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Fussball Regional
20.12.2020
19.12.2020 19:22 Uhr

Ein Ehrenpräsident wird Siebzig

Ruedi Sieber, Ehrenpräsident des FC Widnau, wird am Sonntag siebzig Jahre alt (Bilder: Archiv Ulrike Huber)
Ruedi Sieber, Ehrenpräsident des FC Widnau, wird am Sonntag siebzig Jahre alt (Bilder: Archiv Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
Ruedi Sieber war siebzehn Jahre lang Präsident des FC Widnau und hat das Amt 2015 in jüngere Hände übergeben. Am Sonntag feiert der zum Ehrenpräsident ernannte Jubilar seinen siebzigsten Geburtstag.

Die grosse Sportlerfamilie des FC Widnau feiert am Sonntag. Zwar kein grosses gemeinsames Fest, was ja aufgrund der Coronabeschränkungen nicht möglich ist. Aber zumindest in Gedanken wünschen wohl alle Vereinsmitglieder am Sonntag, dem 20.12., ihrem langjährigen «Präsi» und seitherigem Ehrenpräsident Ruedi Sieber alles Gute zum runden siebzigjährigen Geburtstag. Für rheintal24.ch ein willkommener Anlass, um auf das Leben dieses verdienten Sportfunktionärs, auf siebzig erfüllte Jahre zurückzublicken.

Ruedi Sieber hatte eigentlich mit Fussball nichts am Hut. «Als Bub wollte ich zwar bei einem Verein tschutten, aber mein Vater wollte das nicht. Er war begeisterter Musiker, damals Präsident und Dirigent der Blasmusik. Als Reaktion auf meinen Tschutter-Wunsch hat er mir als Siebenjährigem ein Tenorhorn, einen Notenständer und ein -blatt in die Hände gedrückt, mit der Aufforderung: «Und jetzt spiel!» Konnte ich natürlich nicht. Aber von da an musste ich üben. Nur das Turnen wurde mir vom Vater erlaubt. Erste Turnstunde im Verein: Ich hinauf auf den Barren, gleich runtergefallen, da war die Turnerkarriere auch schon wieder vorbei.»

Glückliche Kindheit und Selbstversorger

Sonst hatte Ruedi Sieber eine glückliche Kindheit. Mit seinen Eltern und Geschwistern, zwei Buben und einem Mädchen, wohnte er in einem Doppelwohnhausteil, den sein Vater als Viscose-Arbeiter von der Viscose mieten und dann auch kaufen konnte. Und es wurde ein Acker bewirtschaftet. Denn damals war man ja noch Selbstversorger mit Kartoffeln, Salaten und Gemüse.

«Mit 16 Jahren habe ich nach einem kurzen Intermezzo als Druckerlehrling bei der Schweizer Post angefangen. Als Zustellbeamter mit richtiger Uniform und steifem Hut. Und damals noch mit viel Verantwortung und grossem Renommee. Schliesslich haben wir damals die Pensionen in bar zu den Leuten gebracht, da war man natürlich gerne gesehen und wurde beinahe umarmt. Und früher hat man eben noch Zeit füreinander gehabt, wurde oft auf einen Kaffee und ein Gespräch eingeladen. Allerdings gab es auch Sachen, die mich als jungen Burschen belastet haben. Vor allem, wenn ich die Graburnen, die vom Krematorium damals per Post versendet wurden, an das Bauamt zustellen musste. Und noch schlimmer, wenn es ein verstorbener Bekannter war.»

Ruedi Sieber in seinen Zeiten als Präsident des FC Widnau mit seinem damaligen, viel zu früh verstorbenen Sportchef Marco Zillig. Bild: zVg / Ulrike Huber

Nach Buchs versetzt

Nach einem Pflichtjahr in Zürich und anderen Kurzstationen wurde Ruedi Sieber, der inzwischen seine Helen geheiratet hatte, für einige Jahre nach Buchs versetzt, wo er auch abgelegene Ortschaften wie Oberschan, Azmoos, Malans und Gretschins zu betreuen hatte.

«Da ging's dann zu Fuss bergauf, bergab, über Stock und Stein. Ein Ledergurt um den Bauch geschnallt mit Karabinerhaken, daran die Päckli und natürlich die grosse Ledertasche. Streng war's, aber toll für einen jungen Burschen wie mich damals. Und es war ja die Zeit, wo man noch viel bei Versandhäusern gekauft hat und wir die dringend erwarteten Waren gebracht haben. Und wenn jemand Hilfe brauchte, haben wir auch geholfen, etwa beim Büscheln der Weidenbündel, die gebraucht wurden, um ein Feuer in Gang zu bringen. Da war man immer willkommen, jeder hat auf dich gewartet. Manchmal natürlich auch die Hunde. Aber in 42 Jahren hat mich nie ein Hund gepackt. Ich wusste ja genau, welches Haus von einem Vierbeiner scharf verteidigt wurde. Da bin ich einfach nicht hingegangen. Die Hundehalter mussten ihre Briefe und Päckchen dann selbst bei der Post holen. Der schlimmste Hund mit ausgeprägter Pöstler-Aversion war in Balgach, der ist uns nach und hat sogar bei unserem VW namens «Fridolin» die Reifen zerbissen. Aber der Kontakt mit den vielen Menschen, den man als Pöstler hat, war sehr schön. Das hat mir schon gefehlt, als ich die letzten Jahre vor meiner Pensionierung im Innendienst im Paketzentrum Berneck gearbeitet habe.»

