Etwa 170 Rheintaler Unternehmer waren der Einladung des Arbeitgeberverbandes Rheintal zum «44. AGV-Lohntalk» gefolgt. Letztes Jahr wurde diese traditionsreiche Veranstaltung, in der Experten aus den verschiedenen Branchen die zu erwartende Lohnentwicklung nachzeichnen, auf digitalem Weg durchgeführt. Jetzt war wieder «volles Haus» im Widnauer Metropol angesagt. Womit der Lohntalk spätestens beim Apéro wieder einer seiner wichtigsten Bestimmungen gerecht wurde.
Lohntalk bei guten konjunkturellen Daten
Persönliche Gespräche geführt und Netzwerke geknüpft
Denn es konnten wieder persönliche Gespräche geführt und Netzwerke geknüpft werden. Dabei wurden natürlich auch die Vorträge und Meinungen der Referenten an diesem Anlass besprochen. So die vermeintlich «verrückte» Idee, die Manuel Sieber, Chef bei MM motion pictures GmbH für sich und seine sieben Mitarbeiter in die Tat umgesetzt hat: gleicher Lohn für alle. Bei ihm ein Erfolgsmodell, um Motivation und Kreativität aller Mitarbeiter zu stärken und alle am selben Strang ziehen zu lassen.
Eingangs der Veranstaltung referierte nach der Begrüssung durch AGV-Präsidentin Brigitte Lüchinger der Chefökonom des IHK St.Gallen-Appenzell Alessandro Sgro seinen Konjunkturbericht für die Ostschweiz. «Die derzeit aktuellen Lieferverzögerungen bremsen die Konjunktur!» Was einfach zu erklären sei. Denn nach dem totalen wirtschaftlichen Einbruch infolge der beginnenden Coronapandemie ab März 2020, als man glaubte, dass die Welt unabdingbar in eine schwere Rezension rutsche, waren zu Beginn 2021 wieder Höchstwerte zu verzeichnen. Ein Boom, mit dem die internationale Logistik einfach nicht Schritt halten konnte. Was zu Unterbrechungen der Lieferketten führte.
Kennzahlen zeigen nach oben
Doch sämtliche Kennzahlen zeigen derzeit nach oben. Die Bautätigkeit im Kanton habe laufend zugenommen, erläuterte Alessandro Sgro, die Produktionskapazitäten wiesen den höchsten Auslastungsgrad seit 2000 auf, die Im- und Exporte bewegen sich auf starkem Niveau, es herrsche beinahe Vollbeschäftigung. Und das Stimmungsbarometer der Wirtschaftstreibenden sei hoch und weise auf ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum hin.
Wie es auf dieser Grundlage in den einzelnen Branchen bei der Lohnentwicklung aussieht? Das erklärten Experten aus diesen Branchen. So etwa Christoph Bosshard, CEO bei Oertli Instrumente AG, einem der weltweiten Marktführer bei der Entwicklung und Herstellung von Instrumenten und Apparaten für die Augenchirurgie. Der für den Bereich Industrie sprach. Ein Lohn müsse ganz einfach fair sein. «Kein Mitarbeiter soll Oertli wegen des Lohns verlassen. Aber auch kein Mitarbeiter soll nur wegen des Lohns bei Oertli bleiben!» Bosshard rechnet für die Industrie mit durchschnittlichen Lohnerhöhungen von einem Prozent.
Im Bau keine Lohnerhöhung drin
Für die Baubranche gab Tina Gautschi ihre Schätzungen über die Lohnentwicklung ab. «Unser Ziel ist es, die Arbeitsplätze zu erhalten. Angesichts des Preis- und Konkurrenzdrucks und angesichts der langen Lieferfristen, der Verteuerung der Rohstoffe am Bau, dem Rückgang der Auftragslage gegenüber 2019 in Höhe von minus 34,5 Prozent, und nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass wir ohnehin schon mit negativen Margen kalkulieren, ist realistisch gesehen beim Bau keine Lohnerhöhung drin. Im Übrigen haben auch UNIA und der Bauindustrieverband bei den Lohnverhandlungen noch keine Einigung gefunden.»
Norbert Lüchinger, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei der Raiffeisenbank Oberes Rheintal, durfte von guten Ergebnissen der Raiffeisenbanken berichten. Trotz der Probleme mit den ständigen regulatorischen Änderungen und Verschärfungen und der Tatsache, dass sich die Zinsmarge inzwischen auf unter einem Prozent befindet, wird es daher individuelle Lohnerhöhungen zwischen 0,6 und 1,5 Prozent geben. Generell tippt er für den Dienstleistungssektor auf ein Plus von einem Prozent.
Erfreuliches bei Kurzarbeit und Arbeitsmarkt
Aus St.Gallen war Karin Jung angereist, die Leiterin des Amtes für Arbeit und Wirtschaft, dem die Arbeitslosenversicherung, die RAV´s und die Bearbeitung und das Handling der Kurzarbeitsanträge zugehören. Sie durfte Erfreuliches berichten. Denn Zahl der Voranmeldung von Kurzarbeitsplätzen war von nur 533 vor der Pandemie in 2020 auf 104´438 hochgeschnellt und beträgt aktuell noch 19´249.
Auch die Arbeitslosenquote ist erfreulicherweise mit 2,2 Prozent im Rheintal und 2,0 % Prozent im Kanton St.Gallen niedriger als jene der gesamten Schweiz mit 2,5 Prozent. Für den öffentlichen Dienst prophezeit Karin Jung aufgrund der bereits vorliegenden Budgetentwürfe individuelle Erhöhungen von 0,4 Prozent und ausserordentliche Leistungsprämien von 0,2 Prozent.
Anschliessend an ein Impulsreferat von Manuel Sieber zum Thema «Leistungspotentail der Generationen» tauschten sich in einer Podiumsdiskussion, die von Gregor Loser geleitet wurde, Susanna Peng von hepro production AG in Berneck, Christoph Frommelt von Frommelt Zimmerei und Holzbau AG in Schaan und Christoph Bosshard zu diesem Thema aus.
Besser als ihr Ruf
Das Ergebnis der Runde? Die Generation Z, die Jahrgänge ab 1995 bis 2009, die sozusagen online aufgewachsen sind, darauf getrimmt sind, ständig erreichbar zu sein und ständig Feedback zu geben, die am liebsten ganz unverbindlich bleiben, emotional wenig belastbar seien und für die bei Umfragen Freude und Spass das Wichtigste am Leben sind, ist besser als ihr Ruf.
Kennzeichnend das Statement von Christoph Bosshard: «Das nehme ich so in unserem Unternehmen gar nicht wahr, da gehören die Jungen eher zu den Treibern und halten sehr wohl Belastungen aus.» Auch Chistoph Frommelt stiess ins selbe Horn: «Man muss jeden jungen Mitarbeiter individuell betrachten und einfach Vorbild sein.» Und Manuel Sieber schlug vor, die angeblichen Schwächen umzudrehen und aus einer Mentoring-Position heraus in Stärken zu verwandeln.