Die personelle Situation im RAV Heerbrugg geriet durch die Balger SP-Politikerin Karin Hasler in der letzten Woche in die Schlagzeilen. Diese wollte vom Kanton wissen, wie sich die personelle Auslastung des RAV Heerbrugg in der Vergangenheit gestaltet hat und wie es um die Anonymität der Kunden bestellt war – schliesslich seien vor Kurzem Grossraumbüros eingeführt worden. Zudem fehlte lange Zeit ein Leiter und auch diverse Mitarbeiterstellen waren unbesetzt. Das Resultat: Mehr Arbeitslose auf weniger Mitarbeiter.
Die Regierung antwortete damals damit, dass sämtliche vakanten Stellen wieder besetzt werden und auch bereits ein Leiter gefunden werden konnte. Denn das RAV war nicht nur unterbesetzt, sondern auch monatelang ohne einen Leiter. Die Regierung gelobte zudem Besserung in der Personalsituation. Doch Hasler ist damit nicht zufrieden und erwägt weitere Schritte, wie sie im exklusiven Interview mit Rheintal24 erklärt.
«Zu wenig Austausch und Kooperation»
«Wir haben über einen längeren Zeitraum hinweg Stimmen aus der Bevölkerung erhalten. Es ist daher für die ansässigen Kantonsräte eine Aufgabe, darauf hinzuweisen, falls die Probleme nicht vom Amt selbst erkannt werden. Wir nehmen die Menschen ernst und repräsentieren auch ihre Bedenken», begründet Hasler den Vorstoss.
Die Antwort der Regierung kam kurz darauf, doch Hasler ist alles andere als glücklich damit. Viel mehr sieht sie einen Grund zur Sorge. «Wenn Sie die ersten zwei Abschnitte der Regierungsantwort lesen, geht es nur um die Mitarbeiter, nicht um die Versicherten. Alle beschriebenen Massnahmen beziehen sich auf das Personal und nicht auf die zu betreuenden Menschen. Darüber wird kein Wort verloren, das sollte schon nachdenklich stimmen.»
Ihre Einschätzung der Lage sei daher, dasss es offenbar zwischen dem Amt für Arbeit und dem RAV Heerbrugg «über einen längeren Zeitraum hinweg» zu wenig Kooperation und Austausch gegeben habe. «Dies könnte auch mit dem fehlenden Leiter zu tun haben.»
Da hilft auch die Antwort der Regierung nicht. «Liest man die Antwort zu den Fallzahlen und Stellenbesetzungen, dann tönt es alles sehr theoretisch, man bekommt den Eindruck, dass die Antwort nur auf der Basis von Zahlen im Computer des Amtes geschrieben wurde, nicht aber im realen Austausch mit dem RAV-Standort.»
«Wie sieht es in einer wirklichen Krise aus?»
Diese Probleme wirkten sich angeblich auch auf die Kunden aus. «Manche fühlten sich weder hinreichend persönlich betreut, noch individuell begleitet. Jede Laufbahn und Biographie ist ja total anders und verlangt nach individuellen Massnahmen. Wenn man aber als Versicherter standardisierte Briefe erhält, die wahrscheinlich mehr mit der Fallbelastung und dem Zeitdruck zu tun haben, als mit einer zielführenden Beratung, dann ist das schon schwierig.»
Fallbelastung und Zeitdruck sind gute Stichworte: In ihrer Antwort gab die Regierung zu, dass die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter überdurchschnittlich ist. «Sie sagt aber nichts dazu, was das für die Mitarbeiter bedeutet, wie sie entlastet werden, wie die Fluktuation und die Situation mit der Überzeit aussieht.»
