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Region Rheintal
15.02.2021
17.02.2021 08:36 Uhr

«Mehrsprachigkeit ist etwas Tolles»

Chantale Beusch (li.) und Ursula Stadlmüller: «Die Kinder können nur profitieren.» (Bilder: zVg)
Chantale Beusch (li.) und Ursula Stadlmüller: «Die Kinder können nur profitieren.» (Bilder: zVg) Bild: zVg
Kinder, die vor dem Eintritt in den Kindergarten kaum oder gar keine Deutschkenntnisse haben, sollen verpflichtet werden, die deutsche Sprache zu erlernen. Das fordern mehrere Parteien. Was die Fachstelle Integration des Vereins St.Galler Rheintal begrüsst.

Eine überparteilich abgestützte Motion im St.Galler Kantonsrat verlangt gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Gemeinden Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen schon vor dem Kindergarten zum Besuch eines betreuten Angebots verpflichten können.

Mit ungenügenden Deutschkenntnissen im Kindergarten

Der Grund dafür? In Kindergärten gebe es eine zunehmende Anzahl Kinder, die mit ungenügenden Deutschkenntnissen unterwegs seien, schreibt SVP-Kantonsrat Sandro Wasserfallen im Vorstoss, den er in der Februarsession gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von FDP, Grünen, Grünliberalen und SP einreicht.

Es ist wichtig, dass die Kinder ihre Muttersprache ordentlich lernen, um das grammatikalische Gerüst für eine weitere Sprache zu bekommen. Bild: zVg

Die sprachlichen Lücken stellten eine Belastung für die betroffenen Kinder dar, sie könnten sich weder mit Gleichaltrigen noch mit den Lehrpersonen im Kindergarten unterhalten, heisst es weiter. Die Sprache spiele aber eine Schlüsselrolle bei der sozialen Integration.

Verpflichtung, deutsche Sprache zu lernen

Kinder, die vor dem Eintritt in den Kindergarten kaum oder gar keine Deutschkenntnisse haben, sollen deshalb verpflichtet werden, die deutsche Sprache zu erlernen. Dafür bräuchten die Gemeinden neue rechtliche Grundlagen. Die Regierung müsse dabei auch Varianten für die Finanzierung prüfen, wird in der Motion verlangt.

Konkret sollen Kinder mit sprachlichen Defiziten im Jahr vor dem Kindergarteneintritt «an mindestens zwei Halbtagen pro Woche in eine deutschsprachig geführte familienexterne Einrichtung» geschickt werden. Dazu gehören Kitas, Tagesfamilien, Spielgruppen oder andere Kinderbetreuungsangebote.

Auch im Rheintal ein Thema

rheintal24 hat Chantal Beusch und Ursula Stadlmüller von der Fachstelle Integration des Vereins St.Galler Rheintal in Rebstein zu diesem parlamentarischen Vorstoss befragt. «Keine Frage, die Frage des Sprachverständnisses bereits im Kindergarten ist auch bei uns im Rheintal ein Thema», sind die beiden Fachfrauen, die sich schon lange mit dieser Materie befassen, überzeugt, «Und auf dieses Thema hinzuweisen, ist sehr gut. Die Frage ist aber, was für Massnahmen ergriffen werden und wie diese dann in die Praxis umgesetzt werden. Die Forderung der Initianten, dass fremdsprachige Kinder möglichst schon vor dem Kindergarten auch möglichst gut Deutsch sprechen, ist in Ordnung. Die Kinder können nur profitieren.»

Beim Spielen kommunizieren die Kinder miteinander und lernen dabei auch spielerisch die für sie neue Sprache. Bild: zVg

In der Fachstelle Integration bei Verein St. Galler Rheintal hört man aus Kindergärten, Schulen, aber auch von Eltern immer wieder davon, dass sich Kinder von frisch aus dem Ausland zugezogenen Familien mit der deutschen Sprache noch schwer tun. «Man muss die Sichtweise auf diese Sache ändern: Die Mehrsprachigkeit ist als positive Ressource anzuschauen. Es ist ein Geschenk, wenn man mehrere Sprachen kann!» gibt sich Chantal Beusch überzeugt. Doch die Befürchtung, dass mehrere Sprachen ein Kinder verwirren könnten, halte sich hartnäckig.

Aktivitäten über die Elternbildung

«Und genau dort müssen wir ansetzen und aufklären», sagt Ursula Stadlmüller, «ein grosser Teil der Aktivitäten muss über die Elternbildung gehen. Den Eltern muss die Wichtigkeit der Mehrsprachigkeit bewusst werden. Wir müssen ihnen aber auch Ressourcen zur Verfügung stellen: Bücher zum Vorlesen, Sprüchlein gemeinsam aufsagen, Reime machen.»

Familientreffs und Krabbelgruppen, wie auch Aktionen wie «Ich schenke Dir eine Geschichte» sind wichtige Voraussetzungen, um die Eltern zu erreichen. Bild: zVg

Dabei fokussiert man sich auf der Fachstelle Integration auf das Konzept, dass das Kind zumindest in einer Sprache in Wortschatz und Grammatik gut ausgestattet sein muss, damit das Grundgerüst passt. Dann lernen kleine Kinder eine zweite Sprache, mit der sie konfrontiert werden, automatisch. Wie früher, umso besser. Ohne grosse Anstrengung. Aber sie müssen einen Bezug zu der zweiten Sprache haben. Wie etwa im Spiel, wo man mit den Spielkameraden kommunizieren muss.

Treffpunkte in Familienzentren

Deshalb seien auch die Vorkindergartenspielgruppen und die Treffpunkte in den Familienzentren, in Mütter- und Elterncafé so wichtig. «Klar, dieses Jahr ist es sehr schwierig mit den Begegnungszentren wegen der Coronakontaktbeschränkungen. Aber sonst gibt es schon mehrere Treffs für Familien im Rheintal. Zum Beispiel in St.Margrethen, in Oberriet oder in Altstätten, wo ja in der Reburg ein Familientreff im Entstehen ist.» berichtet Chantal Beusch.

«Die Eltern wollen doch immer nur das Beste für ihre Kinder», ist Ursula Stadlmüller überzeugt, «Wir brauchen für die sprachliche Entwicklung der Kinder noch vor dem Kindergarten nur die Möglichkeiten und Gefässe, um bei den Eltern und den Regelstrukturen das Bewusstsein zu schaffen, dass die Mehrsprachigkeit etwas Tolles ist.» So wie etwa die zweisprachigen Elternbildungsmodule, die der Kanton zusammen mit der PHSG erarbeitet hat. Zweisprachige Broschüren, zweisprachige Animator*innen und die erfolgreiche Aktion «Schenk mir eine Geschichte».

sda/gmh/uh