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Sport
16.11.2020
17.11.2020 11:32 Uhr

Lautlos über den Wolken…

Der begeisterte Segelflieger Guido Halter vor seinem Fluggerät (Bilder: Ulrike Huber)
Der begeisterte Segelflieger Guido Halter vor seinem Fluggerät (Bilder: Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
Guido Halter (60) aus Marbach ist begeisterter Segelflieger. Im Interview mit rheintal24 erzählt er über sein Leben und die Faszination des lautlosen Fliegens.

In einem Hangar des Flugplatzes Altenrhein hat die Segelfluggruppe Säntis ihre Heimat gefunden. Bunt gemischt stehen und hängen Fluggeräte aus vielen Jahrzehnten in der Halle. Hier hat auch Guido Halter seine sportliche Heimat gefunden. Im Segelfliegen, in der Faszination des geräuschlosen Gleitens ohne die Last eines Motors. Wie kommt man eigentlich zu dieser sportlichen Beschäftigung?

«Ein Kollege eines Modellfliegerprojekts hat mich mitgenommen. Da war ich siebzehn Jahre alt, als ich angefangen habe, zu fliegen. Meine Mutter hatte zunächst damit keine Freude, hat sich gewehrt, war aber dann später doch meine erste Passagierin. Ich brauchte vier Jahre bis zum Brevet, was auch finanziell bedingt war. Dann verzögerten zunächst die Familie mit zwei Kindern und meine Ausbildung im Tech meine Segelflugaktivitäten. Aber ab 1987 durfte ich als Fluglehrer fungieren und ab den Neunzigern war ich dann regelmässig bei Wettbewerben dabei, wurde sogar einmal Schweizer Meister im Kunstflug und war langjähriges Mitglied der Nationalmannschaft. Ich bin dann auf Streckenflug umgestiegen. Und seit 2011 habe ich meinen eigenen Streckendoppelsitzer, mit dem ich schon an zwei Europameisterschaften und einer Weltmeisterschaft teilgenommen habe. Aber wenn man dort statt im Mittelfeld ganz vorne landen wollte, müsste man einen neuen Flieger kaufen.»

Im Hangar der Segelfluggruppe Säntis am Flugplatz Altenrhein sind Segelflugzeuge aus den Anfängen des Sports zu sehen. Bild: Ulrike Huber

Der Marbacher Segelflieger gibt als Juniorentrainer des Schweizer Segelflugverbandes sein Wissen und seine Erfahrung an die Nachwuchsflieger weiter. Wobei die Zahl der Jungpiloten derzeit stark abnehmend ist. Neben der Ausbildung, der Lehre, dem Ausgang mit den Kollegen und den ersten Liebschaften bleibt kaum mehr Platz für eine zeitintensive sportliche Beschäftigung.

«Das Durchschnittsalter in unserem Verein, der Segelfluggruppe Säntis, stieg bis in den Sommer langsam auf bedenklich hohe Zahlen. Wobei wir versuchen, mit Schnupperflügen und Tagen der Offenen Tür neue Interessenten zu erreichen. Für viele ein wenig abschreckend sind natürlich die hohen Kosten des Einstiegs in den Segelflugsport. Wobei die Höhe derselben natürlich vom Engagement abhängt. Wenn man fleissig ist, müssten eigentlich etwa 5´000 Franken pro Jahr für die Erlangung des Brevet reichen. Normal sind es aber zwischen 7´000 bis 10´000 Franken, da in längeren Pausen immer wieder früher Gelerntes verloren geht und wieder nachgeholt werden muss. Nach Erhalt des Brevets und bei Nutzung des Vereinsfliegers kommt man dann mit 3´000 bis 4´000 Franken aus. Und tatsächlich hatten wir im Herbst jetzt sechs neue junge Flugschülerinnen und Flugschüler, was unser Durchschnittsalter deutlich gesenkt hat.»

Guido Halter zu Beginn seiner Segelflugkarriere (Bild: zVg) Bild: zVg

Es muss ganz einfach wunderschön sein, die Freiheit am Himmel zu spüren, lautlos von der Luft getragen über die Landschaften zu gleiten, und ungestört von der am Boden herrschenden Unruhe und Alltagslärm die von Gott gegebene Zeit zu geniessen. Was macht für Guido Halter die Faszination dieses Sports aus?

«Beim Segelfliegen wird nichts zur Gewohnheit. Man muss jedes Mal die selbstgestellten Aufgaben erfüllen. Sieht jedes Mal schon wetterbedingt ein anderes Panorama. Der Reiz des Neuen ist immer da, auch die gleichen Strecken sind jedes Mal anders. Und man muss voll bei der Sache sein, sonst ist man schnell in der Wiese, anstatt das Zielflugfeld zu erreichen. Da kann man total vom Alltag abschalten. Am schönsten ist die Fliegerei ja bei uns in den Alpen mit dem gewaltigen Panorama und den vielen Felswänden, an denen man meist Aufwind findet. Aber ich fliege auch gerne im Schwäbischen, denn wenn es flach ist, braucht man eine ganz andere Flugtaktik.»

