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Kanton
17.02.2021
17.02.2021 12:55 Uhr

Erbschaftssteuer und Solidaritätsabgabe - linker Irrweg?

Erbschafts-, Schenkungssteuer und Solidarabgabe für jene, die viel Vermögen besitzen? (Symbolbild:lisa-paus.de))
Erbschafts-, Schenkungssteuer und Solidarabgabe für jene, die viel Vermögen besitzen? (Symbolbild:lisa-paus.de)) Bild: lisa-paus.de
Die Grünen im Kanton fordern die Wiedereinführung der kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuer für direkte Nachkommen. Die SP fordert eine Solidaritätsabgabe der Vermögenden. Lösung der kantonalen Finanzprobleme oder Irrweg?

Keine Frage, die Coronakrise reisst aufgrund der notwendig gewordenen Hilfsgelder Löcher in die Staatskassen, so auch im Kanton St.Gallen. Die Kantonsgrünen haben daher eine Motion im Kantonsrat eingebracht, wonach mit Hilfe der Wiedereinführung einer Schenkungs- und Erbschaftssteuer die vermögenden Teile der Bevölkerung besonders zur Refinanzierung der Coronamassnahmen beitragen sollen.

Aus der Motion der Grünen: «Zusätzlich hat der Kanton erst gerade vor zwei Jahren gegen den Widerstand der Grünen die Unternehmenssteuern gesenkt. Ein zukunftsträchtiger Umgang mit dem Staatshaushalt sieht anders aus. Nun planen die Regierung und die rechte Mehrheit des Kantonsrates eine Sparübung, die wie immer auf Kosten von Familien, sozial Benachteiligten, Kulturschaffenden und zulasten der nachhaltigen Entwicklung gehen dürfte.»

Finanzpolitik von Regierung und Ratsmehrheit «verfehlt»

Und die Grünen legen noch nach: «Diese Finanzpolitik ist aus verschiedenen Gründen verfehlt: Um den Wirtschaftseinbruch nicht noch zu verstärken, sind konjunkturstützende Staatsausgaben anstelle von Sparpaketen gefragt. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Ausgabekürzungen werden noch gravierender sein als in normalen Zeiten.

Ausserdem verschärfen Steuersenkungen und die darauffolgenden Sparpakete langfristig die Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen. Es wird Geld von unten nach oben umverteilt. Und schliesslich darf das Parlament der Staatsverwaltung nicht permanent die Flügel stutzen. Um der Klimakrise begegnen zu können, brauchen wir einen Kanton, der die benötigten Dienstleistungen und finanziellen Mittel für den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft bereitstellen kann.

Erbschaftssteuer als Alternative zu Abbauplänen

Aus diesen Gründen stellen die Grünen den Abbauplänen von Regierung und Kantonsrat eine konkrete Alternative gegenüber: Mit der Erbschaftssteuer werden die Finanzen dort beschafft, wo sie im Überfluss vorhanden sind und eine Abgabe keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen nach sich zieht.»

Die von der Grünen eingereichte Motion verlangt eine Erbschafts- und Schenkungssteuer für die direkten Nachkommen. Der Kanton St.Gallen erhob schon früher eine solche Steuer, schaffte sie jedoch Ende der 90er-Jahre ab.

Sozialisten fordern Solidarabgabe der Vermögenden

Die SP wehrt sich gegen den nach ihrer Ansicht «verfrühten, voreiligen und undifferenzierten Sparhammer». Er komme zu einem äusserst heiklen Zeitpunkt, er missbrauche die vermeintliche Gunst der Stunde ohne eine ehrliche Analyse der Ursachen und er werde, wie sich schon wieder abzeichnet, die Falschen treffen. In der Pandemiekrise finanziere der Staat die Kurzarbeitsentschädigung, übernehme Bürgschaften und mache sich auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit gefasst. Dem Staat zum jetzigen Zeitpunkt die Mittel zu entziehen, sei grob fahrlässig.

