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Region Rheintal
29.10.2025
30.10.2025 17:18 Uhr

«Einer der schönsten Berufe, die es gibt»

Markus Ritter
Markus Ritter Bild: Marlies Beeler-Thurnheer
«Bauerngeneral» Markus Ritter möchte die Bürokratie in der Landwirtschaft abbauen. Zudem sollen Landwirte für ihre Produkte eine höhere Wertschöpfung erzielen können, um die tiefen Einkommen zu steigern.

Markus Ritter, 2024 wurden 3,6 Milliarden Franken Direktzahlungen und weiterer Subventionen bezahlt. Kritiker sagen unter anderem, dass die Landwirtschaft auch deshalb zu wenig Interesse an nachhaltigen Innovationen habe.

Die Direktzahlungen an die Landwirtschaftsbetriebe machen pro Jahr 2,8 Milliarden Franken aus. Damit werden die gemeinwirtschaftlichen, nicht marktfähigen Leistungen abgegolten.

Dazu gehören unter anderem die Biodiversitätsflächen, die Pflege der Hang- und Steillagen im Berggebiet, die Pflege der Sömmerungsflächen, die ­Landschaftsqualitätsbeiträge, die Biobeiträge, die Beiträge für die Hochstammobstbäume oder auch die Beiträge für das Tierwohl.

Weiter gibt es Strukturhilfen, vor allem für die Betriebe im Berggebiet. Dort, wo der Grenzschutz abgebaut wurde – zum Beispiel bei der Milch für Käse –, wird auch eine Verkäsungszulage ausgerichtet. Die Zahlungen an die Landwirtschaft basieren auf einem Verfassungsauftrag und der darauf aufgebauten Agrargesetzgebung.

«Es gilt, auch einer kommenden Generation Perspektiven in der Landwirtschaft zu bieten.»
Markus Ritter

Mit dieser Summe stammt fast die Hälfte des Bruttoeinkommens der Landwirte vom Staat, das dürfte weltweit der höchste Wert sein. Sind Landwirte noch Unternehmer oder schon Staatsangestellte?

80 Prozent des gesamten Umsatzes der Schweizer Landwirtschaft wird mit dem Verkauf der Produkte am Markt erzielt. Dies sind rund zwölf Milliarden Franken. Die Direktzahlungen machen am Gesamtumsatz heute einen Anteil von weniger als 20 Prozent aus.

Von übergeordneter Bedeutung beim Umsatz sind die Direktzahlungen für die Betriebe in den oberen Bergzonen und für die Sömmerungsbetriebe.

In Summe ist der Umsatz klein, Bauernfamilien können von Einkommen effektiver Staatsangestellter nur träumen. Wie kommt Ihre Branche je aus diesem Dilemma?

Kaum eine andere Branche hat pro Arbeitskraft einen so hohen Kapitalbedarf für die Betriebsmittel wie die Landwirtschaft. Der Boden, die Gebäude, die Maschinen, das Vieh und die Vorräte sind im Erwerb und im Unterhalt kostenaufwendig.

Dies macht es sehr anspruchsvoll, ein vergleichbares Einkommen mit der übrigen Wirtschaft zu erzielen. Zudem sind die Betreuung und Pflege der Tiere ein 365-Tage-Job. Das Leben in und mit der Natur verlangt viel Flexibilität, gerade wenn das Wetter nicht mitmacht. Trotzdem ist Landwirt zu sein einer der schönsten Berufe, die es gibt.

Die Schweizer Landwirtschaft wird auch durch umfangreiche Zölle auf ausländische Agrarprodukte bevorzugt. Sie haben einen geschützten Markt.

Dies ist aufgrund des hohen Kostenumfelds in der Schweiz auch notwendig, wenn die Schweizer Landwirtschaft bestehen und ihren Verfassungsauftrag erfüllen soll.

Trotz des Grenzschutzes wendet ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt nur 6,7 Prozent des Einkommens für Lebensmittel auf. Dies ist weltweit einer der tiefsten Werte.

