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Altstätten
12.07.2021
13.07.2021 09:22 Uhr

Gartenvielfalt inmitten einer Industrie

Bild: Angelina Schwinger
Im NaNuGarten Eisch im Industriegebiet von Altstätten entsteht biodiverse Vielfalt. Auf einer Fläche von 2500m2 wird Gemüse und vieles mehr angepflanzt. Das Gemüse wird lokal im Personalrestaurant der Firma Zünd Systemtechnik AG verarbeitet. Eveline Dudda, Gartenbuchautorin und Gemüsegärtnerin im NaNu Garten, im Interview.

Wofür steht NaNu-Garten?

Eveline Dudda: NaNu steht für Natur- und Nutzgarten. Bei uns arbeiten diese zwei Bereiche in einer Symbiose zusammen. Meist ist ein Naturgarten ein kleiner Teil am Rande eines Nutzgartens. Bei uns aber hat der Naturgarten sogar ein wenig mehr Fläche als der Nutzgarten.

Was bringt ein Naturgarten direkt neben einem Nutzgarten?

Dudda: Je grösser die Artenvielfalt ist, desto mehr können die Nützlinge die Schädlinge eindämmen. Dafür brauchen die Nützlinge aber Lebensraum, und dieser wird Ihnen in dem vielfältigen Naturgarten gegeben.

Im Herbst 2019 wurde das Projekt gestartet. Läuft die Entwicklung nach Ihren Vorstellungen?

Dudda: Im Nutzgarten sind wir auf Kurs und produzieren gutes und gesundes Gemüse. Im Naturgarten braucht es sicher noch etwa zwei Jahre, bis das Gelände so aussieht und funktioniert, wie ich es mir vorstelle. Aber einen Perfekt-Zustand werden wir wohl nie haben. Stetiger Wandel ist vielfältig.

Wer war bei der Gründung federführend?

Dudda: Das Land ist eine Baulandreserve. Karl Zünd, der Gründer der Firma, hatte die Idee und holte dann die passenden Personen ins Boot. So bin ich als Gemüsegärtnerin dazugekommen.

Lohnt sich das Modell NaNuGarten zum Nachahmen?

Dudda: Auf jeden Fall! Allerdings kann keine Ausgabe/Einnahme- Rechnung gemacht werden. Wir haben als Nutzgarten eigentlich keine Einnahmen, da unser Gemüse ja direkt in das eigene Personalrestaurant von Zünd fliesst.

Eine ideale Situation. Stimmt die Menge immer, respektive gibt es nie Überschüsse?

Dudda: Bis jetzt sind Überschüsse selten. Wir haben dafür jedoch auch schon eine super Lösung gefunden. Beim Salatüberschuss des letzten Monats haben wir den gewaschenen Salat in einzelne Portionen abgepackt und in der Mitarbeiterküche (wo sich die Mitarbeiter ihr eigenes Essen wärmen können) verteilt. So kam das Gemüse wieder an die Mitarbeiter von Zünd, einfach nicht über das Personalrestaurant.

Wie ist der NaNuGarten organisiert?

Dudda: Es stehen eigentlich zwei Organisationen dahinter. Der Naturgarten wird vom Verein Naturgarten Eisch getragen und gepflegt. Der Nutzgarten wird von der Zünd Systemtechnik finanziert. Die Zusammenarbeit zwischen uns ist gut. Im Weiteren sind auch die Mitarbeiter der Firma Zünd sehr hilfsbereit und nehmen mal eine Gartenschaufel in die Hand. 

Bild: Angelina Schwinger

Kann jeder Mitglied im Verein Naturgarten Eisch werden?

Dudda: Ja, jeder kann Mitglied werden. Der Jahresbeitrag beträgt 40 Franken. Zudem hat man die Möglichkeit, kostenlos einen Mikropflanzplatz zu bewirtschaften. Die einzige Bedingung ist: der Anbau der Kulturen muss biologisch sein. Es dürfen keine Spritz- oder Pflanzenschutzmittel verwendet werden. 

Welches sind die Herausforderungen, wenn gar keine Spritz- und Pflanzenschutzmittel verwendet werden?

Dudda: Genormtes Gemüse zu produzieren. Wir müssen das zum Glück nicht. Das Gemüse wird vollständig im Personalrestaurant der Firma Zünd abgesetzt. Die Köche und Köchinnen teilen unser Gedankengut und verarbeiten Gemüse mit Makeln. Also auch Rüebli mit zwei Spitzen oder Rucola mit Löchern. Im Grosshandel würde man diese Gemüse nicht verkaufen können.

Mit welchen Mitteln bekämpfen Sie die Schädlinge?

Dudda: Bislang hatten wir kaum Probleme. Wir haben dank der Vielfalt des gesamten Gartens viele Nützlinge, die sich mit den Schädlingen arrangieren. Weil der Garten überschaubar ist, kann man Schädlinge auch noch von Hand ablesen oder Fallen stellen.

Sind alle Mikropflanzplätze des Naturgarten Eisch bereits vermietet?

Dudda: Ja, momentan sind alle besetzt. Aber es wird bestimmt immer wieder Wechsel geben. Das ist ja auch eine Art der Vielfalt, wenn möglichst viele unterschiedliche Personen einen Teil des Gartens sind.