Die Segelflieger der am Flugplatz Altenrhein stationierten Segelfluggruppe Säntis wissen, dass es am einfachsten ist, rund um die Hohe Kugel ob Götzis die Höhe zu gewinnen, die das Segelflugzeug braucht, um sich in Richtung Arlberg auf den Weg zu machen. Oder auf der Schweizer Seite des Rheintals bei St. Anton, von wo aus es dann in die Schweizer Alpen geht.

«Dieses Frühjahr und im Frühsommer hatten wir das Problem, dass wir auch mit dem Flieger nicht über die Grenzen durften. Und die Innerschweiz ist schwierig zu befliegen, weil oft Flugräume gesperrt sind. Doch es gab dann entsprechende Freigaben und war wunderschön mit den vielen Seen, dem Pilatus, dem Blick über Luzern ins Mittelland und dem Aletschgletscher.»

Für die Segelflieger gibt es drei unterschiedliche Startarten. Da sind zum einen die Seilwinden, die aber beim Flugplatz Altenrhein gerade einmal für einen Kurzflug reichen, da wegen der Nähe zum See keine Thermik zu finden ist. Dann gibt es den Schleppflug, bei dem die motorlosen eleganten Leichtbauflieger von einem Motorflugzeug in die Höhe gezogen und an einem geeigneten Ort ausgeklinkt werden, um dann in der aufsteigenden warmen Luft selbst noch an Höhe zu gewinnen. Und immer mehr kommen selbststartende Segelflugzeuge auf, die mit einem kleinen Zweitaktmotor ausgestattet sind.

«Für den Wettbewerb verwendet man nach Möglichkeit motorlose Geräte. In der Regel ist man einem Wettflug zwischen vier und fünf Stunden unterwegs und muss eine vorher festgelegte Strecke fliegen. Da ist natürlich eine perfekte Wettervorhersage wichtig. Ich habe zwei Abos von Wetterdiensten, wenn beide aktuell dasselbe vorhersagen, dann ist es okay und verlässlich, sonst geht’s womöglich nicht gut. Aber bei schwierigen Bedingungen lernt man mehr.»

  • Für Aufnahmen für einen Dokumentarfilm flog Guido Halter über den Weiten Namibias (Bild: zVg) Bild: zVg
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  • Unterwegs zum Start: Guido Halter und seine Frau Susi (Bild: zVg) Bild: zVg
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  • Am Flugplatz Altenrhein ist die Segelfluggruppe Säntis stationiert (zVg) Bild: zVg
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  • Beeindruckende Landschaften in der Innerschweiz (Bild: zVg) Bild: zVg
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  • Guido Halter mit Gattin Susi vor ihrem gemeinsamen Flugzeug (Bild: zVg) Bild: zVg
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Zum Glück war Guido Halter noch nie in wirklich gefährlichen Situationen. Doch Aussenlandungen habe es schon eine Menge gegeben.

«Da ziehen sich Entwässerungsgräben durch die Felder, hat zu hohes Gras, da muss man einfach cool bleiben. Bei meiner ersten Schweizer Meisterschaft hat meine Frau einen Benzingutschein bekommen, da die meisten Kilometer auf den Tacho brachte, um mich von den Aussenlandungen einzusammeln.»

Guido Halter hat auch bereits mit dem bekannten Dokumentarfilmer Otto C. Honegger einen Film über das Segelfliegen gemacht: „Lautlos am Himmel“. Eine Doku, die auf einer Farm in Namibia entstanden ist, wo ein Kollege von Halter eingeladen hatte. Das war 1992 und die schönen Erlebnisse im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika sind ihm noch heute präsent.

«Aber ich habe auch neben der Segelfliegerei viele Leidenschaften und Hobbies. So war ich bis zur Fusion mit Rebstein Feuerwehrkommandant in Marbach, danach 16 Jahre Gemeinderat, habe lange mit dem Saxophon Musik gemacht und vor ein paar Jahren mit dem Modellflug angefangen. Ich wollte nicht auf mir sitzen lassen, dass einige Leute gesagt hatten, in diesem Alter lernst Du das nicht mehr. Das Modellfliegen ist über weite Strecken Gehirntraining. Aber zur Zeit führen meine beiden Modellhelikopter ein eher trauriges Dasein.»

Der begeisterte Segelflieger ist seit 27 Jahren als IT-Fachmann in einem Unternehmen, das Prozessleit- und Steuerungssysteme für Wasserversorgungen herstellt, beschäftigt. Zur Familie gehören zwei erwachsene Kinder und seine Gattin Susi, die er anlässlich eines Unterhaltungsabends kennengelernt hat.

«Ich weiss nicht mehr, war es bei den Turnern oder der Musik. Aber es war in Oberriet. Und ich hatte nur Augen für sie gehabt. Wie auch jetzt noch.»

gmh/uh
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