nutzungsbedingungen akzeptiert. «Da sind oft auch Löschungsmodalitäten vermerkt, zumindest der Account eines Bewerbers bleibt oft noch für eine bestimmte Zeit aktiv», sagt Wyss.