Wie viele Personen arbeiten im Nutzgarten?

Dudda: Über das ganze Jahr verteilt sind es 150 Stellenprozent, die auf zwei bis drei Personen aufgeteilt werden. Wobei wir während der Saison mehr Arbeit leisten und diese Stunden dann über den Winter wieder kompensieren.

Welche Strukturelemente gibt es bei euch?

Dudda: Einen Teich als Wasserelement, verschiedene Steinhaufen, eine Totholzhecke, Wiesen, die erst nach dem Versamen gemäht werden, Ruderalflächen, verschiedene Trockenstandorte, begrünte Flachdächer, Nistkästen, Bienenhotel, Recyclingbäume. Eine heimische Hecke als Sortenlehrpfad für Wildfrüchte ergänzt das Ganze. Für ein funktionierendes Ökosystem braucht es möglichst viele unterschiedliche Elemente.

Was sind Recyclingbäume?

Dudda: Recycelte Bäume. Wir versuchen möglichst vieles zu recyceln. Die Bäume auf dem Gelände waren zuvor auf dem Parkplatz der Firma Zünd. Dort war es ihnen jedoch zu trocken und zu heiss. Daher dürfen sie nun ein zweites Leben bei uns auf dem Gelände führen.

Was hat sonst noch ein neues Leben bei euch erhalten?

Dudda: Fast alles. Unsere Geräte werden z.B. in zwei alten Überseecontainern gelagert. Diese Container haben auf See ausgedient. Die Begrünung auf dem Dach konnten wir bei einem Abriss eines Gebäudes ganz in der Nähe vom Dach holen. Und sie hat es überlebt. Dank der Dachbegrünung sind die Überseecontainer nun ein wenig isoliert, also nicht mehr brütend heiss bei Sonnenschein.

Bild: Angelina Schwinger

Was für Veranstaltungen stehen auf dem Gelände im laufenden Jahr noch an?

Dudda: Der NaNuGarten steckt noch in den Kinderschuhen und wir haben noch sehr viel zu tun im Garten. Daher sind es noch nicht sehr viele eigene Anlässe. Ab August werden monatliche Gartenführungen um 17.05 Uhr gemacht. Wir hoffen, es werden stetig mehr Veranstaltungen.  Sie sind auf der Homepage www.nanugarten.ch aufgeführt.

Was macht der NaNuGarten für die Biodiversität im Rheintal?

Dudda: Mit all den verschiedenen Strukturelementen kann sich die Natur und deren Lebewesen bei uns auf dem Gelände wohlfühlen und ausbreiten. Weiter sind wir hoffentlich ein Vorbild für viele andere Gartenprojekte in der Region. Wünschenswert wären möglichst viele Nachahmer.

Tipps für den Gartenbesitzer? Was kann er tun für mehr Biodiversität im Rheintal?

Dudda: Alles was nicht nur Rasen oder Steinwüste ist, ist bereits ein Mehrwert für die Natur. In jedem Garten, egal ob Gemüse oder im Hausgarten, lohnt es sich, eine ökologische Ecke einzurichten. Schön wäre, wenn dies nicht die schattigste ist, sondern ein sonniger Standort im Garten. Dort kann die Vielfalt am grössten werden.

Das Projekt ist „nur“ eine Zwischennutzung. Wie lange bleibt ihr hier?

Dudda: Voraussichtlich können wir in den nächsten 20 Jahren hierbleiben, um Gemüse zu produzieren und Vielfalt zu generieren.

Wie sieht der NaNuGarten in zehn Jahren aus?

Dudda: Grün, möglichst bunt, mit vielen Lebewesen und glücklichen Gärtnern und Gärtnerinnen. Und weiter hoffe ich, dass der NaNuGarten dann nicht mehr ein Pionierprojekt ist, sondern einer von ganz vielen ähnlichen Projekten und Gärten in der Region.

(von links) Hans Benzer, Werner Strub, Eveline Dudda, und Guido Manser. Bild: Cécile Alge

Der Verein St.Galler Rheintal mit Sitz in Rebstein koordiniert verschiedene Aufgaben in der Region. Ihm gehört auch die «Fachgruppe Siedlung und Landschaft» an, die das Landschafts-Entwicklungskonzept Rheintal, kurz LEK, erarbeitet und in diesem Rahmen auch «das grüne Band» initiiert hat. Unter dem Begriff «das grüne Band» werden Anlässe, Workshops und Aktionen durchgeführt, die die landschaftliche Vielfalt des Rheintals bewahren, die Biodiversität im Siedlungsraum fördern und die Bevölkerung für diese Themen sensibilisieren sollen. Zu dieser Sensibilisierung gehört auch, dass die Fachgruppe neu in den sozialen Medien präsent ist. Unter Naturvielfalt_Rheintal wird auf Facebook und Instagram Interessantes rund um das Thema Biodiversität im Rheintal gepostet. Bitte folgen 😉. Und auch in diesem Medium wird eine kleine Serie an wertvollen Beiträgen publiziert. Dieses Mal mit einem spannenden Projekt aus Altstätten im Interview mit Eveline Dudda.

Angelina Schwinger