Als „apokalyptische Lesung“ angekündigt, entpuppte sich der von Pro Cultura Rebstein veranstaltete fünfte Abend mit „nicht ganz braven Geschichten“ als Erzählabend. Da belebten Hans-Peter Enderli und seine beiden musikalischen Sidekicks Andi Loser und Tiian Tomson den guten alten Brauch, ja die Kunst des Geschichtenerzählens und der Musik mit reduzierten Zutaten. Ein Abend, wie er in den Salons und Bürgerzimmern in der Zeit vor der Erfindung von Kino, Radio und Fernsehen gang und gäbe war.
Apokalypse im Burgkeller Rebstein
Humor und Schalk in den Augen
Und schön ist ein solcher Abend. Wenn etwa Hans-Peter Enderli mit wohlondulierter Stimmer, mit Humor und Schalk in den von Lachfalten verzierten Augen manchmal böse-hintergründige, manchmal ganz einfach lustige, aber immer mitreissende Geschichten erzählt. Geschichten vom Ritter Fips, der mit seiner Rüstung von der Brüstung fiel. Oder von der über das Schachspiel und das Gleichnis der Verdoppelung der Reiskörner auf den 64 Feldern des Schachbretts philosophierenden Terrorattentäterin. Manchmal blieb einem schier das Lachen im Halse stecken ob der tragisch-humorigen Pointen. Hans-Peter Enderli rezitierte keine eigenen Werke, sondern aus Stücken des Meisters der Wortbeherrschung und des warmherzigen Humors Heinz Erhardt, sowie aus Büchern und Gedichten von Robert Gernhardt, Ernst W. Heine, Susi Schmid und anderen.
Musik, die sich in die Seelen der Zuhörer schleicht
Schöner und abwechslungsreicher war es mit Hans-Peter Enderli, aber auch bei einem Soloauftritt wären Andi Loser und Tiian Tomson einen Abend wert gewesen. Denn ihre Musik, die warme und klare Stimme der Estin Tiian Tomson und das gefühlvolle Spiel von Andi Loser, schlichen sich langsam und klammheimlich in die Seelen der Zuhörer. Alte Volkslieder aus Estland und Russland, triefend vor der typischen Schwermut und der Traurigkeit der russischen Seele, waren in ihrer Melancholie beinahe unerträglich schön. Wobei es die beiden Musiker auch lustig konnten. So bei dem brillanten Blues mit Dialekttexten oder dem zum Abschluss gesungenen Monty-Python-Hit „Always look on the bright side of life“. Als Zugabe liessen die drei Proponenten doch einfach das Publikum singen und gaben nur die Melodie vor. In der nachstehenden Factbox ist der lustig-absurde Text nachzulesen.
Wer diese Aufführung, diesen apokalyptischen Auftritt von Enderli, Loser und Tomson auch geniessen will, kann dies noch heute, Samstagabend, 03.10.2020 nachholen. Karten unter graf-elisabeth@bluewin.ch oder 079 101 83 02.
Das Lied eines unbekannten, aber sicher nicht nüchternen Künstlers zum Abschluss des Abends:
Weil wir doch am Leben kleben, muss man abends einen heben.
So ein Virus ist geschockt, wenn man ihn mit Whiskey blockt.
Auch gegorner Rebensaft einen gesunden Körper schafft.
Und auch Bier in grossen Mengen wird das Virus arg versengen.
Wodka, Rum und Aquavit halten Herz und Lunge fit.
Calvados und auch der Grappa helfen Mutti und dem Papa.
Ich will hier nicht für Trunksuchtwerben, doch nüchtern will ich auch nicht sterben.