Bringen wir die langweilige Statistik gleich hinter uns. Knapp 1400 Vereine mit rund 15'000 Teams und über 270'000 lizenzierten Spielern: Das ist die Fussball-Schweiz. Dazu kommen die inoffiziellen Zahlen. Wir haben beispielsweise weit über eine Million inoffizielle Trainer der Fussball-Nati, die vom Sofa aus bei Bier und Chips sagen, wie die Aufstellung aussehen müsste und warum die Strategie völlig falsch gewählt ist. Und ich habe kürzlich einem Kind dessen verirrten Ball zurückgekickt, der mir beim Quartierspaziergang vor die Füsse gerollt war. Eine Lizenz habe ich danach aber leider nicht erhalten.
Auch im Rheintal ist der Fussball ein zentrales Thema. Derzeit geben allerdings weniger die Leistungen auf dem Feld zu reden als vielmehr die Begleiterscheinungen. Es mag Leute geben, die sich darüber aufregen, was da alles läuft. Ich hingegen finde es schlicht grossartig.
Ausraster gehören zum Fussball
Mal ehrlich: Würde Fussball einzig aus 22 Männern bestehen, die sich um einen Ball balgen, wäre die Luft bei der Faszination irgendwann raus. Meine Kinder kennen Zinedine Zidane nur deshalb, weil er mal die Bauchgegend eines Gegenspielers mit einer Kopfballgelegenheit verwechselt hat. Schlagzeilen, die ewig dauern, macht man nicht mit Spielzügen, sondern mit Ausrastern. Dauernd heisst es, Fussball lebe von Emotionen. Lässt ihnen dann mal einer freien Lauf, sind alle entsetzt.
Wenn ein Funktionär beim FC Au-Berneck findet, ein zusätzlicher Ball auf dem Platz könnte die Partie interessanter machen, finde ich das deshalb ziemlich unterhaltsam. Es ist natürlich nicht die feine englische Art, den Konter des Gegners auf diese Weise zu stören, aber der Mann konnte vermutlich gar nicht anders. Wenn man Fussball liebt, dann aber aufgrund eines zu hohen Alters oder eines zu geringen Talents zu Adminstrativarbeiten verdonnert wird, juckt es früher oder später eben einfach in den Füssen. Wir wissen alle, dass Männer gelegentlich nicht mit dem Kopf denken, sondern mit… eben, mit den Füssen, was haben Sie denn bitte gedacht?
Nun steht Au-Berneck nach dieser Affäre schon wieder im Zentrum eines weiteren Skandälchens. Es geht um einen Verteidiger, der den Schiedsrichter angespuckt haben soll. Wirklich wissen tut man das nicht, weil handfeste Belege fehlen. Bei Alex Frei hatte man seinerzeit wenigstens einen unmissverständlichen Videobeweis. Aber wenn Au-Berneck spielt, existieren nicht mal verwackelte Handyaufnahmen eines Fans.
Gespuckt wird dauernd
Die Sache hat nun ziemlich massive Konsequenzen. Der bewusste Spieler von Au-Berneck darf bis zum 22. August 2024 nicht mehr mitmachen. Eine Sperre von einem Jahr für etwas Körperflüssigkeit, die im falschen Moment abgesondert wurde: Das ist hart. Und der Schweizerische Fussballverband, der so entschieden hat, wird bald vor Problemen stehen. Wenn das hier schon so bestraft wird, was macht man dann bitte mit Juniorenspielern und deren Eltern, die in gewissen urbanen Agglomerationen fast schon traditionell mitten während der Partie mit Fäusten aufeinander losgehen – und das auch nur, weil die Eisenstangen im Stadion fest montiert sind?
Ich finde, der Spuck-Fall gehört juristisch aufgearbeitet und bis vors Bundesgericht weitergezogen. Dieses müsste dann endlich mal grundsätzliche Fragen klären. Zum einen, ob der bewusste Verteidiger vielleicht einfach nur das gepflegte Gespräch mit dem Spielleiter suchen wollte, aber bedauerlicherweise eine etwas feuchte Aussprache hat. Das gibt es, ich hatte eine Tante mit diesem Problem. Die brauchte dafür nicht mal einen Fussballplatz, sie hat es auch an einem Kindergeburtstag geschafft, uns allen eine Munddusche zu verpassen.
Hinterfragen könnte man vor Gericht auch, ob Spucken auf dem Fussballplatz überhaupt in irgendeiner Weise ein Delikt sein kann. Wenn ich mal versehentlich ein Spiel sehe – meist, weil man in einer Beiz ungefragt einen Bildschirm in meine Blickrichtung montiert hat – sehe ich neben etwas Gekicke nämlich vorwiegend das: Gespucke. Ich verstehe das auch. Würde ich in 90 Minuten zehn oder mehr Kilometer rennend absolvieren, müsste ich auch überschüssiges Mundwasser loswerden. Bei mir käme vermutlich sogar noch die halbe Lunge mit.
Ein Strafverteidiger, der sein Geld wert ist, würde deshalb erfolgreich argumentieren, dass Spucken zur DNA des Fussballs gehört, und sich der Schiedsrichter ja nicht direkt in die Spuckrichtung stellen muss. Das Feld ist wirklich gross genug, um auszuweichen. Bis es so weit ist, schaue ich nun erst mal eine Runde Frauenfussball. Ich will wissen, ob dort auch gespuckt wird. Wenn nicht, ist der Beweis erbracht: Mit Fussball hat das nichts zu tun.