Haben Sie es schon gewusst? Mit Kupferpulver und Nickeldraht können Sie unzählige Millionen, wenn nicht Milliarden verdienen. Nein, das ist Ihnen nicht bekannt? Umso besser, denn es ist natürlich barer Unsinn. Ein Unsinn, an den aber viele Leute glauben. Vor allem Menschen aus dem ehemaligen Osteuropa, die für diesen Schwachsinn ihr ganzes Vermögen opfern, sich sogar bei dubiosen Figuren hoch verschulden, nur um sich den vermeintlich einfachen Weg zum unendlichen Reichtum zu erfüllen. Wie Oleg P., ein einfältiger Moskowiter, der glaubte, seine Bauernschläue sei ausreichend, um an das grosse Geld zu gelangen. Und von einem Rheintaler Treuhänder ausgenommen wurde.
Nepper, Schlepper, Bauernfänger - Reich mit Nickel und Kupfer?
Gerücht als reale Wahrheit verkauft
Oleg P. hatte sich ein altes und in Strassenbrokerkreisen seit dem Zerfall der Sowjetunion hartnäckig herumschwirrendes Gerücht als reale Wahrheit verkaufen lassen. Und die lautet so: Für die Produktion von Atomwaffen sei es notwendig gewesen, stromleitendes Kupfer mit einem Reinheitsgrad von über 99,9 % herzustellen. In der ehemals real existierenden sozialistischen Planwirtschaft sei viel mehr von diesem hochreinen Kupferpulver erzeugt worden, als für die Waffenproduktion benötigt. Es handle sich dabei um einen Wertstoff, der wertvoller als Gold oder Platin sei. Relativ billig zu kaufen. In Wahrheit aber immer noch viel zu teuer.
Mysteriöses Kupferpulver
Das mysteriöse «Kupferpulver» wurde in Russland von angeblichen Ex-Militärs in hermetisch abgeschlossenen Behältern erworben und dann in meist ostdeutsche und schweizerische Sicherheitslager, sogenannte «Security-Houses» eingestellt. Wie damals bei einem Unternehmen namens IGAS in Goslar. Dann müsse man nur noch eine «Lagerversicherung» über den angeblichen phänomenalen Wert des Kupfers in Höhe der angenommenen Phantastillionen abschliessen und erhalte dann unter Vorlage der Versicherungspolizze bei einer Bank einen Vielemillionenkredit. Die Grundlage hierfür biete ein Wertgutachten, das das Securityhaus, das für die Lagerung zuständig ist, gerne besorge oder sogar selbst ausstelle.
Wortreich Spielgeld eingesammelt
Der Laie wundert sich und der Fachmann greift sich an den Kopf. Was für ein Schwachsinn! Doch Oleg P. war von den sich ihm darstellenden Möglichkeiten begeistert. Flugs hatte man bei Moskauer «Geschäftsfreunden» wortreich ein paar Millionen als Spielgeld gesammelt. Flugs über dunkle Kanäle einige Paletten Kupferpulver erworben. Und schnell die Reise in die Schweiz gebucht. Wo natürlich zuerst eine Schweizer Aktiengesellschaft gegründet und Konten für den erwarteten Geldsegen eröffnet werden mussten.
Und da war ja auch noch das Kupferpulver im Security-House einzulagern, für die Gutachten zu sorgen, und, und, und. Dafür braucht man natürlich einen auf dem Gebiet der Versicherung und Belehnung von Kupferpulver und in Public-Placement-Programmen erfahrenen seriösen Berater vor Ort. Was Oleg P., der noch etwa eine Million Franken in der Kriegskasse hatte, augenscheinlich auch fand. Nämlich einen Rheintaler Treuhänder und dessen Kunden, Freund und selbsternannten Finanzberater Herbert Karl R..
Vertreter der Zunft der Strassenbroker
Was Oleg P. nicht wusste. Herbert Karl R. war und ist ein rühriger Vertreter der Zunft der Strassenbroker, der es genial versteht, unter Vorspiegelung der Möglichkeit von rasch erworbenem riesigem Reichtum naiven Pseudo- Geschäftsleuten wie Oleg P. ihr Geld abzuschwatzen. So auch diesmal. Es wurde völlig überteuert ein Aktiengesellschaftsmantel gekauft. Den der Rheintaler Treuhänder eigens für solche Zwecke auf Vorrat gegründet hatte und seinem naiven russischen Klienten überteuert verkaufte.