Daher stellt die Politikerin die Frage in den Raum, wie es sein werde, wenn das RAV bereits in Zeiten geringer Arbeitslosigkeit an die Belastungsgrenzen kommt? «Wie sieht es dann in einer wirklichen Krise aus?» Man frage sich, ob wirklich vorausschauend geplant wird. «Die Regierung schreibt ja selbst, dass eine entlastende Wirkung erst mit Verzögerung einsetzen wird. Was, wenn die Arbeitslosigkeit steigt? Wir sind besorgt, denn was für Lehren zieht man aus der aktuellen Situation, wie kann zukünftig eine solche Situation verhindert werden, die auf Kosten der Versicherten und der Mitarbeiter geht?»
«Schon fast höhnisch»
Kurz: Hasler ist mit der Antwort der Regierung nicht zufrieden. Daher erwägt sie die Ergreifung weiterer Schritte. «Wir werden die Situation genau weiterverfolgen. Für uns ist klar: Die Situation ist aktuell nicht gut und muss sich verbessern. In unserem Nachbarkanton Thurgau kam es zur Situation, dass innerhalb von wenigen Stunden 150 Mitarbeiter urplötzlich vor einer ungewissen, beruflichen Zukunft stehen (Forster Küchen).» Wären die RAV auf so eine Situation vorbereitet? Augenscheinlich sei, dass die RAV in dieser schnelllebigen Zeit schnell reagieren müssen. Das dürfe aber nicht auf Kosten der Versicherten und auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter gehen.
«Auch bei den Argumenten zum Grossraumbüro geht es nur um die Mitarbeiter, das ist zwar sehr wichtig, aber halt nur eine Seite. Und ja, ich persönlich finde es sehr schwierig, dass in einer Zeit, wo alle nach Datenschutz schreien, ausgerechnet im RAV ein Grossraumbüro zu finden ist.» Beim Datenschutz während den Terminen vor Ort gehe es ja nicht um Daten im Computer, sondern um den Austausch vor Ort, den man einfach mithören kann. «Auf Pflanzen zu verweisen, ist schon fast höhnisch.»
«Seit Jahren ein Fachkräftemangel»
Rheintal24.ch konfrontierte auch das RAV Heerbrugg mit dem Artikel. Darauf angesprochen, warum die Besetzung einer Führungsperson dermassen lange brauchte, sagt das RAV: «Dass die Neubesetzung von Kaderpositionen mehr Zeit in Anspruch nimmt als Rekrutierungsprozesse für normale Stellen, ist nichts Ungewöhnliches. Diesbezüglich unterscheidet sich die öffentliche Verwaltung nicht wesentlich von der Privatwirtschaft. In Bezug auf Kaderpositionen besteht überdies seit Jahren ein Fachkräftemangel.»
Abgesehen davon gestalte sich auch der Auswahlprozess komplex mit mehreren Bewerbungsrunden, Interview und Assessments. «Wenn zudem eine erfahrene Führungskraft eingestellt wird, gelten von Seiten des bisherigen Arbeitgebers oftmals längere Kündigungsfristen. All diese Faktoren haben letztlich dazu geführt, dass die Stelle des RAV-Leiters in Heerbrugg längere Zeit unbesetzt geblieben ist.» Und: Die strategische und operative Führung des RAV sei auch ohne einen direkten Leiter stets durch den Hauptabteilungsleiter der ALV sowie über einzelne Teamleitungen sichergestellt gewesen.
MEM-Branche mit Kurzarbeit
Dem RAV ist es wichtig, zu betonen, dass es sich nicht um ein Versäumnis und auch nicht um eine Sparrmassnahme handelte. «Sondern ist schlicht den besonderen Umständen geschuldet, in denen sich die öffentliche Arbeitsvermittlung bewegt: Der Personalbestand auf den RAV richtet sich grundsätzlich nach klar definierten statistischen Kennzahlen des Bundes bzw. des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO.» Heisst: Bei einem Anstieg der Arbeitslosigkeit werden Berater eingestellt. Bei sinkenden Fallzahlen wiederum werden Berater nach einer Kündigung nicht mehr ersetzt.
