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10.09.2025

Wie ein Handschlag zur Falle wurde

Die Idylle in Gais ist zurzeit getrübt
Die Idylle in Gais ist zurzeit getrübt Bild: gais.ch
Peter Holderegger aus Gais schildert, wie ein harmloses Nachbarschaftsabkommen auf seinem Hof zum juristischen Albtraum geriet.

Was mit einem Handschlag für 300 Franken pro Monat begann, entwickelte sich laut Recherchen des Justiz-Portals «Inside-Justiz.ch» zu einem unbewilligten Reitbetrieb – begleitet von Anzeigen, Verleumdungen und Behördenreaktionen, die ihn als Eigentümer nicht schützten, sondern kriminalisierten.

2019 stellte Holderegger dem Ehepaar K. Pferde auf dem Hof in Gais ein – ein unkomplizierter Deal. Doch ab 2022 boten die beiden über ihre Einzelfirma «My XY-Farm» (Name bekannt) kommerziell Reitstunden, Events und Therapieangebote an – ein klares Vergehen gegen das seit 1998 bestehende Gewerbeverbot der Gemeinde.

Als Holderegger dem Ehepaar K. daraufhin kündigte, folgten laut «Inside-Justiz» systematische Verleumdungen, Behörden wurden manipuliert, Nachbarn einbezogen. Für Holderegger, Wirtschaftssoziologe und Psychotherapeut, war das ein Muster «Pseudologia phantastica» – krankhafte, gezielte Lügen, die er als gezielte Rufmordkampagne beschrieb.

Die Reaktion der Appenzeller Justiz: dramatisch und paradox. 

Das Gericht erliess mehrere superprovisorische Verfügungen, mit denen Peter Holderegger jede Handlung auf seinem Hof untersagt wurde – ohne Anhörung, ohne rechtliches Gehör, ohne Rücksicht auf die Eigentümerrechte (Art. 265 ZPO/Art. 29 BV). Selbst Strafbefehle wegen angeblich «unerlaubter Selbsthilfe» wurden später eingestellt – ohne Entschuldigung oder Erklärung.

Nicht besser agierte die Kommunikationsabteilung der Appenzeller Ausserrhoder Justiz: Mediensprecher Khalil Beydoun forderte von «Inside-Justiz» das Gegenlesen des Artikels – ein unzulässiger Versuch, redaktionelle Arbeit zu kontrollieren, der in jedem Journalismus-Seminar als beispielhaft falsch gilt.

Peter Holderegger Bild: inside-justiz.ch

Bekannt wurde der Staatsanwalt auch durch das aufgeblasene Verfahren gegen ein Jodelchörli wegen «Blackfacing» – öffentlichkeitswirksam gestartet, schliesslich kommentarlos eingestellt. Mit gehörigem Reputationsschaden für die Ausserrhoder Justiz. Zeitgleich deckte Holderegger auf, dass das Ehepaar in mehreren Gemeinden Betreibungen hinterlassen hatte, trotz laufender Firmenneugründungen.

Recherchen zeigen ein «nomadisierendes System»: Firmen gründen, Schulden hinterlassen, weiterziehen. Erst durch Holdereggers Strafanzeige wegen erschlichenem Covid-Kredit (15 000 Franken, vergeben durch die Raiffeisen, trotz Gewerbeverbot und fehlender Handelsregistereintragung) kam Bewegung ins Verfahren – und führte 2024 zu einem Strafbefehl gegen K.

Der Fall Holderegger ist längst über den privaten Streit in Gais hinausgewachsen.

Er steht exemplarisch für Schwächen, die in kleinen Kantonen besonders sichtbar werden: enge Netzwerke, fehlende Distanz, mangelnde Kontrolle.

Mangelnde Unabhängigkeit: In einem Umfeld, in dem sich viele Akteure persönlich kennen, fehlt oft die nötige Distanz. Entscheidungen gegen Bekannte oder lokale Netzwerke zu treffen, erfordert Mut – und dieser Mut war im Fall Gais nicht erkennbar. Statt sich klar zu positionieren, wurde weggeschaut oder der Ball hin- und hergeschoben.

Ungleichgewicht der Kräfte: Während das Ehepaar K. über Jahre hinweg seinen Betrieb unbehelligt weiterführen konnte, wurde der rechtmässige Eigentümer juristisch unter Druck gesetzt. Superprovisorische Verfügungen und Strafbefehle wurden nicht zur Klärung eingesetzt, sondern dienten faktisch als Mittel, ihn zum Schweigen zu bringen.

Verfahren statt Lösung: Anstatt Konflikte durch eine saubere Prüfung der Fakten zu bereinigen, wurden Verfahren zersplittert, verschleppt und verschoben. So entstand ein zermürbender Dauerzustand, der die Betroffenen schwächte und den eigentlichen Kern des Problems in den Hintergrund drängte.

Intransparenz und Blockade: Holderegger erhielt teils keine vollständige Akteneinsicht, Zuständigkeiten wurden zwischen Behörden verschoben, Verfahren liefen parallel, ohne dass sie sinnvoll koordiniert wurden. Für den Betroffenen entstand der Eindruck, dass man ihn bewusst ins Leere laufen liess.

Kommunikation statt Rechtspflege: Wenn die Justizbehörden schliesslich kommunizierten, geschah dies in Formeln und Floskeln. Substanzielle Antworten blieben aus, während gleichzeitig PR-Aktionen das Bild nach aussen bestimmten. Anstelle von Aufklärung und Transparenz herrschten Sprachregelungen, die das Vertrauen in den Rechtsstaat eher schwächten als stärkten.

Für Holderegger bleibt am Ende die bittere Erfahrung, dass er nicht Täter, sondern Eigentümer war – und dennoch zum Problem gemacht wurde.

Sein Fazit ist entsprechend klar: «Ich wollte nur, dass Recht gilt – und wurde zum Problem gemacht.»

Und doch hat er den Kampf nicht aufgegeben: «Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht – egal wie es ausgeht.» Der Fall zeigt: Wenn Kontrollstrukturen fehlen, können Verfahren zur Waffe werden – und der Rechtsstaat seinen Bürgern mehr schaden als nützen.

Den vollständigen Artikel finden Sie auf inside-justiz.ch/ar-gefangen-im-paradoxon

Roger Huber, inside-justiz.ch