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Altstätten
29.08.2024
20.09.2024 15:43 Uhr

«Kein Arbeitgeber wartet auf einen abgewählten Politiker»

An der Kandidatenvorstellung vor wenigen Wochen gab sich Mattle (links) noch siegessicher. Rechts im Bild: Moderator Ralph Dietsche
An der Kandidatenvorstellung vor wenigen Wochen gab sich Mattle (links) noch siegessicher. Rechts im Bild: Moderator Ralph Dietsche Bild: Fabian Alexander Meyer
Vor knapp einer Woche publizierten wir auf Rheintal24 einen Leserbrief, in welchem der Mitte-Politiker Andreas Broger als Stadtpräsident von Altstätten vorgeschlagen wurde. Von der Kampagne wussten jedoch weder er noch Stadtpräsident Ruedi Mattle.

Hinter dieser speziellen Aktion stehen Sandro Steiger und Nando Mattle aus Altstätten. Sie haben gemeinsam einen Leserbrief verfasst, in welchem sie sich daran stören, dass zum damaligen Zeitpunkt nur Ruedi Mattle als Stadtpräsident von Altstätten kandidiert – und diese Wahl aufgrund eines fehlenden Kontrahenten auch gewinnen wird. Im Leserbrief titulierten sie «Broger statt Mattle als Stadtpräsident» und schlugen Broger damit zur Wahl vor. Dieser wusste zum damaligen Zeitpunkt noch nichts von seinem «Glück».

Von Drittpersonen initiiert

Sandro Steiger und Nando Mattle schreiben: «Für das Oberhaupt des Stadtrats wünschen wir uns nach zwölf Jahren eine Wahl mit Auswahl. Der bisherige Vizestadtpräsident und erfahrene Kantonsrat Andreas Broger hat das nötige Rüstzeug, künftig dem Stadtrat vorzustehen.» Daher empfehlen sie Broger als Präsidenten. Dieser weiss aber nichts davon. Aufmerksam wird er erst, nachdem der Leserbrief bereits publiziert wurde. Auch ein Flyer mit Brogers Gesicht drauf macht die Runde. Broger weist die Bevölkerung daher darauf hin, dass die Kampagne von Drittpersonen initiiert wurde. Er selber betreibe keinen Wahlkampf für das Präsidium.

«Im Rahmen der Nomination seitens der Ortspartei Mitte Altstätten-Eichberg, wurde ich für die Kandidatur als Stadtrat nominiert und entsprechend aufgestellt.» Er werde auch weiterhin in seinem Bestreben unterstützt, Stadtrat zu werden. Aber: «Die Parteileitung hat Anfang letzter Woche gebeten, dass ich den Mitgliedern eine transparente Auskunft bezüglich dieser «wilden Wahl» als Stadtpräsident abgebe.»

Auch Wahlflyer für Broger wurden in den Umlauf gebracht Bild: zVg

«Ich würde das Amt annehmen»

Dieses liest sich auszugsweise wie folgt: «Nach zwölf Jahren im Stadtrat habe ich mir vor meiner Kandidatur Gedanken rund um meine politische Zukunft gemacht. Auch wurde ich von anderen Gemeinden angesprochen, ob eine Kandidatur als entsprechender Gemeindepräsident eine Option sei.» Das habe ihm gezeigt, dass ihm ein solches Amt zugetraut werde.

«Folglich habe ich auch eine Kandidatur als Stadtpräsident geprüft und mich mit meinem engsten Umfeld ausgetauscht.» Aufgrund der erneuten Kandidatur von Mattle habe er sich letztendlich aber gegen eine Kandidatur entschieden und wollte stattdessen wieder als Stadtrat antreten. Aber: «Sollte ich entgegen meiner Erwartung gewählt werden, würde ich das Amt annehmen.» Ist Broger also ein Kandidat wider Willen?

