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Freizeit
02.07.2021
02.07.2021 15:23 Uhr

Die Wiedergeburt der Fussballleidenschaft

Im Match gegen Frankreich hat die Schweizer Nati gezeigt, wie schön und leidenschaftlich Fussball sein kann
Im Match gegen Frankreich hat die Schweizer Nati gezeigt, wie schön und leidenschaftlich Fussball sein kann Bild: football.ch
Mit dem fantastischen Spiel gegen Frankreich hat die Schweizer Nati zum Teil dem Fussball seine Unschuld, seine Faszination zurückgegeben. Folgt heute gegen Spanien um 18.00 Uhr eine weitere Wunderpartie?

Der Kommentar zur Zeit:

Der vergangene Montag hat meine Fussballleidenschaft neu entfacht. Hat mich mit dieser in Coronazeiten doch etwas kuriosen Europameisterschaft versöhnt. Mit einem Turnier mit sinnlosen Flügen von Teams und Fans kreuz und quer über den Kontinent zu den dezentralen Spielorten von Sevilla bis zum aserbeidschanischen Baku. Dieser Montag hat auch die bisher eher ernsten Themen, die bis dahin diese Veranstaltung geprägt hatten, wieder etwas verdrängen können. Wie den Herzstillstand des dänischen Spielers Eriksen, die Bruchlandung eines Paragleiters im Münchner Olympiastadion, die Verkleidung desselben in Regenbogenfarben und die Diskussion über volle Stadien mit tausenden von Coronaansteckungen.

Gegen die Niederlage gestemmt

Denn dieser vergangene Fussballmontag hatte es in sich. Zunächst der Thriller zwischen Spanien und Kroatien. Ein Match, das mit einem skurrilen, lächerlichen und mitleiderregenden Fehler eines Torhüters begann. Ein Match, der die Kroaten zeigte, wie sich mit allem, was sie hatten, 120 Minuten gegen eine Niederlage stemmten. Bis zu ihrem dramatischen Scheitern.

Dann kam der «Übermatch» der Schweiz gegen Weltmeister Frankreich. Wer beim Public  Viewing oder im eigenen Wohnzimmer miterlebte, wie sich ein Paul Pogba nach seinem zugegebenermassen aussergewöhnlich schönen Treffer so richtig aufgockelte und sich wie ein Pfau spreizte, und wer denselben Paul Pogba nach dem verlorenen Elfmeterschiessen wie einen geprügelten Esel das Spielfeld verlassen sah, der musste verstehen: Es ist dieses Leiden, das die Menschen bewegt. Diese Leidenschaft. Dieser schmale Grat zwischen Sieg und Niederlage.

Hauptdarsteller des Spiels

Die Schweizer machten sich zum Hauptdarsteller des Spiels. Zu Spielern, die die Menschen in Wallung bringen. Xhaka und Co. haben Ästethik, Hochspannung, Freude und Tränen zu uns gebracht und uns gezeigt, wie schön dieses Spiel rund um 22 Athleten und einen Ball doch sein kann.

Und sie haben das Wunder vollbracht, dass man für eine Moment all jene vergessen konnte, die den Fussball kaputt machen. Ihn zu einer geldgeilen Hure machen wollen. All jene geldgierigen Funktionäre, gefühllosen Manager und kalten Investoren, die nur das Geschäft sehen. Und dafür sogar den Tod vieler Menschen in Kauf nehmen.

Halbfinale und Finale ausgerechnet in London

Wie zuvorderst die UEFA, die mit dieser EM nach der Pandemie das Fussballgeschäft wieder ins Laufen bringen will. Die dazu Zuschauer in den Stadien haben will, die die Stimmung machen, die das Produkt offensichtlich benötigt, um gut verkauft werden zu können. Eine UEFA, die die Halbfinal- und Finalspiele ausgerechnet im Londoner Wembleystadion konzentriert. Ausgerechnet England, das in Europa von allen Ländern am Stärksten mit der Delta-Variante des Coronavirus zu kämpfen hat und schon mitten in der dritten (oder vierten?) Welle steckt.

Ausgerechnet Wembley, wo sich vor wenigen Tagen alleine beim Spiel der Engländer gegen die Schotten weit mehr als tausend schottische Schlachtenbummler mit Covid-19 infiziert haben. Halbfinale und Finale ausgerechnet in einem Land, in das viele Fans jetzt nicht einreisen können, ohne bei der Ausreise und der Rückkehr in ihre Länder für viele Tage in Quarantäne zu müssen.

Aber heute Abend wollen wir für mindestens neunzig Minuten die UEFA und ihre Fehler vergessen. Wie auch alle anderen Heute Abend wollen wir wieder ein geil spielendes Schweizer Team gegen die Toreros aus Spanien sehen. Und heute Abend wollen wir das Petrovic-Team nochmals siegen sehen. Um nochmals in diesen Rausch zu kommen, der Montagnacht die ganze Eidgenossenschaft erfasst hatte.

Meine Meinung – und Ihre?

Gerhard M. Huber, Chefredaktor rheintal24.ch

rheintal24/gmh/uh
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