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08.08.2021

242 Jahre Braukunst in St.Gallen

Bild: LEADER - das Unternehmermagazin
Zum «Internationalen Tag des Bieres» skizziert rheintal24 die Geschichte der ältesten Brauerei der Schweiz nach – die Brauerei Schützengarten in St.Gallen, gegründet 1779.

Fast hätten wir es verpasst: Der Internationale Tag des Bieres (engl. International Beer Day) findet jährlich am ersten Freitag im August statt. An diesem Tag wird weltweit das Getränk Bier gefeiert und getrunken. Eine Würdigung des edlen Gerstensaftes mit zwei Tagen Verspätung.

1779, als die Brauerei Schützengarten gegründet wurde, zählte die Stadt St.Gallen etwa 8'000 Einwohner (also etwa ein Zehntel von heute). In diesem St.Gallen stand auf dem Areal der heutigen Brauerei Schützengarten der Schiessstand der «Schützengesellschaft vor dem Platzthor».

Laut Kaufbrief kaufte der St.Galler Bürger Johann Ulrich Tobler diese Liegenschaft am 23. August 1779 und richtete in der zum Schiessstand gehörenden Wirtschaft eine Brauerei ein. Damit war der Grundstein zur Brauerei Schützengarten gelegt – und der Name erklärt.

Bier überholt Wein

«Im Schützengarten» wurden bald einmal 450 Hektoliter Bier pro Jahr gebraut. Dies reichte der jungen Brauerei zu Platz zwei unter den vier Brauereien, die es in der Gallusstadt damals gab. 50 Jahre nach der Gründung kaufte der damals erst 23-jährige Wirt und Bierbrauer David Billwiller die Brauerei und übergab sie wiederum 50 Jahre später, 1878, seinem Sohn Arnold. Diese zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war für die Entwicklung des Biers sehr wichtig. Bis dahin war nämlich Wein das meistgetrunkene alkoholische Getränk. Bierbrauen war aufwendiger als die Weinproduktion, und so war Bier damals teurer als Wein.

Doch den Bierbrauern kam die Natur zu Hilfe: Nach 1860 gab es eine Reihe von schlechten Traubenernten und damit nur noch wenig geniessbaren Wein. Auf der anderen Seite stieg die Qualität der Biere, da es nun schon die ersten Brauerschulen gab. Das Bier wurde günstiger und bald zum Getränk Nummer eins. Es gab einen eigentlichen Brauerei-Boom: Um 1900 gab es in der Schweiz 600 Brauereien, allein in St.Gallen acht! Als Arnold Billwiller die Brauerei 1879 übernahm, produzierte Schützengarten 7'000 Hektoliter jährlich.

Erste Kältemaschine mit eigener Elektrizität

Kaum war die Kältemaschine erfunden, installierte Billwiller eine in seiner Brauerei; ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz, indem er unabhängig vom Natureis das ganze Jahr über brauen konnte. Damit er über genügend elektrische Energie verfügte, errichtete Billwiller 1895 an der Sitter in Wittenbach eines der ersten Wasserkraftwerke im Kanton St.Gallen. Dieses produziert heute etwa drei Millionen Kilowattstunden sauberen Strom pro Jahr – rund das Doppelte des Verbrauchs der Brauerei.

Aber auch soziale Anliegen waren Arnold Billwiller wichtig. So errichtete er für seine Mitarbeitenden eine Personalvorsorgestiftung, als dies noch alles andere als üblich war. Zudem gründete er die Arnold-Billwiller-Stiftung, die noch heute kulturelle, soziale und wissenschaftliche Projekte unterstützt. 1926, zwei Jahre vor seinem Ableben, wandelte Billwiller sein Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um.

Bild: LEADER - das Unternehmermagazin

Weltkriege stoppen Bierboom

Der Brauerei-Boom wurde durch den 1. Weltkrieg brutal gestoppt. Der Bierkonsum sank in der Schweiz auf einen Fünftel, und von den um 1900 gezählten rund 600 Brauereien waren 30 Jahre später bloss noch 60 übrig. Der 2. Weltkrieg senkte den Bierkonsum erneut. Nach 1945 ging es mit dem Bierkonsum in der Schweiz aber rasch wieder aufwärts: Das Maximum wurde 1970 mit einem Pro-Kopf-Konsum von 77 Litern erreicht.

In der Nachkriegszeit erholten sich die Schweizer Brauereien rasch. Fast allen ging es wirtschaftlich hervorragend: Die Preise waren in einem Kartell fixiert und die Verkaufsaufwendungen gering, da sich die Brauereien ihre Kunden gegenseitig nicht streitig machten. Auch über Produktentwicklungen mussten sich die Bierbrauer nicht viel Gedanken machen: Es gab nur einfache Lager- und Spezialbiere in den Varianten Hell und Dunkel und meistens noch ein Starkbier. Schützengarten nutzte das wirtschaftliche Hoch, um das Unternehmen durch Investitionen in die Brauerei und in diverse Liegenschaften auf solide technische und finanzielle Grundlagen zu stellen.

Nach 1970 liess der Bierdurst in der Schweiz nach. Durch den abnehmenden Bierkonsum verlor mancher Brauer den Mut, sodass sich die Zahl der Brauereien in der Schweiz innert nur zwölf Jahren fast halbierte. Dennoch wuchsen die Überkapazitäten und führten damit zum Ende des Bierkartells 1991.

Spezialisierung und Modernisierung

Während andere Brauereien den Weg ins Massengeschäft gesucht haben, haben sich die Brauer im Schützengarten seit dem Ende des Kartells der Pflege der Bierqualität und der Herstellung von Spezialbieren verschrieben. Jahr für Jahr präsentiert Schützengarten Bier-Neuheiten – darunter mit dem Weissen Engel ein mehrfach prämiertes Hefeweizenbier, mit dem naturtrüben Klosterbräu sogar das weltbeste Amber-Bier des Jahres 2017. Mit Gallus 612, India Pale Ale, Swiss Stout und Vadian Pale Ale hat die Brauerei in den letzten Jahren ihr Sortiment um vier neue Craft-Biere erweitert. Mit dem Jubiläumsbier Sud 1779 wird das Kleeblatt zum Craft-Bier-Quintett erweitert.

Als Grundlage für ihre Qualitätsphilosophie investierte Schützengarten Jahr für Jahr in die Erneuerung der Anlagen. Die FSSC-zertifizierte Brauerei verfügt so über eine der modernsten Produktions- und Abfüllanlagen Europas.

Dieser Text erschien erstmals in der LEADER-Sonderausgabe zum 240-Jahre-Jubiläum der Brauerei Schützengarten. Sie finden die Ausgabe hier.

Bild: LEADER - das Unternehmermagazin

Buchtipp

«Bier in St.Gallen. 1250 Jahre St.Galler Brautradition – Von der Klosterbrauerei zum ‚Schützengarten’» von Theo Buff, Lorenz Hollenstein und Ernst Ziegler. Herausgegeben von der Brauerei Schützengarten AG im Sabon-Verlag St.Gallen 2004. ISBN 5-907928-45-8

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