«Typisch Altstätten»

Mit dieser wilden Wahl ist der amtierende Stadtpräsident Ruedi Mattle einer unmittelbaren Gefahr aus den eigenen Reihen im Stadtrat ausgesetzt. Wie schätzt er die Situation ein? «Ich sitze mit Andreas seit zwölf Jahren im Stadtrat, da baut man ein gegenseitiges Vertrauen auf. Natürlich glaube ich ihm. Jedoch stellt sich mir die Frage, wer diese wilde Kampagne finanziert hat und wer dahintersteckt. Wir wissen weder wer sie sind, noch welche Interessen sie vertreten.» In den letzten Tagen habe er viel zu oft gehört, dass die Leute «Typisch Altstätten halt» sagen. «Das trifft mich auch persönlich. Wir hatten gedacht, dass wir das überwunden haben…»

Diese wilde Kandidatur könnte nach mehr als einem Jahrzehnt eine Veränderung mit sich bringen. Die Situation für Mattle ist schwierig, denn wie bereits erwähnt, würde Broger das Amt des Präsidenten bekleiden, sollte es zu einer Wahl kommen. Ruedi Mattle ist vorsichtig positiv. «Das Positive ist, dass mir diese Ausgangslage nochmal vor Augen führt, wie gerne ich dieses Amt ausübe. Es ist der spannendste, beste und vielfältigste Job, den ich je hatte.»

Entsprechend würde es enorm schmerzen, wenn er ihn abgeben müsste. Und dieser Gedanke liege heute näher als noch vor drei Wochen. «Ja, es ist keine einfache Situation und die Gedanken fahren immer wieder Karussell. Und es ist auch nicht nur eine Frage der Leidenschaft und Freude, sondern auch eine rund um die finanzielle Sicherheit.»

Andreas Broger: Bald Stadtpräsident von Altstätten? Bild: leaderdigital.ch

«Die Chancen sind deutlich geringer»

Mattle stellt klar, dass Wahlen mit und ohne Gegenkandidaten zu einer Demokratie gehören. Dem ist er sich bewusst. Dennoch würde er sich einen richtigen Wahlkampf wünschen, «in welchem sich die Kandidaten inhaltlich und sachlich präsentieren können und der Wählerschaft damit eine fundierte Entscheidungsgrundlage bieten. Aufgrund des späten Zeitpunkts ist dies nicht mehr möglich; die Unterlagen sind bereits bei den Wahlberechtigten angekommen.»

Das könnte ein Lichtblick für den Stadtpräsidenten sein. Der Name Broger muss von Hand aufgeschrieben werden. Dennoch besteht eine Chance, dass nach mehr als einem Jahrzehnt jetzt ein neuer Stadtpräsident antritt. Zumal bei den letzten Gemeindewahlen Andreas Broger am meisten Stimmen von allen Kandidaten bekommen hatte. «Andreas Broger ist in Altstätten breit verankert und bringt politische Erfahrung mit. Und wenn zwei um ein Amt kämpfen, sind die Chancen nun mal deutlich geringer.»

Im Internet nach Stellen surfen

Angenommen, es heisst «Broger folgt auf Mattle», würde dies dem Stadtpräsidenten den Boden unter den Füssen wegziehen. Denn das Amt des Stadtpräsidenten ist sein Beruf. Dementsprechend würde er arbeitslos werden. «Ich würde Broger selbstverständlich gratulieren, bestimmt die eine oder andere Träne verdrücken und danach die Stadtratssitzung für den kommenden Tag vorbereiten. Und ganz sicher werde ich im Internet auf verschiedenen Stellenportalen surfen…»

Welchen Beruf er denn ausüben würde, kann Mattle aber selber auch noch nicht beantworten: «Es wäre – trotz allem – spannend, wo ich landen würde. Allerdings, dessen bin ich mir auch bewusst, wartet kein Arbeitgeber im Rheintal auf einen abgewählten Politiker…»

Wer von beiden das Rennen macht, Broger oder Mattle, das werden die Wähler am Wahlsonntag, 22. September erfahren.

Fabian Alexander Meyer