Eine Stimme aus dem Riethüsli hat sich anonym bei uns gemeldet – aus Angst vor persönlichen Konsequenzen: Die Frau befürchtet, dass sie sozial abgestraft werden könnte, wenn sie ihre Meinung zum Verkehr in der Stadt St.Gallen mit ihrem Namen darlegt.
Ihr Punkt ist verstörend: Menschen, die nicht der «offiziellen» Meinung von Stadtrat, Stadtparlament und Teilen der Bevölkerung folgen (Velofahrer sind gut, Autofahrer schlecht), fühlen sich nicht mehr sicher, ihre Ansichten kundzutun – etwa dass ein Parkplatz beim Laden praktisch wäre. Oder dass der Pendler- und Einkaufsverkehr in und aus der Stadt nicht noch mehr schikaniert werden sollte.
Ein Klima der Einschüchterung, in dem Ladenbetreiber, Quartierbewohner oder Pendler befürchten, berufliche Nachteile oder soziale Ausgrenzung zu erleiden, wenn sie ihre Meinung frei äussern – das ist offensichtlich schon Alltag in St.Gallen.
Das ist beschämend.
Die Freiheit, auch unpopuläre oder abweichende Meinungen zu vertreten, darf kein Risiko sein. Wo bleibt hier der demokratische Freiraum, nach dem gerade autokritische Kreise oft und laut rufen?
Ich frage mich: Wie soll es so weitergehen? Will St.Gallen wirklich eine Atmosphäre, in der man vorsichtig sein muss, was man sagt? Wollen wir tatsächlich Denk- und Redeverbote in unserer Stadt?
Das kann nicht das Ziel sein.
Darum appelliere ich an alle, die mit der aktuellen Verkehrs-, Wirtschafts- oder Was-weiss-ich-was für eine-Politik nicht einverstanden sind: Zeigt euch. Sprecht öffentlich über eure Alltagserfahrungen. Steht zu eurer Überzeugung. Ihr werdet sehen, es gibt nicht wenige, die so denken wie ihr – aber aus Angst schweigen. Jede Stimme stärkt hier auch alle anderen.
Und diejenigen, die auf ÖV und Velos abfahren, bitte ich: Das sei euch unbenommen, ich gönne euch das Transportmittel eurer Wahl von Herzen. Aber grenzt Menschen, die anderer Meinung sind, nicht aus, diffamiert sie nicht, macht sie nicht nieder. Das ist unserer Demokratie unwürdig.
Es braucht wieder mehr Rücksicht und Toleranz von beiden Seiten – leben und leben lassen, ist auch hier gefragt.
Es braucht wieder mehr offene Debatten, nicht das Schweigen aus Angst.