Ja, das war ein Statement. Ein Statement, dass der Kulturbetrieb auch in Zeiten von Corona weiterleben muss. Dass gemeinsam alles getan werden muss, dass sowohl die Künstler als auch die Veranstalter diesen dunklen Herbst und Winter überleben können. Nachdem am Mittwochabend der Kabarettist Simon Enzler noch einen ausverkauften Auftritt im gemäss Schutzkonzept sitzplatzreduzierten Saal des Heerbrugger Madlen gegeben hatte, trat um Mitternacht die in Bundesbern verkündete sofortige Einschränkung der Höchstzahl von Besuchern auf 50 Personen in Kraft.
Comedy in Zeiten von Corona
Noch einmal „Wahrhalsig“
Entgegen der gestrigen Berichterstattung in anderen Rheintaler Medien entschlossen sich sowohl Simon Enzler als auch Pascal Zäch als Betreiber des Kinotheaters und Veranstalter des Kulturbruggfestivals, programmgemäss auch am Donnerstagabend noch einmal Enzlers Programm «Wahrhalsig» aufzuführen. Damit mehr als fünfzig Fans in den Genuss der geistigen Eskapaden des Appenzeller Comedians kommen können, wurde von Zäch eine innovative Lösung ersonnen. Aus einer Veranstaltung wurden ganz einfach zwei gemacht. Denn die Livevorstellung im Kinosaal vor fünfzig Personen liess Pascal Zäch live in den im selben Gebäude situierten «Kulturraum» übertragen, wo noch einmal dreissig Zuschauer Platz finden könnten.
Einige Bauchmuskelkater im Gefolge
Das Experiment ist gelungen. Denn in beiden Räumlichkeiten herrschte eine gelöste Stimmung, die von Enzler in seiner unnachahmlichen Art provozierten Lachanfälle hatten mit Sicherheit so einige Bauchmuskelkater zur Folge. Wie Pascal Zäch eingangs des Comedyabends erklärte, sei der Abend auch deshalb möglich geworden, weil Simon Enzler, der sonst üblicherweise vor 500 Zuschauern auftritt, seine Gage den Gegebenheiten angepasst habe.
Typischer Appenzeller Kleinbürger
Enzler selbst liess sich nichts anmerken, sondern spielte sein Programm «Wahrhalsig» mit der ihm eigenen Lust am «Granteln». Als vermeintlich typischer Appenzeller Kleinbürger philosophierte er über die Wahrheit an der Wahrheit und die Stärke einer Behauptung. Mäkelte am Beamtentum herum und erzählte die Geschichte, wie er mit einer vorzeitigen Pensionsabfindung einen Food-Truck kaufen wollte, um dort mit mediterranem Touch Bratwurst mit Balsamico zu verkaufen. Denn «irgendwoher muss der Geschmack ja kommen». Wie er zu früh mehrere Bananenschachteln mit Bratwürsten kaufte. Bratwürste, die er inzwischen unbedingt loswerden müsse, da aufgrund ihres zwischenzeitigen Fischgeruchs nur noch als Köder verwendbar.
Guggamusig auf Campingplatz
Köstlich, wie der Appenzeller über seinen Urlaub auf einem kroatischen Campingplatz philosophierte und sich dort gleich als Mitglied einer Guggamusigtruppe outete, als er in Herrgottsfrüh mit seinen Tubablasübungen startete. Und die nicht wirklich erfreuten Reaktionen seiner Zeltnachbarn mit dem Spruch abtat, «das ständige Lösen von Sudokus von denen stört mich ja auch.» Enzler gibt den kleinbürgerlichen renitenten Querulanten, der trotz allem in Wahrheit angepasst bleibt, der sogar in Kroatien sein geliebtes «Quöllfrisch» trinkt und über «Schützenbräu» lästert und sich in einem Zug darüber beschwert, dass die «Schwaben» womit alle Deutschen gemeint sind, ihr eigenes Bier harrasweise nach Kroatien karren.
Plädoyer gegen Engstirnigkeit
Ein herrlich komischer Auftritt, voll von hintergründigem und dennoch schenkelklopfererzeugendem Humor. Simon Enzler ist einer der wenigen, der den Spagat zwischen Flachwitzen und intelligenter Ironie findet. Ob er Vegetarier, Fructarier oder Flexitarier veräppelt, sich darüber lustig macht, dass sich früher sicher niemand von Rucola und Mungobohnen ernährt hat oder über «Sprusabölla» philosophiert, nie wird er verletzend oder erzeugt das Gefühl, Randgruppen blosszustellen. Sein Auftritt ist in Wahrheit ein Plädoyer gegen die kleinbürgerliche Engstirnigkeit.