Vor 25 Jahren war «Start-up» noch kein Begriff. Insofern erweckte Andreas Wawrlas Entscheidung im persönlichen Umfeld grösseres Erstaunen: Eine erfolgreiche Berufskarriere mit besten Zukunftsaussichten auf Top-Management-Positionen mit 38 Jahren buchstäblich «an den Nagel zu hängen», um bei Null zu beginnen, war für viele schwer nachvollziehbar. Seine inzwischen aufgebaute, erfolgreiche Unternehmensgruppe mit einem stetig wachsenden Umsatz von derzeit mehr als 130 Millionen Franken und die damit verbundenen Beteiligungen sind das erfreuliche Ergebnis seiner Entscheidung.
Ingenieur und Betriebswirtschafter
In Vorarlberg als Sohn einer Architektenfamilie mit Schweizer Mutter aufgewachsen, absolvierte Andreas Wawrla die ETH in Zürich als Dipl. Ing. Maschinenbau. Im Anschluss an seine Assistententätigkeit in Zürich schloss er 1985 zusätzlich das Wirtschaftsstudium in St.Gallen als lic. oec. HSG ab. Beide Studien finanzierte Wawrla mit Nebenjobs als Musiker, Skilehrer, wissenschaftlicher Assistent und Dozent sowie verschiedenen Praktika selbst. Je vier bis fünf Jahre wirkte Andreas Wawrla bei renommierten Unternehmen – so war Bühler in Uzwil sein erster Arbeitgeber und Balzers in Liechtenstein ein weiterer. 1994 veränderte eine Begegnung sein Leben: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung bot sich Wawrla die Möglichkeit, anhand einer unfertigen Vorentwicklung ein völlig neues Geschäft aufzubauen. Er war von der Idee überzeugt und legte gemeinsam mit einer Unternehmerfamilie aus Deutschland den Grundstein für Aquis. Aus anfänglich zwei Mitarbeitern ohne Umsatz entwickelten sich in der Schweiz zwei erfolgreiche «Aquis-Firmen» – die Aquis Wasser-Luft-Systeme und die Aquis Systems. Beide zählen heute in ihren Tätigkeitsbereichen zu führenden Unternehmen.
Wasserfilter und -aufbereitung
Aquis Wasser-Luft-Systeme, die ursprüngliche, 1995 gegründete Gesellschaft, entwickelt und produziert Wasserfilter für unterschiedliche Geräte und Wasserentnahmestellen. Mit cleveren und patentierten Lösungen werden störende Substanzen im Wasser entfernt oder gesundheitsfördernde gezielt zugeführt. Der grösste Anwendungsbereich sind Wasserfilter für Kaffee- und Teemaschinen. Diese Filter werden von führenden Geräteherstellern wie etwa Jura im Cobranding mit einer der eigenen Marken «Claris» oder «Claro Swiss» vermarktet. Ein weiterer Bereich ist die Wasseraufbereitung für normales Trinkwasser. Diese Lösungen kommen vor allem in Gegenden zum Einsatz, in denen kein wohlschmeckendes, gesundes Wasser am Wasserhahn zur Verfügung steht. Durch die Aufbereitung des Wassers vor Ort kann auf den Kauf von Flaschenwasser verzichtet werden. Damit entfallen Transport und Lagerung der Flaschen und vor allem der enorme umweltschädliche Plastikabfall. Die Produktion erfolgt hoch automatisiert am Standort in der Schweiz und aus logistischen Gründen teilweise an einem Standort in China.
