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Region Rheintal
10.02.2021
11.02.2021 14:26 Uhr

Lockdown: Aufsperren oder geschlossen lassen?

Aufmachen oder zuschliessen? Keiner hat die endgültige Lösung (Bild: Archiv)
Aufmachen oder zuschliessen? Keiner hat die endgültige Lösung (Bild: Archiv) Bild: zVg
Einerseits werden die Stimmen, die einen Lockdown-Ausstieg fordern, immer lauter. Andererseits befürchten Bundesrat und Experten – mal wieder – eine neue Welle. Auch die rheintal24-Redaktion ist geteilter Meinung.

Seit Wochen befindet sich die Schweiz in einem harten Lockdown – und das könnte noch eine Weile so bleiben, wenn man den neusten Informationen, die aus dem Bundesrat durchgesickert sind, glauben möchte. Lockerungen im März werden aufgrund des unseligen Wirkens und der noch mangelhaften Kenntnisse der Virusmutationen aus England, Südafrika und Brasilien immer unwahrscheinlicher. Und das trotz sinkender Fallzahlen.

Wie lange geht das noch gut? Die Bevölkerung ist coronamüde, und auch in der Politik erheben sich immer mehr Stimmen, die einen Ausstieg aus dem Lockdown fordern. So beispielsweise auch die SVP Rheintal. Oder die FDP des Kantons St.Gallen: Sie schlägt vor, auf drei Ebenen zu handeln, um möglichst rasch aus dem Lockdown zu kommen: Schützen, entschädigen, impfen. 

SVP-Rheintal Präsident Markus Wüst: «Spätestens am 1. März muss der Lockdown beendet werden» (Bild: zVg) Bild: zVg

SVP will Gastrobetriebe öffnen

Besonders die jüngsten Massnahmen des Bundesrats, die am 13. Januar getroffen wurden, sind dem Kreisverband Rheintal der SVP ein Dorn im Auge. Markus Wüst, Präsident der SVP Rheintal: «Die Corona-Fallzahlen und alle von den sog. Experten herbeigezogenen Werte sind in der Schweiz seit Wochen am Sinken. Auch die Auslastung in den Spitälern hat sich wieder auf einem normalen Niveau eingependelt. Was aber zugenommen hat, sind die wirtschaftlichen Probleme vieler KMU’s und vor allem auch die psychischen und sozialen Probleme der Menschen. Daher ist der aktuelle Lockdown spätestens am 1. März aufzuheben und die Läden und Restaurants, aber auch die Fitnesscenter und andere Sport- und Kultureinrichtungen sind unter Einhaltung der Schutzkonzepte wieder zu öffnen.»

Auch die Homeofficepflicht solle wieder aufgehoben werden, da sie für viele Betriebe zu schwierigen Situationen führe.

Schutz statt Lähmung der Bevölkerung

«Wichtig ist, dass wir voll auf den Schutz der Risikogruppen setzen, anstatt die ganze Bevölkerung zu lähmen. Auch muss bei der Impfstrategie nun vorwärts gemacht werden», so Markus Wüst.

Die SVP würde auch auf bessere Kontrollen und höhere Voraussetzungen für die Einreise in die Schweiz. «Hier hat der Bundesrat einen ersten Schritt gemacht. Er hat die Grenzgänger von jeglichen Kontrollen ausgenommen und da ist uns nun Österreich zuvorgekommen. Grenzgänger zwischen Vorarlberg und der Schweiz müssen sich nun einmal pro Woche testen lassen.» 

 

FDP-Geschäftsführer Christoph Graf Bild: zVg

Verzweifelte Unternehmer

Für die FDP St.Gallen-Geschäftsführer Christoph Graf ist klar: «Für Unternehmen wird es immer schwieriger, sich zu behaupten. Viele Dienstleister bemühen sich seit bald einem Jahr, ihre Geschäfte am Leben zu erhalten, Arbeitsplätze zu sichern und irgendwie durch die Krise zu kommen. Solche haben auch nicht so eine grosse Lobby wie die Gastronomie oder die Spitäler. Damit wird es sehr schwierig, an finanzielle Unterstützung zu kommen. Wir haben sehr viele verzweifelte Anrufe erhalten.» Sollte der Lockdown noch länger dauern, so fordert die FDP St.Gallen, dass Solidarbürgschaftskredite neu aufgegleist sowie Härtefallhilfen beschleunigt und ausgebaut werden. «Damit verschulden wir aber die künftigen Generationen», gibt Graf gleichzeitig zu  bedenken.

Weiter kann man sich bei der FDP vorstellen, dass Restaurants für geimpfte Personen oder jene mit Antikörpern geöffnet werden: «Das soll aber nur eine vorübergehende Lösung sein und keine Diskriminierung fördern. Aber so könnten Betriebe wenigstens etwas anstatt gar nichts erwirtschaften», so Christoph Graf. Er findet, dass die aktuelle Impfaktion zu schleppend vorangeht: «Natürlich hat das auch etwas mit den Lieferengpässen zu tun. Aber auch sonst scheint es, dass der Kanton St.Gallen nicht bestens vorbereitet war – beispielsweise, was die Logistik angeht.»

So hat sich die Corona-Kurve im Kanton St.Gallen in den vergangenen Monaten entwickelt (Quelle: sg.ch) Bild: zVg

Warum zögert der Bundesrat?

