Das Tessiner Studio d’ingegneria Giorgio Masotti ist Gewinner des Ingenieurwettbewerbs für die Fahrrad- und Fussgängerbrücke über den Rhein, die Au und Lustenau verbindet. Die fachkundige Jury hat den Entwurf mit dem Titel „Verweilen“ einstimmig unter acht internationalen Einreichungen auf den 1. Platz gereiht und zur Ausführung empfohlen.
Fahrradbrücke: Kein Wunsch, sondern ein Muss
Flussbauliche und geologische Verhältnisse, die Radwege im Rheinvorland, die Querung der L 203 und die künftigen Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten durch RHESI – all diese Aspekte berücksichtigt das Siegerprojekt – ein eleganter Entwurf aus Stahl mit Aufenthaltsmöglichkeiten in der Mitte. Das Siegerprojekt und alle eingesendeten Arbeiten sind bei einer Ausstellung in Au im Werkhof zu sehen. Von 8. bis 31. Mai sind die prämierten Projekte in Lustenau ausgestellt.
Erste Ideen vor zwölf Jahren
Der Auer Gemeindepräsident Christian Sepin durfte die anwesenden Gäste, darunter die Architekten aller Wettbewerbsprojekt begrüssen und erzählte die Geschichte dieser künftigen Langsamverkehrsverbindung über den Rhein. Angefangen habe es mit ersten Ideen vor zwölf Jahren. Vor sechs Jahren habe man dann ganz sachte begonnen, mit Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer die Idee einer neuen Rheinbrücke nur für Fussgänger und Radfahrer zu ventilieren.
Bald wurde klar, dass es auf beiden Seiten des Rheins im Bereich der Zollämter keine Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation des Langsamverkehrs gebe. Man stellte fest, dass die neue Verbindung kein Wunsch, sondern vielmehr ein Muss ist. Die nächste Frage war die nach dem genauen Standort, wo das Bauwerk die höchste verkehrstechnische Wirksamkeit habe. Auch dieser wurde im Oberfahrs gefunden.
Geschichte der Rheinbrücken
Bürgermeister Kurt Fischer war einen Blick zurück in die Geschichte der Rheinbrücken. Die erste überhaupt entstand zwischen Lustenau und Au 1867 im Unterfahr. Bis dahin konnte der Rhein nur auf Fähren überquert werden. Es folgte dann eine Brücke bei Oberfahr, genau dort, wo jetzt die neue Rheintquerung entstehnen soll.
1913 folgte die immer noch im Betrieb befindliche Brücke zwischen Lustenau und Widnau und 1957 die „Friedensbrücke“, die bis heute die Hauptlast des Grenzverkehrs zwischen Österreich und der Schweiz trägt. Damals sei der Ort bereits umstritten gewesen, weil weitsichtige Leute darauf hinwiesen, dass diese Brücke Verkehr in das Lustenauer Ortsgebiet hineinbringe.
Velo ist zum Alltagsverkehrsmittel geworden
«Ich freue mich schon heute auf das gemeinsame Brückenfest!», welches Fischer jedenfalls bereits jetzt für die Zeit der Fertigstellung des Bauwerks vermutlich 2026 ankündigte. Der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch, in dessen Zuständig die öffentliche Mobilität und der Radfahrverkehr fällt, erzählte von seinem Amtsantritt vor nunmehr sechs Jahren und die damals noch ablehnende Einstellung grosser Teile der Bevölkerung gegen ein Radwegenetz. «Die Einstellung hat sich in den vergangenen Jahren vollständig geändert. Das Rad ist zum Alltagsverkehrsmittel geworden.»
