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Region Rheintal
24.10.2025
24.10.2025 14:50 Uhr

Mike Egger: «Kopftuch ist Ausdruck von elterlichem Zwang»

Bild: KI
Der Bernecker SVP-Nationalrat möchte die Prüfung eines Kopftuchverbots in der Schweiz anregen. Ursache dafür sind unter anderem Bilder von Kindern mit Kopftuch. Der Islamische Dachverband hält dagegen – die Bilder seien veraltet. Ein Überblick.

Vor Kurzem machten auf Facebook Bilder von Kindern und Jugendlichen die Runde, die bereits in jungem Alter ein Kopftuch tragen. Die aus Wil stammenden und wohl fast ein Jahrzehnt alten Aufnahmen, über die zuerst der «Tages-Anzeiger» berichtete, sorgen in der Politik für Wirbel.

Im Zentrum steht die muslimische Gemeinschaft. Diese stellte auf «TVO» klar, dass die betroffenen Frauen im Alltag kein Kopftuch tragen. Zudem seien die Bilder alt. Und dennoch werden sie nun zum Streitpunkt in der Politik.

Der Bernecker SVP-Nationalrat Mike Egger will ein Kopftuchverbot prüfen und wird voraussichtlich auf die Wintersession hin eine entsprechende Interpellation einreichen. Im Interview mit Rheintal24 erklärt er, warum.

Online-Radikalisierung: «Besorgniserregend»

Angesprochen auf die Facebook-Bilder von kleinen Kindern mit Kopftuch hat Egger eine klare Meinung: «Kinder sollen frei und unbeschwert aufwachsen, ohne sozialen Druck und ohne eine frühe Ideologisierung. Das Kopftuch erscheint mir gerade bei Minderjährigen als Ausdruck von elterlichem oder gruppendynamischem Zwang und widerspricht unserem Verständnis von Kinderschutz und Gleichberechtigung.»

Daher sei ein entsprechendes Verbot gerade bei Minderjährigen prüfenswert.

Die Interpellation sei ein erster Schritt in die gewünschte Richtung. Doch die Thematik sei komplex und vor allem ein gesellschaftlicher Streitpunkt. «Denn eine Mehrheit der Muslime in der Schweiz verhält sich gesetzestreu und ist gut integriert», so Egger.

Gerade diese Personen sollen gestärkt werden. «Unser Auftrag ist daher doppelt: Radikalisierung eindämmen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt schützen.»

Zudem würden die Behörden auch vor einer sogenannten Online-Radikalisierung warnen, die vor allem Kinder und Jugendliche anspreche. «Das macht mich wachsam, und wir müssen uns die Frage stellen, welche Werte wir in der Schweiz wollen.» Laut dem NDB sei die Terrorbedrohung erhöht und die Online-Radikalisierung besorgniserregend.

«Gleichstellung ist nicht verhandelbar»

Der Islam und die Schweiz – ein altbekanntes Thema. Laut dem Politiker entwickelt sich der Islam heterogen, allerdings würden gewisse Teilbereiche immer konservativer und durch internationale Konflikte verstärkt werden.

Dies zeigten beispielsweise die Ausschreitungen an der anitsemitischen Demo in Bern. «Für mich ist das ein absolutes No-Go! Auch Sicherheitsberichte verweisen besonders auf die Dynamiken im jihadistischen Spektrum.»

Als Reaktion prüft Egger derzeit eine Interpellation an den Bundesrat. Schon zuvor angetönt, geht es auch um Integration. «Das wird Debatten rund um Werte und Integrationspolitik geben. In einer Demokratie ist das wichtig. Allerdings sind Kinderschutz und die Gleichstellung zwischen Mann und Frau nicht verhandelbar.»

Mike Egger Bild: who-s-who.ch

DIGO lehnt Interpellation ab

Auf der anderen Seite steht der DIGO, der Dachverband Islamischer Gemeinden Ostschweiz. Präsident Yakup Gürgün hat eine klare Meinung zu den Plänen von Egger: «Als Vertreter der muslimischen Gemeinden lehnen wir eine Interpellation gegen das Kopftuch entschieden ab. Ein generelles Verbot greift in die Freiheitsrechte ein, stigmatisiert Bevölkerungsgruppen und adressiert nicht die tatsächlichen Ursachen von Radikalisierung.»

Diese seien etwa Perspektivlosigkeit und soziale Ausgrenzung. «Politische Debatten müssen sich an Gefährdungen orientieren, nicht an Kleidungsstücken.» Die Bilder auf Facebook seien fast ein Jahrzehnt alt und sollten nicht als Narrativ für angebliche Massenphänomene oder Radikalisierung herhalten.

«In der konkreten Debatte rund um die Wiler Moschee weisen die Verantwortlichen darauf hin, dass die Mädchen im Alltag und in der Schule meistens kein Kopftuch tragen. Solche selektiven Darstellungen schaden dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.»

Erhöhte Diskriminierung und Stigmatisierung

Was wäre, wenn in der Schweiz ein Kopftuchverbot eingeführt würde? «Das hätte negative Folgen: Ausgrenzung in Schule und Beruf, Einschränkung der Teilhabe am öffentlichen Leben, erhöhte Diskriminierung und Stigmatisierung. Integration und Chancengleichheit würden untergraben.»

Auch die rechtliche Unsicherheit wäre gross. «Wer würde über Ausnahmen entscheiden und wie würde kontrolliert werden?»

Während Kritiker behaupten, dass das Kopftuch Symbol der Unterdrückung sei, sieht es der DIGO anders: «Diese Sicht übersieht die Autonomie vieler Frauen, die das Kopftuch aus Überzeugung tragen. Ein Verbot, das zum Schutz führen soll, widerspricht dem Selbstbestimmungsprinzip.»

Yakup Gürgün Bild: zVg

Prävention im Zentrum

Muslimische Familien würden auf ein mögliches Verbot belastet reagieren. «Wenn Kinder abgewertet oder angegriffen werden, belastet das viele Familien. Das erzeugt Unsicherheit und Angst. Es gibt sowohl Druck von aussen – Stigmatisierung, negative Medienberichte – als auch in einzelnen Fällen innerfamiliären Druck; Letzteres ist aber nicht das allgemeine Bild. Gemeinden, Schulen und Beratungsstellen versuchen, Familien zu unterstützen – durch Aufklärung, Dialogangebote und Rechtsberatung, wenn nötig.»

Auch der DIGO selbst sorgt für Aufklärung und Hilfe: «Beispielsweise mit Jugendarbeit, Werte- und Demokratielernen, Zusammenarbeit mit Schulen und Behörden, Angeboten zur Medienkompetenz gegen Online-Propaganda, interreligiösem Dialog sowie gezielten Projekten zur sozialen Integration und Berufsperspektiven.»

Noch ist nicht bekannt, wie es weitergeht. Mike Egger möchte seine Interpellation wohl auf die Wintersession einbringen. Rheintal24 bleibt dran.

Fabian Alexander Meyer