Die Balgacher Kantonsrätin Karin Hasler, Chefin der Rheintaler SP, ist entrüstet. Ihre Partei hatte in der aktuellen Session des Kantonsrates eine Interpellation über den Notstand in der psychiatrischen Versorgung für Jugendliche und die prekäre Lage in der Bettenauslastung in psychiatrischen Einrichtungen für Jugendliche im Kanton St.Gallen. «Jugendliche bekommen keine Therapieplätze oder müssen auf monatelange Wartelisten. Die Regierung hat den Notstand erkannt. SVP, FDP, CVP und Grüne erachten diesen Zustand aber als nicht dringlich.»
«Alte graue Männer, die ihre Interessen verfolgen»
Ablehnende Haltung der Rheintaler Kantonsräte
Denn der Kantonsrat hatte diese Interpellation in einer Abstimmung als nicht dringlich erachtet. Was die Karin Hasler erzürnt, ist insbesondere auch die ablehnende Haltung der anderen Rheintaler Kantonsräte (Anm.Red.: Remo Maurer hat mit Ja gestimmt). «Dass es ein schweizweites Problem ist, scheinen sie zu ignorieren. Dass die Suizidrate in der Schweiz eine der höchsten weltweit ist, scheint sie ebenfalls nicht zu interessieren.»
Tatsächlich wurde von Psychiatern und Psychologen sowie Krankenversicherern in der letzten Zeit eine dramatische Zunahme von jungen Menschen mit psychischen Problemen beobachtet. Die Zahl der Menschen, die aus psychischen Gründen Invaliditätsrenten erhalten, hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. 75 Prozent aller psychischen Beeinträchtigungen manifestieren sich bereits vor dem 25. Lebensjahr. Vor allem für junge Menschen wird aufgrund psychischer Einschränkungen immer öfter eine IV-Rente verfügt.
Depression ist zur Volkskrankheit geworden
Und die Einschränkungen, die die Corona-Schutzmassnahmen für die Jugendlichen gebracht haben, haben die Situation verschärft. Wochenlanges Ausharren ohne Treffen mit den Freunden, über ein Jahr lang kein richtiger Ausgang mit Tanzen, Feiern und Ausleben der Gefühle. Diese Isolation hat die Anzahl der an Depression erkrankten Jugendlichen in die Höhe schiessen lassen. Depression ist zur Volkskrankheit geworden.
Bereits die Hälfte aller neuen InvaliditätsrentnerInnen kann aufgrund psychischer Probleme nicht oder nur teilweise erwerbstätig sein. Die IV-Statistik des Bundesamtes für Statistik dokumentiert, dass junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren in dieser Gruppe besonders stark vertreten sind.
Stationärer Aufenthalt zur Abhilfe
Abhilfe würde für viele ein stationärer Aufenthalt in einer psychiatrischen Einrichtung für Jugendliche im Kanton St. Gallen bringen. Die aber in vielen Fällen aufgrund der Überlastung dieser Einrichtungen und des massiven Fachkräftemangels nicht möglich ist. Und gegen diesen Missstand richtete sich die Interpellation der SP, der von der Regierung die Dringlichkeit zuerkannte worden war, vom Kantonsrat aber nicht.
Die Balgacher Kantonsrätin kleidet ihre Empörung über diesen Entscheid in klare Worte: «Was tun SVP, FDP, CVP und Grüne für unsere Jugendliche? Wie so oft werden für Jugendliche so wichtige Themen im Kantonsrat verworfen, für nicht wichtig genug erachtet, nach hinten verschoben. Liebe Jugendliche, es tut mir sehr leid, der Kantonsrat besteht hauptsächlich aus alten grauen Männern, die ihre eigenen Interessen verfolgen und sich nicht für die Gesellschaft einsetzen. Es ist einfach so.»