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Region Rheintal
26.02.2021
26.02.2021 12:20 Uhr

Fall Staad: Milde Urteile des Kantonsgerichtes

Von der vorsätzlichen, eventualiter fahrlässigen Tötung wurden beide Elternteile freigesprochen.
Von der vorsätzlichen, eventualiter fahrlässigen Tötung wurden beide Elternteile freigesprochen. Bild: Unsplash
Für das Kantonsgericht St.Gallen ist nicht erwiesen, dass die Eltern für den Tod ihrer gemeinsamen Tochter verantwortlich sind. Es sprach sie am Freitag vom Hauptvorwurf der Tötung frei.

Die Ungeheuerlichkeit des Vorganges hatte mehrmals hohe Wellen geschlagen. Zuletzt hatte rheintal24 unter dem Titel "Kleinkind wie Abfall behandelt" berichtet. Denn der Tod eines zweijährigen Mädchens 2015 in Staad beschäftigte erneut die Gerichte. Die Eltern, die vor erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von sechs (Mutter) und fünf (Vater) Jahren verurteilt wurden, hatten sich gegen den Entscheid mit Berufung gewehrt. Jetzt hatte die Strafkammer des Kantonsgerichtes zu entscheiden.

Gemäss Anklage der Staatsanwaltschaft sollen die beiden Beschuldigten aufgrund ihres Drogenkonsums ihre Tochter psychisch, medizinisch, sozial-emotional und körperlich massiv vernachlässigt haben. Überdies sollen sie ihre Tochter am Nachmittag des 3. Juli 2015, einem heissen Sommertag, für über zwei Stunden alleine im Kinderzimmer im Dachgeschoss ihres Wohnhauses zurückgelassen haben, wo das Mädchen in der Folge verstorben sei. Schliesslich soll die beschuldigte Mutter den Leichnam während mehrerer Tage auf der Matratze im Dachgeschoss liegen gelassen und mutmasslich am 9. Juli 2015 in einen Koffer gesteckt und im Keller versteckt haben.

Die leiche wurde im Keller dieses Hauses gefunden, verpackt in einem Koffer. (Bild: Keystone) Bild: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Entscheid des Kreisgerichtes durch Kantonsgericht revidiert

Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen hat nun den Entscheid des Kreisgerichts in Bezug auf den Vorwurf der fahrlässigen Tötung aufgehoben. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Kreisgericht nahmen an, dass das Kind am Nachmittag des 3. Juli 2015 allein gelassen worden und an einem Hitzetod gestorben ist. Nach eingehender und sorgfältiger Würdigung aller Beweise gelangt das Kantonsgericht zum Schluss, dass diese Annahme nicht haltbar ist.

Die rechtsmedizinischen Untersuchungen belegen den von der Staatsanwaltschaft und dem Kreisgericht angenommenen Todeszeitpunkt nicht und lassen überdies keinen Schluss auf die Todesart und -ursache zu. Auch die Kantonspolizei St. Gallen gelangte in ihrem Schlussbericht zur Auffassung, dass der 3. Juli 2015 als Todeszeitpunkt «eher unzutreffend» sei. Und selbst die Staatsanwaltschaft räumte vor Kreisgericht ein, dass nicht gesagt werden könne, an was genau das Kind gestorben sei.

Angenommene Todesursache nicht als erwiesen erachtet

Vor diesem Hintergrund können der in der Anklage enthaltene Todeszeitpunkt und die vom Kreisgericht gestützt darauf angenommene Todesursache nicht als erwiesen betrachtet werden. Da der gesamte Entscheid des Kreisgerichts auf dieser Annahme beruht, ist der vorinstanzliche Schuldspruch nicht haltbar und aufzuheben.

Nachweisen lassen sich demgegenüber verschiedene und zum Teil erhebliche Verletzungen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Kind, namentlich der Konsum von Kokain während der Stillzeit und die ausgebliebenen kinderärztlichen Besuche trotz Entwicklungsauffälligkeiten. Hierfür sind die Beschuldigten schuldig zu sprechen. Die Vernachlässigungen haben aber nicht im von der Staatsanwaltschaft behaupteten und vom Kreisgericht angenommenen Ausmass stattgefunden.

Blick auf ungeklärte Todesursache

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die ungeklärte Todesursache kann nicht gesagt werden, die eingangs erwähnten Vernachlässigungen durch die Beschuldigten hätten zum Tod ihres Kindes geführt. Andere Ursachen bleiben möglich. Auch unter dem Gesichtspunkt der geschilderten Vernachlässigungen scheidet ein Schuldspruch wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung deshalb aus.

Erwiesen ist, dass die Mutter den Leichnam ihrer Tochter in einen Koffer gesteckt und im Keller versteckt hat. Sie hat damit den Leichnam verunehrt und ist deshalb wegen Störung des Totenfriedens schuldig zu sprechen. Hierfür und für die weiteren Schuldsprüche wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, falscher Anschuldigung und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz wird sie zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Davon sind 12 Monate vollziehbar.

Nur bedingte Freiheitsstrafe für den «Vater»

Der beschuldigte Vater wird wegen Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Zudem haben die Beschuldigten Verfahrenskosten in der Höhe von über Fr. 100'000.00 zu bezahlen.

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.

gmh/uh
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