«Kulturraum S4» ist eine lose Reihe von Ausstellungen des Amtes für Kultur St.Gallen an kulturell und historisch bedeutsamen Orten und Situationen rund um den Säntis. Entlang der Rundlinie S4 der Südostbahn SOB. Im Dialog mit zeitgenössischem Kunstschaffen. Jetzt also eine Ausstellung dieser Reihe im Stellwerk Heerbrugg. Zum Thema «jenseits». Denn «Jenseits ist diesseits. Nur die Blickrichtung ist eine andere. Gleichermassen verbunden und getrennt sind die beiden Seiten durch einen Fluss.» So jedenfalls steht es im Prospekt zu dieser Ausstellung.
«Jenseitiges» im Stellwerk
«Hungrig, Kultur zu erleben»
Eine Ausstellung, die von der für Kultur zuständigen Regierungsrätin Laura Bucher vor zahlreichen Besuchern eröffnet wurde. Sie sprach allen aus dem Herzen, als sie sagte: «Ich bin hungrig, Kultur zu erleben.»
Zu den vier ausstellenden Kulturschaffenden und deren Werken. Es ist für Journalisten immer schwierig, über zeitgenössische Kunst zu berichten. Umso mehr über die Aktivitäten und Werke von Künstlern mit Bezug zum Rheintal. Denn allzu schnell fühlen sich die Kreativen und deren Fans und Förderer auf den sprichwörtlichen Schlips getreten. Deshalb sei es vorangestellt: die Beschreibung und Wertung der einzelnen Ausstellungsgegenstände ist eine durchaus subjektive.
Video: Ulrike Huber
Innovativ, kreativ, provokativ
Beginnen wir unseren Rundgang durch die Exponate bei der Videoinstallation von Tamara Janes. Innovativ, kreativ, provokativ und fesselnd. In etwa 150 nur jeweils einige Sekunden dauernden und in einer Dauerschleife miteinander verbundenen Videoclips demonstriert sie, was die ganz alltägliche und nicht kontrollierbare Bilderflut, die technisch immer perfekteren und die Wirklichkeit oft verbiegenden Bilder mit unserer Wahrnehmung anrichten. Vorsicht, Suchtgefahr! Und Vorsicht, Denkgefahr! Denn was Tamara Janes bringt, ist keine etwa 15 Minuten dauernde Bilderberieselung, sondern lauter visuelle Denkanstösse.
Im Gegensatz dazu die vier ausgestellten Fotos von Claude Bühler. Bühler wurde bekannt, als sie in einer mehrteiligen Arbeit das Netzwerk und die Rolle der Rüstungsindustrie vor unserer Haustür fotografisch dokumentierte und damit politische Kunst produzierte. Jetzt das Gegenteil. Die Installation im Stellwerk soll gemäss dem Ausstellungstext ein «Versuch sein, in einem selbstkonstruierten Daheim als Ort der Sehnsucht und Utopie gemeinsam Zeit zu verbringen.» Dieser Versuch muss angesichts der vier optisch und handwerklich von mässiger Qualität zeugenden ausgestellten Fotografien als gescheitert angesehen werden.
Abbild einer Kuh und Bratwürste
Unverständlich, ja geradezu unerträglich plump die dargestellten Assoziationen. Unverständlich, wie versucht wird, Hintergründiges und Innovatives darin zu sehen, dass neben das Abbild einer Kuh eine Fotografie eines Kühlschrankinhalts mit vielen Bratwürsten gehängt wird. Aus der Kuh wird Wurst. Wussten wir das eigentlich nicht schon immer? Daneben ein Foto von frischem Spinat im Abwasch und noch ein weiteres von einer durch Nebel laufenden Figur. Popeye auf der Flucht? Aber jeder Kulturinteressierte soll das Stellwerk besuchen und sich selbst ein Bild machen.
Ebenso rätselhaft, wie das mehr als schlichte Werk von Priska Rita Oeler von Ursula Badrutt, Leiterin der Kulturförderung beim Amt für Kultur, in ihrer Erläuterung der Ausstellungsobjekte nahezu glorifiziert wird. Ja, das von der ehemaligen Rheintalerin Oeler geschaffene Stoffobjekt, ist nett anzusehen. Kaum als Kunstwerk zu erkennen, wie das mit an indianische Motive erinnernde Leinentuch über eine Tür im Obergeschoss des Stellwerks drapiert ist. «Bei Priska Rita Oeler stehen Raum und Malerei im Zentrum. Ihr Umgang mit Farbflächen gibt architektonischen und atmosphärischen Details ungeahntes Gewicht. Sie arbeitet reduziert und intensiv. Die Eigenschaften von Leinen nutzt sie, um unterschiedliche Bereiche wie Licht und Schatten, Fläche und Wölbung, Kante und Fransen aufeinandertreffen zu lassen.» So der Ausstellungstext. Dessen Aussagen sich bei entsprechendem Mut zur Ehrlichkeit nicht viele Betrachter des Werks anschliessen werden.
Historisch geprägte Kunst
Im Erdgeschoss des Stellwerks wartet dann noch eine Collage von Bildern des von Miro Schawalder gemeinsam mit Florian Wegelin und Elias Gross erarbeiteten Hörspaziergangs „Grenzschleusen im Rheinvorland“, der sich mit der Ausbeutung von Kriegsgefangenen zum Ausbau der Wuhrbauten entlang des Rheins befasst. Historisch geprägte Kunst, deren Wichtigkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn bald wird auch jene Generation nicht mehr sein, die die Geschichten der unerträglichen NS-Zeit noch von ihren Grossvätern und Vätern erzählt bekommen haben.
Kulturraum S4 im Stellwerk Heerbrugg
Öffnungszeiten: Do-Fr 16.00 - 20.00 Uhr, Sa-So 12.00 - 16.00 und nach Vereinbarung
Eintritt frei
Weitere Informationen unter www.sg.ch/kultur oder Tel. +41 58 229 21 50 oder kultur@sg.ch