In einem Familienunternehmen aufzuwachsen, sei eine «schöne Chance», sagt die 38-jährige Tina Gautschi. Als Kind sei sie zwar nicht bei Geschäftsleitungssitzungen dabei gewesen, doch vieles wurde im traditionsreichen Familienunternehmen von ihrem Vater, ihrer Mutter, ihrem Grossvater und ihrer Tante zu Hause am Mittagstisch erörtert.
«Als Kind bekommt man die Konversation der Erwachsenen mit, ob man will oder nicht.» Im Familienrahmen wurde über aktuelle Themen gesprochen, es wurden wichtige Aufträge diskutiert und auch über Mitarbeiterschicksale geredet. Tina Gautschi hörte mit und lernte ihre ersten Unternehmerinnen-Lektionen, auch wenn das Kind noch keinen Gedanken daran verschwendete, möglicherweise einmal Chefin dieses Unternehmens zu sein. Dieser Gedanke reifte erst später, als sich Tina Gautschi im Baubereich weitergebildet hatte.
«Konkret wuchs der Wunsch, den Schritt zu wagen und das Unternehmen zu übernehmen, erst 2018», sagt Gautschi. Zu jenem Zeitpunkt gehörte die Gautschi-Gruppe in St.Margrethen ihrem Vater als Hauptaktionär und ihrer Tante, die keine Kinder hat. Tina Gautschi selbst hat eine Schwester, die aber kein Interesse am Bau zeigte.
Leidenschaft für Baumaschinen
Das war bei Tina Gautschi ganz anders, schon als kleines Kind hatte sie Freude an Baggern, an Kränen, an Baustellen – «ich habe eine aussergewöhnliche Leidenschaft für Baumaschinen, das habe ich wohl von meinem Vater geerbt». Diese Faszination lebte sie nicht nur theoretisch aus: «Als Kind bin ich im Werkhof und im Steinbruch mit dem Jeep, dem Bulldozer und überhaupt allem, was so herumstand, gefahren. Damals ging so etwas noch.» Und weil die Pfadi sich gleich neben dem Firmengelände traf, wurde das Bauunternehmen von «Pfadi-Tina» Gautschi und ihren Gspänli als Spielplatz genutzt.
«Wir haben alles verwendet, was nicht niet- und nagelfest war», erinnert sie sich, «wir haben uns einen Spass daraus gemacht, mit alten Dumpern im Steinbruch herumzufahren.» Eigentlich hätte dieser Spielplatz nach dem Gusto von Tina Gautschi auch ihr Ausbildungsort werden sollen, eine Maurerlehre hätte ihr zugesagt.
Ihr Vater riet ihr jedoch ab und empfahl, einen Beruf zu erlernen, bei dem sie später als Mutter einfach wieder einsteigen könnte. Also machte sie eine KV-Lehre bei SFS, sie verkaufte Bewehrungsstahl und hatte somit auch einen Bezug zur Baubranche, obwohl sie lieber selbst gebaut hätte. Sie lernte auch die Zahlenseite des Geschäfts kennen, «heute sehe ich das als Vorteil».
Unmittelbar nach der ersten Berufsausbildung zog es Gautschi in die Rekrutenschule, in der Armee wurde sie, wenig überraschend, den Sappeuren zugeteilt – den Genie-Truppen also, deren «Waffen» primär Baumaschinen sind.