Siegerprojekt „Verweilen“
Für die Wettbewerbssiegerin, eine Arbeitsgemeinschaft unter Federführung des Ingenieurbüros Giorgio Masotti aus Bellinzona, soll die Brücke «nicht nur ein Steg»sein, sondern auch zum Verweilen einladen. Zur Flussmitte hin weitet sich die Brücke auf und gewährt Passanten Ausblick auf die Flusslandschaft. Dass die Brücke in ihrer Einfachheit der Gestaltung der Natur den Vortritt gibt und die Aufenthaltsqualität am Rhein steigert, überzeugte auch die 10-köpfige Jury. «Das Projekt überzeugt durch seine Schlichtheit, welche die Rheinlandschaft in seiner Topographie der Dämme respektiert. Das Bauwerk erwirkt dadurch eine erwünschte Klarheit im Zusammenspiel mit der Umgebung des Flussraumes. Die Einfachheit im Erscheinungsbild wird zur Zierde und hält dennoch die nötige Massstäblichkeit. Die Aufenthaltsqualität wird gesteigert und ein Verweilen wird sich lohnen», heisst es im Jurybericht.
Positiv bewerteten die Juroren auch, dass das Projekt auf österreichischer Seite bereits eine Überbrückung der stark befahrenen L 203 vorsieht, mit einer Anbindung über die Kirchstraße an das Lustenauer Zentrum. Die künftige Brücke liegt auf drei Stützen, der Überbau besteht aus Cortenstahl, das Geländer ist mit Edelstahlnetzen ausgefacht. Der Belag ist aus Gussasphalt, im Aufenthaltsbereich werden Gneisplatten vom Hinterrhein verwendet.
Berufspendler aus Rad bringen
Mit der neuen Radbrücke soll einerseits die Fahrt über die Grenze für Radlerinnen und Radler sicherer werden, andererseits mehr Pendlerinnen und Pendler zum Radeln animiert werden. «Die neue Radbrücke ist ein schönes Zeichen dafür, dass der Rhein keine Grenze mehr darstellt, sondern zur Schlagader des gemeinsamen Lebensraums geworden ist», erklärt Mobilitätslandesrat Johannes Rauch. «Sie soll auch den vielen Berufspendlerinnen und -pendler in der Region den Umstieg auf das Fahrrad erleichtern.»
Avisierter Baustart 2025
Der Projekthorizont ist klar vorgegeben. Im Juni wird das Siegerprojekt beim Agglomerationsprogramm eingereicht. Bei positiver Beurteilung und wenn die Auer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den dafür benötigten Baukredit gutheissen, kann mit dem Bau der Radbrücke 2025 begonnen werden. Für die Bauzeit ist ein Jahr vorgesehen. «Wer das Rheintal zu einem Velotal formen will, muss Verbindungen schaffen und Brücken bauen. Wir freuen uns riesig auf diesen Brückenbau für eine zukunftsfähige Mobilität und sind sicher, dass wir diese Brücke nicht nur mit großer Freude eröffnen, sondern ebenso begehen und befahren.»
Siegerprojekt "Verweilen“, Arbeitsgemeinschaft
Verfasser: Studio d'ingegneria Giorgio Masotti, Bellinzona CH
Straub AG Ingenieure Geoinf., Chur CH
LAND Suisse Sagl, Lugano CH
Orsi & Associati Sagl, Bellinzona CH
Jury
Sachpreisrichter (mit Stimmrecht):
Christian Sepin, Gemeindepräsident, Politische Gemeinde Au
Kurt Fischer, Bürgermeister, Marktgemeinde Lustenau
Marcel John, Kantonsingenieur, Kanton St. Gallen
Peter Moosbrugger, Vorarlberger Radverkehrsbeauftragter
Fachpreisrichter (mit Stimmrecht):
Armin Wachter, Leiter Bauwerke, Abt. Strassenbau, Vorarlberg
Ruedi Vögeli, TBA Kt. St. Gallen, Leiter Kunstbauten
Jürg Senn, Dipl. Arch. ETH BSA SIA, Zürich
Markus Mähr, Gesamtprojektleiter RHESI
Ruedi Engeli, Projektleiter, Bauverwaltung, Gemeinde Au
Bernhard Kathrein, Gemeindeplanung, Marktgemeinde Lustenau