Marc Reinhardt, Sie hatten Ihren neuen Job noch nicht einmal zwei Jahre und standen wegen der Corona-Pandemie plötzlich vor der vermutlich grössten Herausforderung Ihrer beruflichen Karriere. Wie war das damals für Sie?
Wir waren im März 2020 auf Tournee durch die USA, als uns die Pandemie erreichte. Täglich haben wir die Situation beurteilt. Als dann die USA die Grenzen schlossen, mussten wir eine Woche früher abbrechen. Da auch die Swiss nicht mehr in die USA fliegen konnte, musste ich die Truppe von einem Tag auf den andern auf eine amerikanische Airline umbuchen, damit wir umgehend in die Schweiz fliegen konnten. Unser Material kam erst zwei Monate später nach, da Frachtkapazitäten rar und teuer waren.
Und wie ging es weiter?
Von da an wurden sämtliche Auslandtourneen im Wochentakt abgesagt. Eine grosse Italien-Tournee, das Gastspiel in München, auf das wir Jahre hingearbeitet haben, um einen Slot zu bekommen, Auftritte in verschiedenen Städten in Deutschland und Frankreich, Corporate-Events in der Schweiz, eine Teilnahme in einer Netflix-Serie und, ganz traurig, eine mehrmonatige Tournee in China. Obwohl man in unserem Geschäft immer wieder mit Absagen rechnen muss, war die Häufung schrecklich. Damals dachte ich noch: Wenn wir im Dezember 2021 unsere 50-Jahre-Tournee starten, dann wird das alles vorbei sein …
Sämtliche Aktivitäten von Mummenschanz werden von der gleichnamigen Stiftung getragen. Wie gesund waren die Finanzen vor Corona und wie stark hat die Pandemie der Theatergruppe zugesetzt?
Mummenschanz hat finanziell gesehen wilde Zeiten erlebt. Zu Beginn hat man mit den Kollekten und Huteinnahmen von der Hand in den Mund gelebt. Später, als sich in den späten 1970ern der Erfolg einstellte, konnte man auch Geld verdienen. Aber es gab dann auch eine Zeit, wo viel Geld wieder verloren ging, weil man die Company zu wenig nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien geführt hat. Mummenschanz war damals in den roten Zahlen? Ja, in tiefroten. Mein Vorgänger hat die Company mit hohen Schulden übernommen und dann in acht Jahren dank einer klaren Finanzplanung, einem strikten Kostenmanagement und betriebswirtschaftlichen Strukturen wieder auf finanziell solide Beine gestellt. Ich durfte vor knapp vier Jahren ein – für den kulturellen Bereich – gesundes Unternehmen übernehmen. Als die Pandemie losging, war für uns alle, vor allem in der Kultur, nicht klar, wie wir das überstehen werden.