Die Sozialisten fordern von den bürgerlichen Parteien: Kein Sparen beim Mittelstand und bei Wenigverdienenden, bei den Familien und den Angestellten. Unsere Gesellschaft sollte diejenigen in die Pflicht nehmen, denen es gut geht und die es sich leisten können. Aus diesem Grund stellte die SP den Antrag auf die Einführung einer Solidaritäts-Abgabe der Reichen an die ganze Gesellschaft.

Der Kommentar zur Zeit:

Die Grünen wollen also die Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder einführen. Was mit Sicherheit auch die Zustimmung der SP finden wird, die ihrerseits eine «Solidarabgabe» von Vermögenden, also eine Reichen-Steuer einführen will.

Eigentlich erscheinen die grün-linken Gedankengang prima vista logisch: Mehr Staatsausgaben in Zeiten von Corona müssen mittel- und langfristig abgedeckt werden. Entweder durch Einsparungen, wie es derzeit die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat vorhat, oder durch eine erhöhte Belastung der Steuerzahler, wie durch eine Erhöhung von Steuern oder überhaupt der Einführung zusätzlicher Steuern.

Die wahre Lösung des Problems liegt wie meist zwischen diesen beiden Standpunkten. Einsparen? Ja, aber mit Mass und Ziel. Gerade der kantonale Verwaltungsapparat hat in der Coronapandemie gezeigt, dass er trotz der Tatsache, dass es in der Schweiz wesentlich weniger öffentlich Bedienstete gibt, als in vergleichbaren Ländern, effektiv und gut arbeitet. Das Bild des faulen Beamten mit Ärmelschonern ist schon lange falsch. In den Behörden arbeiten grossteils gut ausgebildete, innovative, hilfsbereite und aktive Menschen.

Aber bei einer weiteren Ausdünnung der ohnehin schon schmalen Personaldecke könnte der Staat in Krisenzeiten seine Aufgaben nicht mehr erfüllen. Hier gibt es wenig Einsparpotential.

Der Kanton müsste sich für die Realisierung von Sparmassnahmen einer mühsamen und ausführlichen «Aufgabenkritik» stellen: alle Tätigkeiten von Kanton und Gemeinden auflisten und einzeln hinterfragen, ob sie tatsächlich Staatsaufgaben sind oder nicht. Die dann erfolgenden Kürzungen - da muss man den Linken und Grünen recht geben - würden dann tatsächlich im Sozial- und Kulturbereich erfolgen.

Aber auch bei etwaigen Steuererhöhungen muss man sehr vorsichtig vorgehen. Sonst landen wir langfristig womöglich bei Steuersätzen wie in unserem liebsten Nachbarland Österreich, wo der Anteil von Steuern und Sozialbeiträgen in Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) sagenhafte 44,4 Prozent beträgt.

Wie es eigentlich bei der Verabschiedung eines jeden Gesetzes Usus sein sollte, sollte auch bei Motionen bereits im Vorfeld die finanziellen Auswirkungen ermittelt werden. Im Falle der Erbschafts- und Schenkungssteuer hiesse dies: es müssten Zahlen vorgelegt werden, was dieser Eingriff in die Vermögensprivatsphäre hart arbeitender Menschen überhaupt bringt. Denn aus der Erfahrungen unserer Nachbarländer sollte man wissen, dass gesellschaftlich akzeptable Erbschafts- und Schenkungssteuern mit vielen Ausnahmen und Grenzwerten, dem Fiskus so wenig bringen, dass es sich nicht lohnt, dafür Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen aufzureissen.

Gleiches gilt für Steuern auf Reiche und Superreiche. Die hoffentlich ihr Vermögen beim Erwerb ordentlich versteuert haben. Untersuchungen in Deutschland haben gezeigt: eine derartige Solidarabgabe würde bei weitem nicht die erhofften Beträge erbringen...

Da erscheint mit der Vorschlag schon besser, die von der SNB gehorteten Milliarden zur Corona-Refinanzierung einzusetzen.

Meine Meinung - und Ihre?

Dr. Gerhard M. Huber, Chefredaktor rheintal24.ch

 

gmh/uh
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