Auch Corona spielte eine Rolle: «Im Nachgang zur Corona-Pandemie herrschte grosser wirtschaftlicher Nachholbedarf und die Zahl der Stellensuchenden ging bis Ende 2023 sehr stark zurück. Seither hat sich die konjunkturelle Lage in den exportorientierten Branchen eingetrübt, wobei jedoch zahlreiche Unternehmen lange Zeit noch von ihren aufgelaufenen Aufträgen zehren konnten. Insbesondere in der für das Rheintal wichtigen MEM-Branche greifen zahlreiche Unternehmen zudem auf das Instrument der Kurzarbeit zurück.»
«Bedarfsgerechte und effiziente Aufgabenerfüllung»
Und wie wirkte und wirkt sich das auf die Beratung und Betreuung für die RAV-Kunden aus? «Kurz- und mittelfristig unterstützen sich die insgesamt sechs RAV im Kanton St.Gallen im Rahmen eines Kapazitätsausgleichs gegenseitig, sofern dies die Entwicklung der Stellensuchendenzahlen erfordert. Im Fall des RAV Heerbrugg sorgte das RAV Sargans für entsprechende Entlastung.»
Wie bereits die St.Galler Regierung in ihrer Antwort auf die Interpellation von Kantonsrätin Karin Hasler ausgeführt hat, werden im Sinn einer optimalen Ressourcennutzung und Aufgabenerfüllung laufend organisatorische Anpassungen innerhalb der regionalen Strukturen geprüft. Dazu gehört auch die Analyse von Betreuungseinheiten und Zuständigkeitsbereichen im Hinblick auf eine bedarfsgerechte und effiziente Aufgabenerfüllung.
«Entlastung bereits nach zwei Monaten»
«Aufgrund der Entwicklung der Stellensuchendenzahlen wurde eine notwendige Stellenaufstockung vorgenommen. Sämtliche vakanten Stellen im RAV Heerbrugg werden wieder besetzt.» Das Rheintal bzw. das RAV Heerbrugg ist in das System im Kanton St.Gallen eingebunden und unterscheidet sich in Bezug auf das Personalmanagement nicht von den anderen RAV-Standorten.
Die Fallbelastung pro RAV-Mitarbeiter an einer einzigen Zahl festmachen zu wollen, würde ein unvollständiges und irreführendes Bild vermitteln. Daher sah das RAV im Interview von einer Bezifferung ab. «Hier spielen unter anderem auch Faktoren wie Arbeitspensen, die Komplexität der einzelnen Fälle oder auch die Anzahl der An- und Abmeldungen innerhalb der entsprechenden Kundenportfolios etc. eine Rolle.»
Bis neue Mitarbeiter eine merkliche Entlastung in das RAV bringen, dauert es zudem seine Zeit. Wie lange diese effektiv ist, «hängt letztlich individuell von den Vorkenntnissen und dem Ausbildungsstand der neuen Mitarbeiter ab. Grundsätzlich kann nach ca. zwei Monaten bereits mit einer Entlastung gerechnet werden, welche natürlich mit der Zeit zunimmt. Der Kanton, das SECO und der Verband bieten dazu verschiedenste Ausbildungsprogramme an.»
«Mitarbeiter werden sensibilisiert»
Des Weiteren war auch die Diskussion rund um den Datenschutz Teil des Interviews: Während Karin Hasler weiterhin am Datenschutz zweifelt und auch die Antwort der Regierung nicht gut findet, hat das RAV eine klare Antwort. «Auch hier verweisen wir auf die Antwort der St.Galler Regierung auf die Interpellation von Karin Hasler. Es ist kein Fall bekannt, in dem es in einem der sechs RAV im Kanton St.Gallen zu einer Verletzung von Datenschutzbestimmungen gekommen wäre.»
Was die Einhaltung der Datenschutzvorgaben durch die RAV-Mitarbeiter betreffe, so unterschreiben diese beim Stellenantritt eine entsprechende Vereinbarung. Zyklisch finden obligatorische Kurse (e-Learnings) statt, an denen die Mitarbeiter für das wichtige Thema sensibilisiert werden.