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08.05.2021

Harte Arbeit, lange Tage

Albert Wyss senior und junior
Albert Wyss senior und junior Bild: Marlies Thurnheer, Marcel Schiegg
Es ist eines der 25 beliebten Berggasthäusern im Alpstein und liegt auf 2124 m: der «Rotsteinpass» zwischen Säntis und Altmann. Seit 2016 führt Albert Wyss das Gasthaus zusammen mit seiner Frau Anita in vierter Generation.

Während der Corona-Pandemie blieben im Sommer 2020 viele Schweizer zu Hause. Entsprechend beliebt waren touristische Ausflugsziele – insbesondere auch der Alpstein. Auch das Berggasthaus Rotsteinpass war gut besucht, überrannt von Gästen wurde die Wirtefamilie Wyss aber nicht – auch nicht von Neo-Berggängern. «Neulinge kennen wir auf dieser Höhe nicht; der doch etwas lange Aufstieg zu Fuss sortiert die ungeübten Wanderer eher aus», schmunzelt Albert Wyss junior, seit 2016 Geschäftsführer im Familienbetrieb. «Vereinzelt fielen uns Touristen auf, die wohl unvorbereitet eine Bergtour unternahmen, nicht mehr genau wussten, wo im Alpstein sie genau sind und dann in Zeitdruck kamen», sagt Wyss. «Wir freuen uns aber, dass vermehrt junge Leute das Bergwandern für sich entdeckt haben.»

Vom Lockdown nicht gross betroffen

Weil die Saison im «Rotsteinpass» erst anfangs Juni beginnt, wurde die Familie Wyss vom ersten Lockdown im Frühjahr 2020 nicht hart getroffen. «Gespürt haben wir vor allem die Einschränkungen sowie Investitionen in die Schutzmassnahmen. Und wir durften weniger Übernachtungsplätze anbieten», erklärt Albert Wyss junior. Im Gegenzug konnten vermehrt Gäste wegen Kurzarbeit während der Woche in die Berge gehen. So habe sich das Gästeaufkommen gut verteilt. Kehrseiten des Alpstein-Tourismus gab es für Albert Wyss junior 2020 keine. Sein Vater, Albert Wyss senior, sieht es ähnlich, meint aber: «Im Frühling gab es wohl Probleme mit dem Autoverkehr an den Ausgangspunkten und mit dem Liegenlassen von Abfällen, etwa beim Seealpsee. Das war aber nicht ein Problem des Alpstein-Tourismus an sich, sondern des Lockdowns», betont Wyss senior. Und er gibt zu bedenken: «Sobald ein Problem von den Medien hochstilisiert wird, wird es kurzfristig eher noch schlimmer. Die Lage hat sich aber rasch wieder normalisiert.»

Rotsteinpass bleibt in der Familie

Wirten hoch oben im Alpstein, das stellt sich manch einer romantisch vor. «Ja, es gibt Gäste, die sich das so vorstellen und sagen, ‚da möchte ich auch einmal einen Sommer verbringen’», weiss Albert Wyss senior. Die Wirklichkeit sei aber anders: Bei anhaltend schönem Bergwetter gebe es viel Arbeit mit langen Arbeitstagen, «aber wohlgemerkt eine Arbeit, die wir sehr gerne machen», so Wyss. «Bei längeren Schlechtwetterperioden mit Schnee in höheren Lagen muss man aber mit der Einsamkeit umgehen können.» Das war auch Albert Wyss junior bewusst, als er sich entschied, 2016 die Führung des Berggasthauses Rotsteinpass von den Eltern zu übernehmen. «Ich war schon als Kind immer gerne auf dem Rotsteinpass», sagt Wyss. Nach der Kochlehre arbeitete er während 13 Sommersaisons bei seinen Eltern; 2016 konnte er mit seiner Frau Anita die Geschäftsführung übernehmen. «Mit viel Freude führen wir den Familienbetrieb nun in der vierten Generation.» «Für Albert war es schon in der Schule klar, dass er eine Lehre als Koch macht und später auf dem Rotsteinpass arbeitet», erinnert sich sein Vater. «Selbstverständlich hat man als Eltern keine Garantie und müsste auch eine andere Entscheidung akzeptieren. Wir sind aber in der glücklichen Lage, dass keiner unserer drei Söhne das Gasthaus in andere Hände gegeben hätte», betont Albert Wyss.

Das Berggasthaus Rotsteinpass im Alpenglühen. Bild: Marlies Thurnheer, Marcel Schiegg

Wandertourismus nimmt zu

Der «Rotsteinpass» ist eines von 25 Berggasthäusern im Alpstein und trägt mit dazu bei, dass der Tourismus im Appenzellerland floriert. Dass der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig für Appenzell Innerrhoden ist, zeigt auch eine Untersuchung des Kantons im Jahr 2018. «Der Wandertourismus hat in den letzten Jahren eher zugenommen. Es gehen auch wieder vermehrt junge Leute in die Berge», stellt Albert Wyss junior fest. Und sein Vater ergänzt: «2018 und 2019 waren sicher gute Jahre für den Tourismus.» 2020 hätten sie wie alle anderen Branchen auch unter den Auswirkungen der Corona-Massnahmen gelitten. «In den letzten Jahren hat sich die sehr gute Arbeit von Appenzellerland Tourismus mit der authentischen Vermarktung der ganzen Region positiv ausgewirkt», hält Albert Wyss senior fest. Dass immer mehr Touristen im Alpsteingebiet auch irgendwann mal «zuviel» sein könnten, sehen Vater und Sohn Wyss nicht so. Auch wenn etwa der «Äscher» nach einem Bericht in «National Geographic» dermassen von Gästen überrannt wurde, dass er zeitweise schliessen musste. «Das ist Ansichtssache. Ich denke, es sind nur an einzelnen Tagen ‹gefühlt› zu viele Gäste wahrgenommen worden», meint Albert Wyss junior. Und sein Vater ergänzt: «Wenn man mit diesem Gästesegment – das in drei Tagen die Schweiz gesehen haben muss – arbeitet, muss man das Angebot an die Infrastruktur des Betriebes anpassen.»
Wyss bringt ein Beispiel: «Wenn ich die James-Bond-Insel in Thailand besuche, spielt es mir keine Rolle, wie der Name des Wirtes ist. Und falls ich Hunger habe, esse ich das, was am Verkaufsstand angeboten wird», sagt er. Bezogen auf den Alpstein und den Äscher heisst das: «Es ist eigentlich kein Problem; die Lage normalisiert sich irgendwann wieder. Schuld an diesem Hype waren doch grösstenteils die Medien.»

Ansprüche sind gestiegen

Eines spüre man aber schon, meint Albert Wyss senior: «Bei den Übernachtungen gibt es eine vermehrte Nachfrage nach Doppel- und Familienzimmern.» Bei der Verpflegung seien die meisten Gäste mit einem gut zubereiteten Essen zu einem erschwinglichen Preis zufrieden. «Für Liebhaber kulinarischer Höhenflüge gibt es aber auch im Alpstein gute Adressen», so Wyss weiter.
Was die Infrastruktur anbelangt, hat sich in den letzten Jahren im «Rotsteinpass» einiges verändert: So wurde eine Transportbahn gebaut und in Zimmer sowie Toilettenanlagen investiert. «In naher Zukunft möchten wir diese Betriebsgrösse beibehalten und laufend in die Modernisierung investieren», erklärt Albert Wyss junior. Auch hier ziehen Vater und Sohn am gleichen Strang.

Dieser Text ist aus der LEADER Ausgabe April 2021. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch rheintal24.ch.

rheintal24/Tanja Millius
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