Im Sommer 2020 gab Rico Kellenberger in einem Zeitungsporträt der Allgemeinheit einen Einblick in seine persönliche Philosophie. Es ging um seine Kandidatur als Präsident des Auer Ortsbürgerrats. Im Beitrag hiess es:
«Ein Grundsatz Rico Kellenbergers lautet: Mach nie etwas zweimal.»
Das ist genau fünf Jahre her. In dieser Zeit wurde der Grundsatz offenbar kräftig überarbeitet – ins exakte Gegenteil. Die Wendung «Nie etwas» hat offenbar ein Verfalldatum.
Vier Männer wollen am 28. September bei der Ersatzwahl Präsident der Ortsgemeinde Au werden. Darunter der besagte Rico Kellenberger. Das Amt hatte er bereits von Januar 2021 bis August 2022 inne. Dann trat er aus gesundheitlichen Gründen zurück. Früher war er mal Gemeinderat in Au, bevor er vorzeitig zurücktrat. Aus gesundheitlichen Gründen.
Hoher Unterhaltungswert
«Sag niemals nie», wusste schon James Bond. Rico Kellenberger ist offenbar kein Fan von 007, hielt sich nicht an die Regel und liess sich dabei erwischen. Der Mann, der «nie etwas zweimal» macht, will exakt dasselbe Amt zum zweiten Mal wieder. Vielleicht hält er sich eher an den einstigen deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer, von dem der Satz überliefert ist: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?»
Fünf Jahre lang «nie»: Das klingt zunächst etwas inkonsequent, ist aber im Grunde nur folgerichtig. Es fügt sich bestens ein in die ganzen Irrungen und Wirrungen rund um den Ortsbürgerrat Au. Dieses Gremium ist längst eine Truppe geworden, zu deren Sitzungen man Eintritt verlangen und Popcorn verkaufen könnte. Der Unterhaltungswert ist höher als in jedem Zirkus. Und in jedem Zoo.
Bei seiner erfolgreichen Kandidatur 2020 besiegte Rico Kellenberger seinen Konkurrenten Christoph Kempter. Der holte sich das Amt nach dem vorgezogenen Rücktritt des Siegers dann doch noch, verteidigte es bei der nächsten ordentlichen Wahl und strich einige Wochen danach seinerseits die Segel. Nicht gesundheitlich bedingt, sondern weil ihm die Zusammenarbeit im Rat nicht mehr weiter möglich schien.
Wer auch immer es wird Ende September: Er darf – oder vielleicht doch eher muss – noch bis 2028 mit den anderen Ortsbürgerräten zusammenarbeiten. Wie entspannend das ist, kann man als Aussenstehender angesichts der wiederkehrenden Fluchtbewegungen an der Spitze einigermassen abschätzen. Es wurde auch an dieser Stelle schon einmal thematisiert.
https://rheintal24.ch/articles/298359-die-auer-ortsbuerger-muessen-ueber-die-buecher
Ich bedauere es zutiefst, kein Ortsbürger zu sein – dafür muss ich noch ein paar Jahre in Au abspulen –, denn es ist selbstredend viel spannender, als Stimmberechtigter an diesem geordneten Wahnsinn teilzunehmen, als ihn nur zu beobachten. Dann könnte ich wenigstens aktiv mitbestimmen, wer sich als Nächstes auf diesen Foltersessel fesseln lässt.
Dann lieber einen Barkeeper
Wäre es «Mister Nie etwas zweimal» Rico Kellenberger? Oder der amtierende Vizepräsident und interimistische Präsident Marco Zoller? Oder Reto Gächter, der sein Glück auch bereits zum zweiten Mal versucht?
Angesichts der gemachten Erfahrungen würde meine Stimme wohl dem vierten Kandidaten gehören: dem Barkeeper Markus Köppel, der bei mir um die Ecke die «Magic Bar» betreibt. Der hatte bisher nämlich rein gar nichts mit dem ganzen Zirkus zu tun, was ihn schon mal sympathisch macht. Zudem zaubert er die besten Cocktails im Rheintal, vielleicht auch darüber hinaus. Damit sitzt er förmlich an der Quelle für die Momente, in denen das Treiben im Ortsbürgerrat nüchtern gar nicht mehr zu ertragen ist. Und von denen gibt es einige.
Nichts gegen einen reich befrachteten beruflichen Rucksack oder umfangreiche Erfahrungen in öffentlichen Ämtern. Aber was mich betrifft, gilt: Wenn mir einer einen perfekten «Pornstar Martini» kredenzt, gehört ihm mein ewiges Vertrauen. Angesichts der Vergangenheit scheint mir dieses Wahlkriterium inzwischen mindestens so berechtigt wie jedes andere. Die andere Frage ist nur, ob man dem netten Mann diese Wahl wirklich antun möchte.