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

Sie führten Ihren eigenen Betrieb als Bio-Bauernhof. Etwas vereinfacht bedeutet das: mehr Arbeit, weniger Ertrag. Honorieren die Konsumenten das?

Ja, die Preise und auch die Wertschätzung für die Arbeit der Bauernfamilien sind bei der biologischen Produktion gut. Die Produktion ist sicher deutlich arbeitsaufwendiger und auch die Erträge sind kleiner. Wichtig ist, dass man mit den möglichen Risiken gut umgehen kann und die Chancen nutzt.

«Jede Branche hat ihre Rahmenbedingungen, mit denen sie zurechtkommen muss.»
Markus Ritter

2023 haben Ihre Söhne den Hof übernommen. Fühlen sie sich in ihrer unternehmerischen Freiheit durch Direktzahlungen und viele weitere Regulierungen eingeschränkt?

Jede Branche hat ihre Rahmenbedingungen, mit denen sie zurechtkommen muss. Es gilt, aus dem Standort des Betriebs und den eigenen Interessen und Fähigkeiten das Bestmögliche zu machen. Mit dem soeben realisierten Stallneubau haben unsere Söhne ein sehr innovatives Projekt erfolgreich umgesetzt.

Landwirte beklagen sich über immer grösseren bürokratischen Aufwand – der oft eine Konsequenz von Direktzahlungen ist. Lässt sich das nicht schlanker organisieren?

Ja, daran arbeiten wir tagtäglich. Bundesrat Guy Parmelin unternimmt in diese Richtung auch spürbare Anstrengungen.

Die Schweiz strebt einen Selbstversorgungsgrad von 50 Prozent an. Also müssten Landwirte auf Teufel komm raus produzieren, was der Boden hergibt. Gleichzeitig soll die Landwirtschaft nachhaltiger werden.

Ein Widerspruch?

Unser Auftrag besteht in einer nachhaltigen Produktion. Dabei sollen die Produktion von Lebensmitteln, die Ökologie und die sozialen Ziele in Einklang stehen.

Bundesrat Schneider-Ammann sagte noch 2017, dass der Bundesrat alles unternehme, damit unser Netto-Selbstversorgungsgrad nicht unter 55 Prozent sinkt. Jetzt sind wir noch bei 46 Prozent. Diese Thematik muss ein Schwerpunkt der kommenden Agrarpolitik sein. Die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln ist einer unserer Kernaufträge.

Der Bundesrat erarbeitet gerade die Agrarpolitik 30+, was vermutlich bedeutet: Die Zahl der Gesetze und Vorschriften wird noch grösser, die Zielkonflikte in der Landwirtschaft bleiben. Die «Bauernlobby» hat in Bundesbern grossen Einfluss: Auf welche Ziele steuern Sie hin?

Die Vereinfachung des ganzen Systems der Agrarpolitik steht sicher ganz oben auf der Agenda. Es gilt, die Bürokratie abzubauen. Daneben wollen wir die Wertschöpfung, die wir mit den Produkten auf dem Markt erzielen können, und damit auch die Einkommen steigern.

Es gilt, den Bauernfamilien und auch einer kommenden Generation Perspektiven in der Landwirtschaft zu bieten. Nur so können wir auch unsere Kinder und Enkelkinder für diesen Beruf begeistern.

Markus Ritter ist seit 2012 Präsident des Schweizerischen Bauernverbands. Von 1993 bis 2012 war er Stadtrat von Altstätten, 2011 wurde er als CVP-Politiker in den Nationalrat gewählt und seither dreimal bestätigt.

Der Mitte-Politiker gilt als einer der einflussreichsten Parlamentarier im Bundeshaus. 2025 unterlag Ritter bei einer Ersatzwahl in den Bundesrat seinem Parteikollegen Martin Pfister.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe des Ostschweizer Unternehmermagazins LEADER mit Schwerpunkt «Wirtschaftsfaktor Landwirtschaft». 

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Philipp Landmark