Unwillig bei der Blasmusik

Wie von seinem Vater gewünscht, schloss sich Sieber der Blasmusik an. Zunächst etwas unwillig, doch nach einer Ausbildung als Marschtambour mit immer mehr Begeisterung. Er war dann viele Jahre an der Pauke und den Tschinellen anzutreffen. Zunächst in Lüchingen, dann in Buchs und nachher bei «seiner» Musikgesellschaft Konkordia Widnau. Und natürlich hatte er seine Helen in Widnau auf dem Rössliplatz bei einer Blasmusikveranstaltung kennengelernt. Er musste dort, wie damals üblich, Tanzbändel an die Herren, die tanzen wollten, verkaufen.

«Die Musik hat mich zum Funktionär gemacht. Zunächst zehn Jahre als Kassier und von 1989 bis 1993 als Präsident der Konkordia. Gleichzeitig war ich auch schon Aktuar und später Präsident der Supportervereinigung des FC Widnau. Der Opel-Sepp und der Barmettler Werner hatten mich damals angesprochen, man solle doch die Supportervereinigung wieder neu aufleben lassen. Und ich hatte ja immer schon gern Fussball geschaut, war Präsident der Musikanten und dachte mir, probiere es. So bin ich reingerutscht.»

Einstimmig zum Präsidenten gewählt

Das führte ihn bis zum Präsidentenamt beim FC Widnau. An der Hauptversammlung 1998 hat Werner Barmettler jun. seinen Rücktritt erklärt, und Ruedi Sieber wurde einstimmig gewählt.

«Zusammen mit Trainer Georges Lüchinger, dem Team und Sportchef Toni Oesch war ich als Vertreter der Supportervereinigung im Trainingslager in Belek. Und da hat mich der Toni Tag für Tag bearbeitet, ich solle doch das Präsidentenamt übernehmen. Ich wollte eigentlich nur für zwei oder drei Jahre, daraus sind 17 Jahre geworden. Es war eine phantastische Zeit, denn das Schlechte vergisst man, an das Schöne erinnert man sich. Das schönste Erlebnis war für mich das Cupspiel unseres FC Widnau gegen den FC Zürich. Einen Tag nach der Auslosung kam vom Fussballverband bereits ein dickes Dossier, welche Auflagen für diesen Match auf der Aegeten zu erfüllen seien. Und es blieb nur vier Wochen Zeit, um alles, von der Zusatztribüne bis zur vorgeschriebenen Security, zu organisieren. Der Match fand dann vor 3300 Zuschauern statt, war perfekt organisiert und hielt bis zum kantonalen Schwingfest 2019 den Bier-Rekord auf der Aegeten.»

Ein alter VW mit Doppelauspuff und Porschegestell

Das Paar Sieber kannte sich bereits mehrere Jahre, als Ruedi Sieber, 25-jährig, 1974 seine Helen heiratete. Als erstes Auto gab es bereits vorher einen alten VW mit Doppelauspuff und Porschegestell. Auffällig war nicht nur das Auto, sondern auch, dass das junge Paar an jeder Grenze genauestens kontrolliert wurde.

«Das muss wohl am Vorbesitzer gelegen haben. Bei uns haben die Zöllner jedenfalls nichts gefunden. Überhaupt konnte ich nur deshalb so viel Zeit für meine Funktionärstätigkeit aufwenden, weil mich meine Gattin Helen immer darin unterstützte. Und manchmal musste sie auch einiges erdulden. Wie ich einmal beim Frühschoppen des Turnvereins bei der Haupttombola ein Fahrrad gewonnen hatte. Wir spielten dort mit der Blasmusik, und es war furchtbar heiss an diesem Tag. Da trinkt man natürlich das eine oder andere kalte Bier. Und ich musste ja mein neues Fahrrad spazieren führen. Ins spätere «Türmli-Pub», wo es auch heiss war, wie auch im Garten im «Freihof». Dann war am Nachmittag noch ein Match gegen Bonaduz. Der Opel-Sepp meinte, wir trinken für jedes Tor ein Bier. Leider haben unsere gleich sieben Tore geschossen. Einige Zeit nach dem Match, es war immer noch heiss, kam ich dann auf die glorreiche Idee, man müsste mit dem neuen Velo auch über die Werbebande beim Fussballplatz fahren können. Aus Festbänken wurde eine Rampe gebastelt – und nichts wie rauf mit dem neuen Velo. War doch keine Sache für den Sieber. Allerdings hatte er nicht überlegt, dass man auch wieder runter sollte von der Bande. Die Sache endete mit Halskrause und Gehirnerschütterung. So etwas ist mir aber nie mehr passiert.»

Bei jedem Match auf dem Feldherrenhügel

Ruedi Sieber hat vor fünf Jahren sein Präsidentenamt nach 17 Jahren übergeben. Und damit einen kerngesunden, sehr gut funktionierenden Fussballverein mit gefestigter Struktur und guter Stimmung. Seither widmete er sich voll und ganz nur mehr dem Pensionistendasein und seiner Helen, seinen Kindern und Enkelkindern. Leider machten ihm immer wieder Nierensteine zu schaffen. Aber immer, wenn es die Gesundheit zulässt, sieht man Ruedi Sieber bei jedem Match seiner blau-weissen Widnauer mit seinen alten Kollegen auf dem Feldherren-Hügel sitzen und mit fachkundigen Kommentaren das Spiel der Widnauer Youngsters zu begleiten. Einmal vom blau-weissen Virus befallen, immer vom blau-weissen Virus befallen.

 

gmh/uh
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