«Endlich wieder!» Das waren die meistgehörten Worte in der vor der Kassa des Diogenestheater entstandenen Warteschlange. Endlich wieder Kultur, endlich wieder Kleinkunst, endlich wieder Nahrung für Hirn und Gemüt. «Das ist unsere erste Aufführung für Erwachsene seit über einem halben Jahr», konstatierte auch Diogenes-Präsident Michel Bawidamann in seiner kurzen Begrüssungs- und Einleitungsrede.
Bündner Nusstorte und Thai-Curry
Sprachpoet und Saitenvirtuose
Vor unter den gegebenen Coronabeschränkungen ausverkauftem Haus gastierten Sprachpoet Pedro Lenz und Saitenvirtuose Max Lässer mit ihrem gemeinsamen Programm «Mittelland». Jener Streifen Landschaft quer durch die Schweiz, wo die Schweiz angeblich wirklich stattfindet. Wo sie alle leben, die Handwerker und Bürogummis, die Linken, Netten und die anderen. Natürlich auch die Alten und die Jungen.
Lenz und Lässer sind Insider. Sie kommen aus und wohnen im Mittelland. Neugierige Beobachter des Treibens und Tuns ihrer Mitmenschen. Ob an der Migroskassa, in der Beiz oder im Kulturtempel. Pedro Lenz ist das, was man heute auf neudeutsch einen Poetry-Slammer, einen Wortakrobaten, einen genialen Erzähler nennt. Er erzählt auf unnachahmlich lässig-verschmitzte Weise die von ihm selbst geschriebenen Geschichten. Geschichten, die vom Leben handeln. So reiht er Episode an Episode, von der Bündner Nusstorte und Thai-Curry bis zum Baby, Baby, Baby, mit dem er aufs Land fahren will.
Tiefgründig, aber immer komödiantisch
Teils bizarre, aber immer originelle und manchmal tiefgründige, aber immer komödiantische Erzählungen. Stoisch, beinahe steif und dennoch mit einem Augenzwinkern im typisch Oberaargauer Dialekt vorgetragen, sagt uns dieser in einer aus den Siebzigerjahren entsprungenen Kleidung mit schlaksigem Understatement auf der Bühne stehende Comedian, wie wir wirklich ticken und funktionieren. Oder wie wenigstens die Mittelländer ticken und funktionieren...
Sein kongenialer Kompagnon Max Lässer wiederum spricht kein einziges Wort. Sondern begleitet jede der Lenz-Geschichten mit passendem Gitarrensound. Genialem Gitarrensound. Abwechselnd mit ingesamt sechs Zupfinstrumenten von der Steelguitar über eine Fender-Elektrogitarre bis zu einem Banjo. Oder war es eine Mandoline? Egal, jedenfalls ein kleines Saiteninstrument, von Max Lässer meisterlich gezupft.
Lässer nimmt dem Land den Puls
Wie soll man die Lässer-Musik beschreiben? Am besten hält man sich dabei an eine von Lenz und Lässer selbst herausgegebene Pressemitteilung. «Max Lässer hat die Schweiz musikalisch analysiert. Seit seinen Schweizer Tänzen, die er vor bald vierzig Jahren aufgenommen hat, nimmt er dem Land den Puls, transportiert die Alpen an den Mississippi und Südafrika nach Europa, und ist überhaupt einer, der sich nie um Genres und Stile gekümmert hat. Lässer spielt Lässer-Musik!» Treffender hat sich noch nie jemand selbst beschrieben.
Mit der üblichen Zugabe endete ein aussergewöhnlich intelligenter, witziger, aber auch tief- und hintersinniger Abend. Balladesk und groovend. Sollten Pedro Lenz und Max Lässer wieder irgendwo im Rheintal auftauchen: unbedingt hingehen und anschauen.