Und wieder ist das Festival «Kulturbrugg», das alljährlich im Kinotheater Madlen über die Bühne geht, Geschichte. «Wir hatten wieder zehn spannende und vielfältige Tage voller Comedy, Konzerte, Vortrag und heute noch etwas ganz anderes, nämlich ein Tanztheater», resümierte Denise Zellweger, Geschäftsführerin des Madlen, eingangs der Vorstellung der Theatertruppe «Rigolo».
Poetischer Abschluss von «Kulturbrugg» - ein Golem und das Tanztheater
Sanddorn-Balance
Dieses Theater kann auf eine mehr als vierzigijährige Geschichte zurückblicken und wurde durch die Performance «Sanddorn-Balance» weltbekannt. Bei der am Schluss dreizehn grosse Palmblätter scheinbar schwerelos wie ein gigantisches Mobile auf der Bühne schweben. So wie erstmals 1996, als Theatergründer Mädir Eugster die Balance zum ersten Mal vorgeführt hat.
Diese Sanddorn-Balance wurde zum weltweiten Exportartikel und ist nach wie vor bei Galas, in Shows, bei privaten und öffentlichen Auftritten gefragt. Gleichzeitig wurden damit diese Palmblätter zur Cash-Cow für «Rigolo» und ermöglichten die Entwicklung neuer Bühnenproduktionen. Wie das Stück «Ithir», das Rigolo am Samstag in Heerbrugg zur Aufführung brachte.
Unendlichkeit des Universums
«Ithir» erzählt in vier Kapiteln szenischer Darstellung von der Unendlichkeit des Universums, von Werden und Vergehen und vom ewigen Kreislauf der Natur. «Zwei Tänzerinnen und ein Kontrabassist spielen, tanzen, performen ohne Scheu vor Tonerde in allen Konsistenzen, triefend nass bis hart wie Stein. Ein statisches Bühnenbild erwacht zum Leben, verschmilzt mit der Bewegung der Tänzerinnen und den archaischen Klängen der Musik und verändert sich zum grossen lehmigen Schauplatz. ITHIR bringt auf eindrückliche Weise die Lebenszyklen zurück in unser Bewusstsein und die Erkenntnis: Wir Menschen sind Teil der Natur.» So stehts auf der Homepage von Rigolo.
Video: Ulrike Huber
Und so war es auch live und in Farbe. Eine poetische, experimentelle Vorführung. Rhythmische langsame Bewegungen, die grosses artistisches Können erfordern. Oft mehr Bodengymnastik als Tanz. Ein Bühnenbild, das an historische Kultstätten erinnert. Und Lehm als zentrales Thema. Lehm, aus dem Gott den Menschen erschaffen, aus dem der Mensch dann den Golem erschaffen hat. Jene Figur aus der jüdischen Literatur und Mystik. Ein stummes, menschenähnliches Wesen, das oft gewaltige Grösse und Kraft besitzt und Aufträge ausführen kann.
Werden und Vergehen
Mit der von den beiden Tänzerinnen zum Leben erweckten Riesenpuppe «Ithir» wird dieser Golem auf die Bühne gebracht. Ist hier aber, anders als in der Mystik, kein seinem Schöpfer unterworfenes Wesen ohne freien Willen, sondern symbolisiert die Natur, die in ihrem Werden und Vergehen den Menschen beherrscht. Und nicht umgekehrt. Rigolo liefert eine grossartige, eindrückliche Bühnenperformance. Ein würdiger Abschluss des Kulturbrugg-Festivals, das sich mehr Zuschauer verdient hätte.