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Marbach
12.10.2024
11.10.2024 15:47 Uhr

Haus aus dem 3D-Drucker: Nationales Novum in Marbach

Das Haus dient als Werkschau und als Leuchtturmprojekt
Das Haus dient als Werkschau und als Leuchtturmprojekt Bild: zVg
In Marbach steht seit Kurzem das erste Haus der Schweiz, das komplett aus einem 3D-Drucker stammt, konzipiert und gebaut von der Kobelt AG. Rheintal24-Redaktor Fabian Alexander Meyer hat mit René Baumgartner, dem zuständigen Architekten der Kobelt AG, gesprochen.

René Baumgartner ist der «Tätschmeister» hinter dem ambitionierten Projekt. Unter ihm ist das neue Haus vom Papier in den 3D-Drucker und schliesslich in die reale Welt übersetzt worden. Die Beweggründe für den Hausbau sind dem Erfolg der Firma zu verdanken. «Die Kobelt AG ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Das hatte zur Folge, dass die Büroreserven vollends aufgebraucht wurden.» Aus dieser Platznot habe man sich entschieden, den Bemusterungsraum im Attikageschoss auszulagern.

«Der Verwaltungsrat der Kobelt AG hat uns gebeten, im Rahmen eines internen Wettbewerbes ein neues Bemusterungszentrum als 3D-Betonplot zu entwerfen. Das Gebäude soll als erster Betonplot der Schweiz realisiert werden und damit die Innovationskraft der Kobelt AG als weithin wahrzunehmendes Leuchtturmprojekt unterstreichen.» So entstand die Idee für den Neubau.

Ein Novum – und voller Erfolg

Mit dem 3D-Drucker zu arbeiten, ist ein Novum und das Terrain daher nicht gerade einfach. Auch Profis mussten sich in die neue Technologie einarbeiten und sich mit ihr auseinandersetzen, gibt es doch den einen oder anderen Unterschied zwischen dem klassischen Bauen und dem Bauen mit eine Drucker. «Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein solches Gebäude zu plotten. Im Ausland macht man das mit einem feinkörnigen Mörtel, wir aber haben uns für Beton entschieden.» Das brachte nochmal ganz neue Herausforderungen mit sich. «Das Rohmaterial ist massiver und aufgrund Gewichtes und der Materialmischung schwieriger in der Verarbeitung. Dafür wurden wir mit einer sehr ausdrucksstarken Optik entschädigt.»

Sehen lassen kann sich das Haus durchaus. Die Formgebung und die allgemeine Ausstrahlung wirken einladend, sind zugleich aber auch erfrischend anders. Das Bauen mit einem Drucker bringt verschiedene Vorteile mit sich. «Der ganz grosse Vorteil liegt in der Freiheit der Formgebung. Es können Rundungen und schiefe Wände ganz ohne eine Schalung geplottet werden. Das ermöglicht eine enorme Vielfalt. Das Plotten geht auch sehr viel schneller als bei einer herkömmlichen Bauweise und die geplotteten Wände kann man ohne weitere Arbeitsschritte belassen.»

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Wetter als grosse Herausforderung

Mit Vorteilen kommen aber auch Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. «Wir waren mit unserem 3D-Drucker ganz klare Vorreiter. Das hatte zur Folge, dass sämtliche Details in Bezug auf Statik, Wärmedämmung, Feuchtehaushalt und auch die Produktionsabläufe neu konzipiert werden mussten.» Dies sei in enger Zusammenarbeit mit diversen Fachingenieuren und Handwerkern entstanden.

Das eigentliche Drucken des Hauses hat dabei knapp 55 Stunden gedauert. Das bedeutete eine extreme Zeitersparnis gegenüber der klassischen Herangehensweise. «Das Aufstellen des Plotters und der ganzen Infrastruktur inklusive des Betonmischwerks benötigte einige Sattelschlepper und der Aufbau dauerte bedeutend länger als bei einem normalen Baukran.»

Das Wetter bedeutete dabei zusätzlich eine Herausforderung, denn logischerweise musste ja im Freien gedruckt werden. «Am besten wäre ein leicht bedeckter Himmel mit Nieselregen gewesen. Sobald die Sonne herauskam, musste der frisch geplottete Bereich bewässert werden, damit sich keine Risse aufgrund der schnellen oberflächlichen Trocknung bilden konnten.» Doch am Ende lief alles gut und das Haus steht seitdem auf einem soliden Fundament.

«Speziell ist auch der Lösungsansatz, dass die geplotteten Wände bei unserem Projekt in Marbach statisch nicht belastet werden, da diese Nachweise erst noch erbracht und geprüft werden müssen. Die flügelförmige Dachkonstruktion ruht auf 16 runden Stahlstützen, die zum Teil fächerartig angeordnet sind und damit einen speziellen Blickfang bieten.»

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Platz und Infrastruktur als wichtiges Kriterium

Mit diesem Leuchtturmprojekt und Blickfang stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob man wortwörtlich darauf aufbauen kann. Sind beispielsweise ganze Wohnkomplexe möglich? «Wenn der Plotter gross genug ist oder dies in mehreren Etagen plotten kann, ist dies möglich. Momentan sind wir in der Bauhöhe noch etwas eingeschränkt, aber das kann sich in den nächsten Jahren noch ändern.» Denn die Technik befindet sich noch in den Kinderschuhen und wird ständig verbessert.

«Im Moment fokussieren wir uns darauf, dass diese Materialien überhaupt mit einer Maschine geplottet werden können. Dafür benötigen wir diverse Zuschlagsstoffe. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Infrastruktur, die viel Platz beansprucht.» Auf dem Areal der Kobelt AG hätte es diesen Platz gegeben.

Das Bauamt zieht am gleichen Strang

Platz ist eine Sache, doch es gibt immer auch noch das Bauamt, das vielen Projekten einen Strich durch die Rechnung machen kann. Hat man da nicht auch ein wenig argwöhnisch auf das Projekt von Kobelt reagiert? «Nein, gar nicht. Das Bauamt Rebstein/Marbach war sehr aufgeschlossen und hat uns gut unterstützt. Auch unser Gebäude ist für das Bewilligungsverfahren ganz normal. Es gibt nur den Unterschied, dass die Wände rund sind und es keine Ecken gibt.»

Dennoch darf man auch nicht vergessen, dass das Gebäude aus einem 3D-Drucker kommt. Nicht wenige Menschen werden daher das Gebäude wohl auch mit einer eher minderwertigen Qualität assoziieren. Doch Baumgartner hat eine Antwort hierauf. «Die Aussenwände kann man mit einem gewöhnlichen Zweischalenmauerwerk vergleichen. Diese Bauart ist bereits seit Langem als qualitativ hochwertig bekannt.» Lediglich das Material ist beim Kobelt-Gebäude anders. Statt Backstein ist es Beton und wird geplottet statt gemauert.

«Das ist Architektur»

Bis die Technik aber salonfähig ist, wird wohl noch einige Zeit verstreichen. Sie muss noch weiter verfeinert und vor allem konkurrenzfähig gemacht werden. «Wir spielen hierbei eine wichtige Vorreiterrolle und uns ist bewusst, dass wir hier Neuland betreten. Diese Bauweise ist sehr spannend und es wird bestimmt den einen oder anderen Bauherren geben, der ein wirkliches Unikat bauen möchte.»

Baumgartner schliesst mit seinen persönlichen Gedanken ab. «Die Möglichkeit, die gewohnte Bauart einer starren Betonkonstruktion durch die fliessenden Formen der geplotteten Bauweise zu ersetzen – das ist wahre Architektur.»

Fabian Alexander Meyer