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Altstätten
28.04.2021
21.05.2021 08:53 Uhr

Agrar-Initiativen gefährden Milch- und Fleischproduktion

Bild: Ralph Dietsche
Schweizer Fleisch und Milchprodukte werden bei Annahme der beiden Agrar-Initiativen vom 13. Juni deutlich teurer. Das Beispiel des Betriebs der Familie Oeler in Altstätten zeigt die Folgen deutlich auf.

Josef Oeler führt zusammen mit seiner Frau Martina am Warmesberg hoch über Altstätten in sechster Generation einen Landwirtschaftsbetrieb mit 45 Milchkühen. Seit der Schliessung einer naheliegenden Käserei hat der Familienbetrieb zusätzlich den dort dazugehörenden Schweinestall mit rund 300 Mastplätzen übernommen. Früher wurde die in der Käserei anfallende Schotte direkt den Schweinen verfüttert. Heute wird die Schotte von einer Käserei im Nachbardorf zugeführt und sinnvoll verwertet. So kann die bestehende Liegenschaft genutzt werden. Genau dies soll aber nicht mehr möglich sein, wenn es nach den Vertretern der beiden Agrar-Initiativen geht, die am 13. Juni vors Volk kommen.

Kein Futter mehr zukaufen

«Die Trinkwasser-Initiative will, dass wir für unsere Tiere kein Futter mehr zukaufen. Wer dies macht, muss auf Direktzahlungen verzichten», erklärt Josef Oeler. Das Schweinefutter selber zu produzieren ist für den Familienbetrieb am Warmesberg keine Option. «Wir bewirtschaften rund 30 Hektaren landwirtschaftlich Nutzfläche im Berggebiet. Diese eignet sich nicht um Futter anzubauen», erklärt Josef Oeler. Folglich müsste die Schweinemast eingestellt werden. Auf Direktzahlungen zu verzichten ist nicht möglich: «Um in den Betrieb investieren zu können, sind wir auf die finanziellen Mittel angewiesen. Davon profitiert wiederum das regionale Gewerbe.»

Martina und Josef Oeler in ihrem Kuhstall Bild: Ralph Dietsche

Milchkühe brauchen auch Kraftfutter

Ähnlich sieht es bei den Kühen aus. Das selbst produzierte Gras und Heu reicht nicht immer aus, um die 45 Tiere samt Nachzucht zu ernähren. «Gerade wenn im Frühling lange Schnee liegt, oder bei Trockenheit, sind wir auf den Zukauf von Heu angewiesen», erklärt Josef Oeler. Der Verzicht vom Einsatz von Kraftfutter hätte negative Folgen auf die Tiergesundheit. «Das Kraftfutter setzen wir aus Kostengründen nur gezielt und auf jede Kuh individuell abgestimmt ein. Dies in erster Linie in der Zeit nach der Geburt. In den ersten Wochen nach dem Abkalben braucht die Kuh genügend Energie», erklärt der Bauer.

Verfüttert werden hauptsächlich Kartoffeln und Rüebli von einem Gemüseproduzenten. Diese kommen nicht in den Handel, weil sie den Qualitätsansprüchen bezüglich der Grösse oder der optischen Erscheinung nicht genügen. Ist die Verfütterung nicht mehr erlaubt, wird aus dem Gemüse Bio-Gas hergestellt und die Familie Oeler müsste den Milchkuhbestand markant reduzieren.

Arbeitsplätze wären gefährdet

Heute arbeiten nebst Josef Oeler und seiner Frau Martina auch die Eltern des Betriebsleiters sowie Aushilfen aktiv auf dem Hof mit. Insgesamt teilen sich alle zusammen gut 200 Stellenprozente. Wenn der Tierbestand auf Grund der beiden Agrar-Initiativen reduziert werden müsste, hätte dies direkte Folgen auf die Arbeitsplätze. «Die Lohnkosten könnte ich nicht mehr decken. Folglich müssten wir Personal abbauen und ich müsste wohl einer Nebenbeschäftigung nachgehen», gibt Josef Oeler zu bedenken. Dies würde sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. Durch die heutigen Betriebsstrukturen geniessen alle eine gewisse Flexibilität. Auch kurzzeitige, personelle Ausfälle können dank der breiten Abstützung überbrückt werden.

Der 32-jährige Josef Oeler verfüttert seinen Milchkühen saftige Kartoffeln, welche auf Grund ihrer Form oder Grösse im Detailhandel nicht verkauft werden können. Genau dies dürfte er aber bei Annahme der beiden Agrarinitiativen nicht mehr machen Bild: Ralph Dietsche

Preise steigen, Landwirtschaftsfläche nimmt ab

Falls die beiden Agrar-Initiativen trotz allem angenommen werden, hätte dies direkte Folgen auf die Fleisch-, Käse- und Milchpreise. «Die Schweizer Produkte würden teurer. Folglich würden wohl viele Konsumentinnen und Konsumenten auf billige Importprodukte ausweichen. Denn in der Schweiz dürften wir faktisch gesehen nur noch Bio-Produkte herstellen. Diese kann sich längst nicht jede Familie leisten», ist Josef Oeler überzeugt. Auch auf die Landschaftspflege hätten die Initiativen direkte Auswirkungen: «Landwirte müssten sich auf die gewinnbringenden Arbeiten konzentrieren. Die Waldrandpflege würde vernachlässigt. Verbuschungen wären die Folge. Die nutzbare Landwirtschaftsfläche würde kleiner.»

Initiativen sind zu extrem

Josef Oeler ist zuversichtlich, dass die beiden Initiativen durch das Volk abgelehnt werden: «Sie sind zu extrem und bedrohen die ganze funktionierende Schweizer Lebensmittelbranche. Das ist ein zu hoher Preis.» Die Auswirkungen sind sich viele noch gar nicht bewusst: «Pferdehalter wären von den Initiativen ebenfalls betroffen. Rund 75 Prozent der Pferde stehen auf direktzahlungsberechtigten Betrieben. Sprich diese dürften kein Futter mehr zukaufen oder müssten auf die Direktzahlungen verzichten.»

Die Ablehnung der beiden Initiativen heisst nicht, dass man sich gegen sauberes Trinkwasser oder die Biodiversität stellt. Im Gegenteil: Die Landwirtschaft trägt ihren Teil durch Verbesserungen laufend bei. Schliesslich konsumieren auch die Bauern, ihre Familien und ihre Tiere Wasser. «Die Initiativen sind irreführend und viel zu extrem. Deshalb gilt es sie klar abzulehnen», sagt Josef Oeler und widmet sich wieder seinen Kühen, deren frische Milch täglich für die Produktion von Appenzeller Käse abgeholt wird.

pd/Ralph Dietsche
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