Nun stellt sich die Frage, warum der Bundesrat keine Lockerungen in Erwägung zieht? Schliesslich sind Fallzahlen in den vergangenen Wochen gesunken, es gibt mittlerweile vielversprechende Impfungen, und die Spitäler stehen mitnichten vor dem Kollaps. Die Reproduktionszahl R, die angibt, wie viele Personen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt, lag am 26. Januar bei 0,88.

Ein neuer Faktor bei der aktuellen Corona-Politik sind die Virusmutationen. Diese seien viel ansteckender als das «normale» Coronavirus, sagt der Bundesrat, und begründet damit seine weitere harte Linie. Denn Experten befürchten (mal wieder, möchte man hinzufügen), dass die Mutationen Überhand gewinnen und sich wöchentlich verdoppeln könnten. Gesundheitsminister Alain Berset nannte diesen Zustand «Pandemie in der Pandemie».

Zu frühe Lockerungen könnten zu einer dritten Welle führen; das möchte der Bundesrat mit allen Mitteln verhindern. «Wir sollten jetzt das, was erreicht wurde, nicht aufs Spiel setzen.» Es brauche noch etwas Geduld und Disziplin, so Berset.

Lexit: Ja oder Nein?

Sollen wir sofort aus dem Lockdown aussteigen oder noch zuwarten? Dr. Gerhard Huber, leitender Redaktor von rheintal24, und Dr. Stephan Ziegler, Chefredaktor der MetroComm AG, haben unterschiedliche Meinungen.

Pro:

Inzwischen wird wohl jeder gemerkt haben, dass es dem Chinavirus so ziemlich egal ist, welche Massnahmen wir anordnen: Es kommt in Wellen und foutiert sich um Lockdown-Szenarien, die wir ihm entgegenstellen. Wir wissen schlicht noch nicht, welche Massnahmen greifen und welche nutzlos sind. Macht es da Sinn, mit der Schrotflinte auf das Virus zu schiessen, in der Hoffnung, dass vielleicht eines der vielen Kügelchen trifft, die anderen aber - bestensfalls - nutzlos verpuffen oder - schlechtestenfalls - massive Kollateralschäden hervorrufen?

Ich finde: Beschränken wir die Massnahmen auf persönlichen Schutz wie Maske, Abstand und Impfen - und lassen wir die Finger von Schliessungen und dergleichen, da deren Nutzen mehr als angezweifelt werden darf. Was soll es bringen, Fitnesscenter und Einkaufsläden zuzumachen, bei denen die Besucherzahl einfach über Quadratmeterregeln gesteuert werden könnte, aber Coiffeure und Massagestudios offenzulassen, bei denen sogar anhaltender körperlicher Kontakt stattfindet?

Beendet diesen Unsinn, und zwar besser heute als morgen. Zu hoch ist der Preis, den wir für unsichere Resultate bezahlen. 

Stephan Ziegler

Contra:

Corona ist immer noch eine tödliche Gefahr. Auch wenn hauptsächlich die ältere Generation von den Sterbefällen betroffen ist und dies so manchen zum Zynismus und zur Gleichgültigkeit verleitet: Jedes verkürzte und aufgrund einer vermeidbaren Erkrankung beendete Leben zählt.

Und ein Ende der Pandemie durch eine Durchimpfung der Bevölkerung wird bei der derzeit in der Schweiz an den Tag gelegten Impfgeschwindigkeit noch länger dauern, als es die grössten Negativskeptiker vorhergesagt hatten.

So gibt es noch bis weit in den Herbst hinein nur alte Rezepte, um die weitere Ausbreitung des Virus und weitere Sterbefälle bestmöglich zu verhindern: Maske, Handhygiene, Abstandhalten. Und persönliche Kontakte auf ein Minimum reduzieren. Das bedeutet nun einmal: die Orte, an denen in normalen Zeiten Kontakte stattfinden, wie Gaststätten, Sportplätze, Kino, Theater usw. geschlossen halten. Auch die Schulen. Was von allen Beteiligten grosse Opfer verlangt. Grosse Solidarität mit allen, die vom Virus bedroht sind.

Ich bin ein Verfechter der No-Covid-Strategie. Und habe diese schon im Frühherbst vertreten. Nehmen wir uns ein Beispiel an jenen Staaten, die inzwischen beinahe Covid-frei sind. An Südkorea, Vietnam, Neuseeland oder Australien. Wo mit schärfsten Massnahmen und härtesten Lockdowns über relativ kurze Zeiten die Ansteckungsraten auf beinahe Null gedrückt wurden. Und damit wieder ein «normales» Leben ermöglichten.

Das Ermüdendste und Schlechteste für Wirtschaft und Bevölkerung ist dieser Schlingerkurs, auf dem wir uns in der Schweiz seit Beginn der Pandemie befinden: Geschäfte auf, Geschäfte zu; Schulen auf, Schulen zu; Gastro auf, Gastro zu. Und immer, wenn sich die Ansteckungsraten nach unten bewegen, kommen wieder die massiven (und verständlichen) Forderungen nach Lockerung der Massnahmen. So wird das nichts werden.

Gerhard Huber

 

Was meinen Sie? Soll der Lockdown verlängert oder aufgehoben werden?

Schreiben Sie uns an redaktion@rheintal24.ch

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