Sanitärtechnik und Multifunktionsarmaturen
Im Jahre 2000 wurde die Aquis Systems als separates Unternehmen ausgegliedert, das sich ursprünglich vor allem auf die Entwicklung und Herstellung von innovativen elektronischen Lösungen im Bereich der Sanitärtechnik konzentrierte. Viele berührungslose Wasserarmaturen in gewerblichöffentlichen Toiletten, die unter dem Namen von bekannten Unternehmen vermarktet werden, stammen aus dem Hause Aquis Systems. Als sogenannter OEM- (Original Equipment Manufacturer) Hersteller werden kundenspezifische Produkte mit und für diese Kunden an Standorten in der Schweiz, Österreich, Rumänien und China entwickelt und hergestellt. Das breite technologische Know-how wird inzwischen auch in anderen Anwendungsgebieten eingesetzt z. B. für Access Control, bei Heizungssystemen und neuerdings im Bereich «Conditioned Water»: Sogenannte Multifunktionsarmaturen ermöglichen, dass nicht nur normales Wasser fliesst, sondern auf Knopfdruck ausserdem kochend heisses, gekühltes oder bei Bedarf prickelndes Mineralwasser. Um diese Herausforderung zu bewältigen, bedarf es vielfältiger technischer Kompetenzen. Deshalb wurde kürzlich zur Verstärkung eine strategische Allianz mit einem holländischen Spezialisten im Bereich «kochendes Wasser» geschlossen: Aquis Systems übernimmt dessen bestehenden, erfolgreichen Geschäftsbereich und bindet diese Unternehmensgruppe in den Gesellschafterkreis mit ein. Gemeinsam will man im Bereich «Conditioned Water» ein führender Systemanbieter werden. Ein weiteres Unternehmen bietet moderne, ganzheitliche Ausrüstungen für sanitäre Einrichtungen im gewerblichen und öffentlichen Bereich. Dieses völlig eigen- und selbstständige Unternehmen mit Zentrale in Deutschland vermarktet seine Lösungen unter der Marke Conti+. Neben diesen Hauptunternehmen hält Andreas Wawrla mit seiner Holding- Gesellschaft Fortuna Group in verschiedenen anderen Bereichen noch weitere Beteiligungen.
Fokus auf Strategie und Start-ups
Andreas Wawrlas hatte immer das Ziel, Werte zu schaffen. In der Vergangenheit erfolgte das mehrheitlich durch seinen intensiven persönlichen Einsatz in den operativen Bereichen der Unternehmen. Inzwischen werden diese Aufgaben Schritt für Schritt an das Management übergeben, auch bei Aquis Systems, wo er derzeit noch CEO ist. In Zukunft will sich Wawrla vorwiegend den Aufgaben als Verwaltungsrat und strategischen Themen zur Weiterentwicklung der Unternehmensgruppe widmen. Parallel beschäftigt er sich mit Startups, um engagierte Jungunternehmer sowohl inhaltlich wie finanziell zu unterstützen. Alle Mitglieder der vierköpfigen Familie sind sehr aktiv. Seine Frau hat sich nicht nur der Kindererziehung gewidmet, sondern durch ihre Unterstützung im Finanz- und Personalbereich einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der Unternehmen geleistet. Beide Kinder haben inzwischen ihr ETHStudium erfolgreich abgeschlossen – die Tochter arbeitet als Architektin und der Sohn hat als Maschineningenieur mit Studienkollegen ein Start-up im Bereich Digitalisierung des Einkaufs gegründet.
Arbeit als Geschenk
Wenn man Andreas Wawrla fragt, warum er noch arbeitet, obwohl er doch gar nicht mehr müsste, so antwortet er lachend: «Arbeiten ist für mich keine Strafe – es hält den Geist aktiv und macht meistens Spass. Aber ich freue mich, wenn ich nach 25 Jahren die operativen Tätigkeiten noch stärker delegieren kann und neben strategischen Aufgaben etwas mehr Zeit habe, mit Familie und Freunden meine zahlreichen Hobbies, etwa unterschiedliche Sportarten und Reisen, auszuüben.» Als Resümee fasst Wawrla zusammen: «Ich bin sehr dankbar, dass sich die letzten 25 Jahre sowohl familiär als auch unternehmerisch so entwickelt haben. Ich hoffe, es gelingt mir auch zukünftig noch, wertvolle Beiträge in unterschiedlichen Bereichen zu leisten!»