Für die Eröffnung von Bankkonten stellten Herbert Karl R. und sein Treuhänder völlig überzogene Tarife in Rechnung. Was Oleg P. aber nicht weiter verwunderte, er wusste ja, dass die Schweiz ein teures Land ist. Im Gegenteil, er beförderte den Herrn R. und den fleissigen Treuhänder sogar noch in den Verwaltungsrat seiner AG, räumte ihnen Kontovollmacht ein und liess sie voller Vertrauen schalten und walten. Da wurden von dieser AG überteuerte sinnfreie Gutachten eingeholt, Dienstreisen bis in die USA finanziert und Beraterkosten in ungeahnter Höhe an Herbert Karl R. bezahlt. Dieser faselte bei Rückfragen aus Russland immer seine altbewährten Sprüche über die Schwierigkeiten, das Kupferpulver zu «monetarisieren» und über die bereits erzielten Fortschritte beim Organisieren eines Public-Placement-Programms.
Geschmackvoll und schick
Der grenzenlos naive Oleg P., der es geschmackvoll und schick fand, bei Bankengesprächen im Hawaii-Hemd zu erscheinen, wurde erst misstrauisch, als der Kontostand seiner AG aufgrund der Aktivitäten seiner beiden Verwaltungsräte gegen Null tendierte, ohne dass er bei der Beleihung seines Kupferpulvers einen einzigen Schritt weitergekommen wäre.
Freilich wusste der deutsche «Finanzberater» Herbert Karl R. von vorneherein, dass es sich bei den angeblich möglichen Finanzkonstruktionen um Kupferpulver und Nickeldraht um reine Luftnummern handelte. Real nicht existierende Geschäfte. Deren Existenz aber von unseriösen Finanzberatern, Gutachtern, Sicherheits-Lagerhäusern und Versicherungen natürlich beteuert wurde, um die «glücklichen» und meist ahnungslosen Besitzer dieser Metallstoffe melken zu können.
Bis auf den letzten Rubel das Geld durchgebracht
Wie die Sache dann für Oleg P. ausgegangen ist? Zunächst beauftragte der völlig verwirrte Russe, der nicht wusste, wie ihm geschah, und letztlich das in Moskau zusammengeborgte Geld bis auf den letzten Rubel vollkommen ohne Erfolg durchgebracht hatte, die I.U.C.C. mit der Aufklärung des Sachverhalts. Dabei handelt es sich um die Internationale Union zur Bekämpfung von Verbrechen, ein Zusammenschluss ehemaliger Ermittlungsbeamter.
Diese Organisation konnte den Sachverhalt genau ermitteln. Das Fazit wurde in einem an Herbert Karl R. gerichteten Forderungsschreiben des Oleg P. wiedergegeben: «Sie haben durch Vorspiegelung unrichtiger Tatsachen und Möglichkeiten sowie durch Urkundenfälschungen im Rahmen eines aufgrund Ihrer Angaben beabsichtigten Private Placement Programms auf der Basis des von der Sowo AG bei der IGAS in Deutschland eingelagerten hochreinen Kupferpulvers von mir grosse Geldmengen herausgelockt und einer zweckwidrigen Verwendung zugeführt. Sie haben insgesamt Gebühren und Geldleistungen im Gesamtbetrag von ca. € 830´000 ohne sinnvolle und realistische Gegenleistung kassiert.»
Selbstverständlich keine Rückzahlung
Da sich Herbert Karl R. an seinem deutschen Wohnort ständig in Insolvenz befindet, erfolgte selbstverständlich keine Rückzahlung. Die Schweizer Ermittlungsbehörden erklärten sich angesichts des «multilateralen» Sachverhalts und der Nicht-Schweizer-Nationalitäten für unzuständig. Was Oleg P., der inzwischen von der Bildfläche verschwunden ist, nur recht sein konnte. Denn schliesslich waren es keine wirklich seriösen Geschäftsleute, die ihm Geld für sein Finanzabenteuer geliehen hatten. Und das Geld hätte wohl kaum einer tiefer gehenden Geldwäscheprüfung standgehalten, wurde damals aber von einer Liechtensteinischen Bank angenommen.
Der Autor war viele Jahre Rechtsanwalt mit intensiven Kontakten in die wundersame Welt der Strassenbroker und auf Abwege geratenen Finanzberater. Unter dem Pseudonym Jacob Wilhelm Grimm berichtet er aus seiner Praxis. Geschichten, die das Leben schrieb.