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Berneck
20.10.2025
20.10.2025 13:08 Uhr

Ein Appenzeller erobert den Torkel

Roger Bräu (4. von rechts) wurde am Samstag in Berneck feierlich zum Torkelmeister gekürt.
Roger Bräu (4. von rechts) wurde am Samstag in Berneck feierlich zum Torkelmeister gekürt. Bild: zVg
Der vergangene Samstag, 18.10.2025, war ein besonderer Tag in Berneck: Unter dem Quietschen eines jahrhundertealten Torkelbaums und dem Duft frisch gepresster Trauben wurde der Ex-Informatiker und Neu-Winzer Roger Breu feierlich zum Torkelmeister ernannt – inmitten einer urigen, traubensaftgetränkten Zeremonie.

Noch bis vor wenigen Jahren war Roger Breu als Informatiker bei Tech-Riesen wie Google und Microsoft tätig. Heute steht er mit beiden Beinen auf dem Rebbergboden und keltert Trauben, statt Codes zu schreiben. «Ich wollte etwas Echtes machen – etwas, das man am Abend in der Hand halten kann», erzählt er. Gesagt, getan: zwei Jahre Ausbildung zum Winzer, 50 Prozent im Wein, 50 Prozent mit der Tochter – ein Leben, das für ihn heute wesentlich mehr Erfüllung bedeutet.

Ein Torkel mit Geschichte

Die Kulisse für diese Wandlung konnte passender nicht sein: das ehrwürdige Riegelhaus Laager an der Husenstrasse 5 in Berneck, 1698 erbaut, einst Teil des Spitalamts St.Gallen. Hier wurden bis 2015 die Trauben gekeltert, danach drohte das Ende der Tradition.

Doch eine Gruppe engagierter Bernecker wollte das nicht hinnehmen und gründete kurzerhand die Torkel-Mannschaft Berneck – heute 20 Personen stark, drei Generationen umfassend, mit dem Ziel, das uralte Handwerk des Kelterns am Leben zu erhalten und das Know-how an die nächsten Generationen weiterzugeben.

Drucken mit 300 Jahren Erfahrung

Am vergangenen Samstag war es dann wieder so weit: Unter den Augen zahlreicher Zuschauer wurde gleich dreimal «gedruckt», wie das Pressen hier genannt wird.

Mithilfe eines imposanten Torkelbaums aus dem Jahr 1696 wurden rund 1'000 Kilogramm Blauburgundertrauben mit exakt 102 Öchslegrad (ein Mass für den Zuckergehalt) verarbeitet. Der Ertrag: rund 700 Liter süsser Sauser, der später im Weingut Tobias Schmid & Sohn AG in der Hinterburg zum fertigen Wein gekeltert und abgefüllt wird.

Der Torkelbaum wird nach alter Tradition von Hand in Bewegung gesetzt Bild: Astrid Nakhostin

Die Torkel-Zeremonie: Zwischen Brauchtum und Bruderschaft

Nach dem dritten Druck um 19 Uhr wurde es feierlich. Mit dem ehrwürdigen «Schwörstab» des Hofes Bernang wurde Roger Breu offiziell in die Reihen der Torkelmeister aufgenommen und mit dem Gelübde am Stab in die Pflicht genommen.

Dabei stellte ihn Zeremonienmeister Jakob Schegg den Anwesenden augenzwinkernd als «heruntergekommenen Appenzeller» vor. Diese Bezeichnung war natürlich liebevoll gemeint und seinem Wohnortwechsel aus Oberegg im Appenzellerland ins St. Galler Rheintal geschuldet.

Aus den Trauben wurde fruchitg-süsser Sauser gewonnen. Bild: Astrid Nakhostin

Ein Tropfen Heimat

Der frisch gepresste, noch gärende Sauser durfte von den Gästen direkt verkostet werden: ein süss-fruchtiger Gruss aus dem Rebberg unter dem Haus in der Huserhade, der zeigt: Hier lebt ein Stück lebendige Tradition weiter – in Fässern und Flaschen, aber vor allem in Menschen wie den anwesenden Winzern und dem neu gekürten Torkelmeister Roger Breu.

Astrid Nakhostin